# taz.de -- Steigende Energiepreise: Weg mit der Gießkanne | |
> Die geplante Energiepreisentlastung gerät zum Gewurstel ohne Sinn für | |
> soziale Gerechtigkeit. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? | |
Bild: Diskussion übers Heizrohr? Olaf Scholz greift daneben | |
Zum Glück lässt der Winter dieses Jahr auf sich warten. Noch muss nicht auf | |
höchster Stufe geheizt werden. Die Verunsicherung ist trotzdem groß. Die | |
Menschen fragen sich, wie viel Geld sie auf die Seite legen müssen, um die | |
nicht planbaren Nebenkosten zu bezahlen. | |
Im September kündigte die Bundesregierung den „Doppelwumms“ an, ein | |
200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket, um den rasanten Anstieg der | |
Energiepreise abzufedern. Olaf Scholz wollte damit der zunehmenden | |
Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenwirken. Doch seither drehen sich | |
die Diskussionen um eine Unmenge an Details und Umsetzungsfragen. | |
Eine [1][Gaspreiskommission hat Vorschläge] erarbeitet und nun debattiert | |
die Regierung, ob und wie sie diese Empfehlungen umsetzen will – und kann. | |
Denn die Sache ist denkbar komplex. | |
Parallel dazu wurde eine Strompreisbremse entwickelt. Und es werden immer | |
mehr Rufe [2][nach weiteren Entlastungen] laut. Die SPD wünscht sich | |
beispielsweise, dass auch Menschen, die mit Öl oder Holz heizen, entlastet | |
werden. | |
Auch wenn die Regierung diese Woche eine Ansage machen und damit endlich | |
Klarheit schaffen wird, bleibt das Vorhaben kompliziert. Das Ziel, den | |
Bürgerinnen Sicherheit zu geben, wird wohl nicht erreicht werden. | |
## Ginge es nicht auch gerechter und einfacher? | |
Auch ist unklar, wie groß der Streuverlust der Maßnahmen sein wird. Also | |
wie viele staatliche Mittel in Haushalte fließen, die die Situation ohne | |
finanzielle Hilfen stemmen könnten. Teil der Debatte ist deshalb auch die | |
Frage, ob begüterte Menschen die geplanten Hilfen versteuern müssen. | |
Ohnehin fragwürdig: Die vorgeschlagenen Preisbremsen für Gas und Strom | |
orientieren sich am Vorjahresverbrauch. Ein Haushalt bekommt also umso mehr | |
verbilligte Energie, je mehr er im letzten Jahr verbraucht hat. Das ist | |
insbesondere für die Menschen ein Problem, die schon letztes Jahr wenig | |
Geld hatten und beim Heizen gespart haben. Da fragen sich viele zu Recht, | |
ob es nicht gerechter und einfacher ginge. | |
Karen Pittel, Mitglied der Gaspreiskommission, hat schon Anfang Oktober im | |
Fernsehen ausgeführt, warum es aus ihrer Sicht nicht möglich sei, | |
zielgerichtet Haushalte mit Gasheizung und niedrigen Einkommen zu | |
unterstützen: Es gebe zwar die Daten darüber, wer wie heize und es gebe | |
auch Daten darüber, wer wie viel Geld zur Verfügung hätte, doch es sei aus | |
Datenschutzgründen nicht möglich, diese Informationen zu verknüpfen. Ergo | |
bliebe gar nichts anderes übrig, als schlicht alle Haushalte, die mit Gas | |
heizen, zu unterstützen. | |
Doch es gäbe eine Alternative: Nämlich stattdessen alle Haushalte mit wenig | |
Geld zu unterstützen, unabhängig davon, wie sie heizen. | |
In beiden Fällen werden die Haushalte mit Gasheizung und wenig Geld | |
unterstützt, in ersterem Fall werden zusätzlich Reiche mit Gasheizung | |
entlastet, in letzterem arme Menschen ohne Gasheizung. [3][Im Sinne der | |
sozialen Gerechtigkeit] wäre Zweiteres wünschenswert. | |
## Energie wird teurer – grundsätzlich und für alle | |
Warum also dieses staatliche Geld nicht in Form von großzügigen, nicht | |
zweckgebundenen Auszahlungen – einmalig oder mehrmalig – an alle Haushalte | |
mit niedrigem Einkommen verteilen? | |
Denn wie die Debatten über Strom, Benzin, Heizöl und Holz zeigen, steigen | |
die Preise für alle Energieformen und Heizen wird teurer – grundsätzlich | |
und für alle. Und: Wenn die Energiepreise steigen, dann steigen auch die | |
Preise für viele andere Güter. | |
Es gibt in Deutschland Menschen, die das verkraften können. Und es gibt | |
Menschen, für die es aus unterschiedlichen Gründen eine existenzielle | |
Bedrohung darstellt. Für die einen wegen der Nebenkostenabrechnung, für die | |
anderen, weil sie mit dem Auto pendeln müssen, für wieder andere, weil die | |
Lebensmittel immer teurer werden. | |
Ein weiterer Vorteil einer nicht zweckgebundenen Unterstützung: Der | |
Sparanreiz bliebe vollständig erhalten. Denn die Nebenkostenabrechnung | |
würde nicht sinken, stattdessen hätten Betroffene mehr finanziellen | |
Spielraum. Kurzfristig ist das wichtig, weil Energie nicht nur teuer, | |
sondern auch knapp ist. Langfristig ist es wichtig, damit wir die | |
Energiewende schaffen und unsere Klimaziele erreichen können. | |
Eine großzügige, nicht zweckgebundene Unterstützung aller Haushalte, die | |
wenig Geld zur Verfügung haben, wäre also sozial gerecht, energiepolitisch | |
sinnvoll und zudem einfacher und verständlicher als das aktuelle | |
Maßnahmengewurstel. Und das Ziel, alle Bürgerinnen durch den Winter zu | |
bringen, würden wir damit auch erreichen. | |
2 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Clara Vuillemin | |
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