# taz.de -- Streit um Habecks Heizungsgesetz: Schuld sind alle anderen | |
> Nordrhein-Westfalens Grüne machen eine „Angstkampagne“ von | |
> Springer-Presse, CDU und FDP für ihre Umfragewerte verantwortlich. | |
Bild: Mona Neubaur: „Relativ geräuschlos“, aber effektiv für eine „sozi… | |
MÜNSTER taz | In Nordrhein-Westfalen haben die Grünen mit heftigen | |
Angriffen gegen die Union und ihre eigenen Koalitionspartner im Bund, aber | |
auch mit Selbstkritik auf die sinkenden Umfragewerte ihrer Partei reagiert. | |
„Der Wind weht heftig von vorn“, erklärte die aus Köln stammende | |
Co-Bundestagsfraktionsvorsitzende Katharina Dröge beim Landesparteitag in | |
Münster. | |
Grund dafür sei die Taktik von CDU/CSU, aber auch von SPD und FDP, die | |
Verantwortung für effektiven Klimaschutz allein bei den Grünen abzuladen: | |
„Alle anderen demokratischen Parteien“ redeten „jede einzelne Maßnahme f… | |
mehr Klimaschutz schlecht“, klagte die 38-Jährige Bundestagsabgeordnete wie | |
viele anderen Redner:innen der Landesdelegiertenkonferenz. | |
Nach einem Ergebnis von 14,8 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 hatten die | |
Grünen zu einem zwischenzeitlichen Höhenflug angesetzt und konnten 2022 | |
Zustimmungswerte von mehr als 20 Prozent verzeichnen. | |
Aktuelle Umfragen sehen die Partei allerdings nur noch bei 13 bis 15 | |
Prozent. Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer | |
Verdachtsfall eingestufte AfD liegt dagegen wie die SPD bei 18 bis 19 | |
Prozent – und könnte damit die zweitstärkste Partei in Deutschland sein. | |
Noch weiter vorn liegt weiter die Union aus CDU und CSU mit 27 bis 29 | |
Prozent. | |
## Grüne beklagen konservative „Angstkampagne“ | |
Grund für das grüne Umfragetief sei vor allem eine „Angstkampagne“, die v… | |
der Bild-Zeitung, aber auch von CDU und FDP gegen das Gebäudeenergiegesetz | |
von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gefahren werde, beklagten | |
Dutzende Redner:innen beim NRW-Parteitag. | |
Habecks Gesetzentwurf sah ursprünglich vor, dass beim Neueinbau von | |
Heizungen [1][ab Januar 2024 nur noch Anlagen] zum Einsatz kommen sollten, | |
die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. | |
Ermöglicht werden soll das vor allem durch Wärmepumpen. Doch die sind wegen | |
hoher Kosten, auch durch Umbau und nötiger Dämmung besonders bei | |
unsanierten Altbauten, umstritten – Kritiker:innen rechnen mit Preisen | |
bis in den sechsstelligen Bereich hinein. | |
Zwar hat Habeck mittlerweile angedeutet, das Gesetz zunächst nur für | |
Neubauten gelten zu lassen, zwar sind schon jetzt massive Subventionen | |
[2][von 30 bis 50 Prozent der Kosten] vorgesehen. Dennoch blockiert die FDP | |
weiter: Ob das Gebäudeenergiegesetz wie ursprünglich vorgesehen bis zum | |
Beginn der Sommerpause am 7. Juli vom Bundestag beschlossen werden kann, | |
ist aber weiter unklar. „Der Gestaltungswille mancher Politiker steckt im | |
Großstau“, kritisierte deshalb die Co-Landesvorsitzende der Grünen in NRW, | |
Yazgülü Zeybek – und mahnte auch ein Machtwort von SPD-Bundesregierungschef | |
Olaf Scholz an: „Der Kanzler drückt sich vor der Verantwortung.“ | |
Allerdings sei die Bild-Kampagne gegen Habecks angeblichen „Heiz-Hammer“ | |
nicht der alleinige Grund für das grüne Stimmungstief, erklärte nicht nur | |
der Aachener Bundestagsabgeordnete Lukas Benner: „Wir sind zu langsam beim | |
