# taz.de -- Streit Polizeiwache am Kottbusser Tor: Nicht zu Ende gedacht | |
> Am Kotti, dem linkem Mythenort in Berlin schlechthin, soll eine | |
> Polizeiwache einziehen. Es ist ein höchst sensibles Projekt – und ebenso | |
> umstritten. | |
Bild: Ostermarsch am Kottbusser Tor: So ähnlich wäre dann der Blick von der P… | |
BERLIN taz | Politik muss nicht verständlich sein, jedenfalls ist das nicht | |
gesetzlich vorgeschrieben. Aber es erleichtert die Dinge ungemein. | |
Verständlich machen heißt dabei nicht, alle vom Zweck überzeugen zu können, | |
aber zumindest klar und nachvollziehbar zu argumentieren. Und vor allem den | |
Eindruck zu erwecken, die Sache zuvor richtig durchdacht zu haben, auch in | |
ganz praktischen Einzelheiten. | |
Berlin erlebt gerade, wie man es genau nicht machen sollte, und das bei | |
einem höchst sensiblen Projekt, nämlich einer neuen Polizeiwache im | |
Stadtteil Kreuzberg, am Kottbusser Tor, kurz Kotti. Manche sehen dort einen | |
der kriminalitätsbelasteten Orte Berlins, Drogenhandel und Vermüllung, | |
andere einen mythenreichen linken Kiez, der kaum Polizeipräsenz verträgt. | |
Anders als es der Name nahelegt, gibt es dort kein Tor, es geht vielmehr um | |
einen von einem Kreisverkehr umflossenen Platz, von dem sechs Straßen | |
ausgehen und neben dem die U-Bahn verläuft. Prägend ist ein in den 1970er | |
Jahren entstandener zwölfgeschossiger Gebäuderiegel, der eine jener Straßen | |
überbrückt. Und in just jene Überbrückung, in die sogenannte Galerie, soll | |
eine Polizeiwache einziehen. | |
Da ließe sich angesichts der Brisanz vermuten: Das ist bestimmt gut | |
vorbereitet, komplett durchgerechnet, polizeiintern abgesprochen, vor allem | |
mit der starken Gewerkschaft GdP, und innerhalb der rot-grün-roten | |
Koalition auch mit jenen abgeklärt, die von so einer Wache eigentlich gar | |
nichts halten. | |
## „Schnell Nägel mit Köpfen“ | |
Passiert aber ist anderes, ganz anderes. Im Koalitionsvertrag, gerade erst | |
vergangenen Dezember unterzeichnet, ist nur von Videoüberwachung „an | |
kriminalitätsbelasteten Orten“ die Rede, durchgesetzt von der SPD. Kaum | |
drei Wochen später aber sprach [1][die neue sozialdemokratische | |
Innensenatorin Iris Spranger] in einem Interview von einer neuen | |
Polizeiwache am Kotti. | |
Und nur weitere zwei Wochen später kam die Landesregierung aus einer ersten | |
Klausurtagung mit einem 100-Tage-Programm, zu dem plötzlich die | |
Vorbereitung eben dieser Wache gehörte. Sie wolle „schnell Nägel mit | |
Köpfen“ machen, war von der Innensenatorin zu hören. Nochmals nur wenig | |
später war dann auch der Vorschlag da, diese Wache in besagter Galerie | |
unterzubringen. Mehrfach gab es seither Demonstrationen dagegen. | |
Vielfach sind aber auch die Gegenargumente aus der Polizei gegen eine Wache | |
dort: zu klein, um wirklich wirksam sein zu können, mit ihrer Glasfront zu | |
ungeschützt für die Beamten, „wie auf dem Präsentierteller“, ohne die | |
nötigen Parkplätze für Einsatzwagen, ohne Aufzug. Und mitnichten sei es so | |
wie von der Senatorin dargestellt, dass sich Kollegen um Jobs dort reißen | |
würden. Zudem wirken Grüne und Linkspartei, Koalition hin oder her, weiter | |
nicht so, als würden sie das Projekt mittragen. | |
Und als ob fragliche Konzeption, schwacher Rückhalt, umstrittener Standort | |
und mutmaßlich falsche Größe nicht ausreichten, steht seit Kurzem auch die | |
Finanzierung infrage. 250.000 Euro sollten veranschlagt sein – [2][jüngst | |
berichtete der Tagesspiegel bislang unwidersprochen über Kosten von 2,5 | |
Millionen]. Da wirkt das „Nägel mit Köpfen“-machen-Wollen der Senatorin | |
nicht energiegeladen, sondern bloß noch aktionistisch. | |
22 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /100-Tage-ohne-Innensenatorin/!5844950 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-innenausschuss-beraet-haushalt-… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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