# taz.de -- Streit zwischen Grünen und SPD in Berlin: Scheiden tut weh | |
> Nach dem Aus für Rot-Grün-Rot greift die SPD die Grünen frontal an. Es | |
> scheint, als sei das Tischtuch zerrissen zwischen beiden Parteien. | |
Bild: So stellt sich die SPD derzeit die Grünen vor | |
BERLIN taz | Wer die einführenden Absätze aus dem Bericht der | |
Sondierungskommission der SPD liest, fragt sich schon, wie die | |
Sozialdemokraten seit mehr als sechs Jahren – oder zumindest seit der | |
Regentschaft von Franziska Giffey – [1][mit den Grünen regieren konnten]. | |
Von „stark überwiegenden Eigeninteressen der Grünen“ ist da die Rede. Sie | |
hätten zudem „erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer | |
Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen“. | |
Der Bericht war die Grundlage für [2][die Sitzung des SPD-Landesvorstands], | |
der am Mittwochabend für eine Koalition mit der CDU stimmte. Und weiter | |
heißt es: „Die Verbindlichkeit von Absprachen“ sei „in Abrede“ gestellt | |
worden. Übersetzt heißt das nicht weniger als: Die Grünen seien ein | |
unzuverlässiger, machthungriger Haufen. Eine erneute Koalition mit ihnen | |
sei eigentlich unmöglich. | |
Dieser Frontalangriff auf den Noch-Koalitionspartner sorgte für Aufsehen, | |
nachdem das Papier am Mittwochabend umfassend unter Journalist*innen | |
gestreut worden war. Zwar beeilte sich Co-Landeschef Raed Saleh nach der | |
Vorstandssitzung zu betonen, man habe „viele Jahre gut mit Linken und | |
Grünen zusammengearbeitet“. | |
Und natürlich war auch bekannt, dass die Regierende Bürgermeisterin | |
Franziska Giffey – um es vorsichtig zu formulieren – nicht der größte Fan | |
der Grünen ist. Aber der Eindruck bleibt, dass sich SPD und Grüne in | |
wenigen Tagen in nur drei gemeinsamen Sondierungsgesprächen derart | |
voneinander entfremdet haben, dass aktuell nicht vorstellbar ist, wie beide | |
in absehbarer Zeit wieder zusammen arbeiten können. | |
## Eigentlich viel erreicht | |
Dabei hatte Giffey die erste Runde der Sondierungen mit einem Lob auch an | |
Linke und Grüne eröffnet. Man habe viel erreicht, etwa bei der Bewältigung | |
der Krisen von Corona über die Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge bis hin | |
zur Abfederung steigender (Energie-)Preise. | |
Im Verlauf der Gespräche seien die Grünen dann aber immer fordernder | |
geworden, so eine SPD-Sondierer*in zur taz; auch habe man sich erpresst | |
gefühlt, weil auf Seiten der Sozialdemokraten der Eindruck entstanden sei, | |
die Grünen wollten eigentlich lieber mit der CDU regieren. Am Ende, sprich | |
am Mittwoch, sagte Giffey: „Wichtige Punkte wie die Verkehrspolitik und die | |
Schulbauoffensive wurden nicht mehr so ernst genommen, wie wir uns das | |
gewünscht haben.“ | |
Auch auf grüner Seite beschreiben Teilnehmende die Atmosphäre mit der SPD | |
zuletzt als wenig einladend. Man habe zumindest während der dritten und | |
letzten Runde am Montag das Gefühl gehabt, dass Giffey mit einer | |
Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition nicht glücklich würde. | |
Dennoch sei man an jenem Tag in der Überzeugung auseinander gegangen, das | |
Bündnis gehe weiter. Trotz anders lautender Absprache habe die SPD tags | |
darauf ihre Entscheidung für die CDU öffentlich gemacht – während die | |
Grünen im letzten Sondierungsgespräch mit den Christdemokraten saßen und | |
ohne zuvor darüber informiert worden zu sein. | |
## Grüne wollten sich ehrlich machen | |
In den Gesprächen mit der SPD sei es den Grünen darum gegangen, dass | |
Rot-Grün-Rot sich ehrlich mache und den Bürger*innen vermittle, dass | |
eben nicht alle Probleme der Stadt schnell gelöst sein würden, hieß es | |
weiter. Angesichts der Schwierigkeiten etwa durch steigende Kosten und | |
fehlende Fachkräfte dürfe man nichts versprechen, was dann nicht haltbar | |
sei. Entsprechend müssten Ziele angepasst, also eher reduziert werden. | |
Durch ihre Äußerungen habe die SPD seit Mittwoch viel Vertrauen verspielt, | |
bilanziert die grüne Fraktionschefin Silke Gebel. „Das ist bedauerlich. Wir | |
müssen nun bewerten, was das für uns Grüne heißt.“ Hierfür nutzen könnte | |
die Partei den kleinen Parteitag am kommenden Dienstag. Der war eigentlich | |
dafür vorgesehen, eine Koalitionsempfehlung auszusprechen. | |
Am Donnerstag verteilte die Partei schon mal einen dreiseitigen | |
„Faktencheck Sondierungspapier der SPD“. Darin werden Vorwürfe des | |
Noch-Koalitionspartners aufgegriffen und „richtig gestellt“, etwa was die | |
Kritik an der fehlenden Verbindlichkeit oder inhaltliche Fragen zum | |
Beispiel zum 29-Euro-Ticket oder der Lehrkräfteausbildung angeht. Zu Anfang | |
des Schreibens heißt es zusammenfassend: „Klar ist: Die SPD arbeitet mit | |
verkürzten Aussagen bis hin zur Unwahrheit.“ Der Streit zwischen beiden | |
wird heftig werden. | |
Etwas besser weg als die Grünen kommen bei der SPD die Linken. Aber auch | |
bei ihnen würden die Unzuverlässigkeiten in einer Koalition eher zunehmen, | |
heißt es in dem Bericht: „Die Aufweichung von Beschlüssen und die | |
Verzögerung von Prozessen“ werde sich nicht nur verstetigen, sondern sogar | |
verstärken. | |
3 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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