sozialen Wohnungsbau, zu langsam beim Ausbau der Schiene, zu langsam beim | |
Ausbau der Erneuerbaren Energien“, sagte der 27-Jährige. | |
Außerdem habe die [3][„Trauzeugenaffäre“] rund um Habecks | |
Klimastaatssekretär Patrick Graichen den Grünen einen echten „Skandal“ | |
beschert, der den Bundeswirtschaftsminister ebenso „beschädigt“ habe wie | |
die grüne Politik und die Partei selbst, kritisierte Gerd Klünder, Ratsherr | |
in Münsters knapp 20.000 Einwohner:innen zählenden Nachbarstädtchen | |
Telgte – in Sachen Korruptionsverdacht hätten Wähler:innen an die Grünen | |
eben „andere Ansprüche an uns als an andere Parteien“. | |
## Grüne Kommunikationsprobleme | |
Kommunikationsprobleme der Partei bei der Umsetzung ihrer | |
Klimaschutzpolitik räumte auch Telgtes grüner Bürgermeister Wolfgang Pieper | |
wie viele andere Redner:innen ein: „Wir reden seit 40 Jahren über den | |
Klimawandel“, sagte das bereits seit 2010 regierende Stadtoberhaupt. | |
„Selbstverständlicher Mainstream ist das aber nicht“, mahnte Pieper: „Wir | |
müssen unsere Politik immer wieder erklären, wir müssen die Menschen | |
mitnehmen.“ Dennoch bleibe Habecks Heizungsgesetz im Kern unverzichtbar, | |
argumentierte der baupolitische Sprecher der grünen Fraktion im | |
Düsseldorfer Landtag, Arndt Klocke – schließlich trägt dieser Sektor | |
zusammen mit dem Verkehr am stärksten zur drohenden Klimakatastrophe bei. | |
Nötig sei deshalb, in den nächsten Wochen die „Kampagnenfähigkeit“ der | |
Partei zu beweisen, forderte der einstige Co-Landes- und | |
Co-Landtagsfraktionschef der Grünen: „Wir müssen auf die Straße gehen, | |
müssen für das Heizungsgesetz, für die Energiewende kämpfen.“ | |
Punkten wollen die NRW-Grünen einmal mehr mit der Ankündigung einer | |
sozialverträglichen Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Schon das Motto | |
des Landesparteitags lautete „Natur.Klima.gerecht.“ Beschlossen hat die | |
Landesdelegiertenkonferenz deshalb einen Leitantrag zur Biodiversität, der | |
etwa naturnahe Wälder ebenso sichern soll wie den Schutz und die | |
Wiedervernässung von Mooren sowie einen zweiten Nationalpark im | |
bevölkerungsreichsten Bundesland. | |
Schon heute, ein Jahr nach dem Einstieg in die schwarz-grüne | |
Landesregierung von Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik | |
Wüst, sei die 1.000-Meter-Abstandsregel zwischen Windrädern und | |
Wohnbebauung, die den Ausbau der Windenergie massiv behindert hatte, | |
gefallen, heißt es in dem Leitantrag. Landesumwelt- und Verkehrsminister | |
Oliver Krischer konnte außerdem die Einführung eines von 49 auf 29 | |
verbilligten Deutschlandtickets für Schüler:innen ankündigen. Menschen | |
mit geringem Einkommen sollen Bus und Bahn deutschlandweit für 39 Euro im | |
Monat nutzen können. Zusammen mit Wüsts CDU kämpften die Grünen zwar | |
„relativ geräuschlos“, aber effektiv für eine „sozial-ökologische | |
Marktwirtschaft“, erklärte auch Nordrhein-Westfalens grüne Wirtschafts- und | |
Klimaschutzministerin Mona Neubaur. | |
Allerdings: Eine Alternative für die Bundespolitik wäre Schwarz-grün | |
zumindest aktuell trotzdem nicht: In den neuesten Umfragen kommen beide | |
Parteien nur noch auf maximal 44 Prozent. | |
3 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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