| # taz.de -- Stasi-Historiker Kowalczuk im Interview: „Ich hatte immer ’ne g… | |
| > Ilko-Sascha Kowalczuk legte sich als 14-Jähriger mit den | |
| > DDR-Institutionen an. Heute arbeitet er bei der Stasiunterlagenbehörde. | |
| > Der Fall Holm ging ihm nahe. | |
| Bild: Ilko-Sascha Kowalczuk (rechts) bei einer Podiumsdiskussion mit Andrej Hol… | |
| taz: Herr Kowalczuk, stellen Sie sich vor, Sie sind Michael Müller, der | |
| Regierende Bürgermeister … | |
| Ilko-Sascha Kowalczuk: Nee, das wäre nicht mein Ding. | |
| Hätten Sie Andrej Holm als Staatssekretär im Amt belassen oder ihn zum | |
| Rücktritt aufgefordert? | |
| An Müllers Stelle und an der Stelle von allen anderen hätte ich mich | |
| frühzeitig erkundigt, was an der Geschichte dran ist. Es war ja kein | |
| Geheimnis, dass sich Andrej Holm als junger Mann bei der Stasi verpflichtet | |
| hatte. Die Linkspartei dachte, das ist kalter Kaffee. Und dann rollte die | |
| Debatte wie ein Tsunami über sie. | |
| Eng wurde es für Holm vor allem, weil er 2005 gegenüber der | |
| Humboldt-Universität angegeben hatte, nicht für die Stasi tätig gewesen zu | |
| sein. War es richtig, dass er zurücktreten musste? | |
| Man konnte in der Situation nichts mehr richtig machen. Wenn Holm | |
| Staatssekretär geblieben wäre, dann hätte die Opposition dem Senat diese | |
| Geschichte unentwegt vorgehalten. Für die Aufarbeitung wäre es aus meiner | |
| Sicht aber viel besser gewesen, Andrej Holm hätte sein Amt behalten. | |
| Warum? | |
| Weil es ein permanenter Stein des Diskussionsanstoßes gewesen wäre. Für | |
| mich ist Andrej Holm mit seiner DDR-Biografie bis zu seinem 18. Lebensjahr | |
| ein Opfer. Ein System, das Kinder dazu veranlasst, Lebensentscheidungen zu | |
| fällen, Bekenntnisse für Ideologien abzugeben, die förmlich zur materiellen | |
| Gewalt werden – solche Systeme sind total krank und machen krank. Darüber | |
| hätte man reden können. Auch darüber, dass Geschichte nie so läuft, wie es | |
| uns passt. Wir deuten sie im Nachhinein so, dass man glaubt, es sei eine | |
| gerade Linie. Tatsächlich besteht Geschichte nur aus Schlängellinien, so | |
| wie jede einzelne Biografie von vielen Brüchen gekennzeichnet ist. | |
| Kennen Sie Holm persönlich? | |
| Wir sind uns vor ein paar Monaten im Zuge der Debatte das erste Mal | |
| begegnet. | |
| Sie haben viele Gemeinsamkeiten, sind beide in den 70ern in Ostberlin | |
| aufgewachsen, beide in staatsnahen Elternhäusern. | |
| Ich bin dreieinhalb Jahre älter als Andrej Holm. Ich bin 1967 geboren. Mein | |
| Vater war erst ein streng gläubiger Katholik und dann überzeugter | |
| Kommunist. Holms Vater war ja Stasioffizier. Auch mein Vater wollte in den | |
| 60ern zur Stasi. Die haben ihn aber nicht genommen, weil er sich eine Weile | |
| weigerte, aus der katholischen Kirche auszutreten. Ein paar Jahre war er | |
| Inoffizieller Mitarbeiter, taugte aber nicht dafür. Mein Vater war sehr | |
| ehrlich, sehr offen. Gleichwohl hat er mich in diesem Dogma erzogen. Er hat | |
| mir frühzeitig beigebracht, dass es das Schönste auf der Welt ist, sein | |
| Vaterland zu verteidigen gegen die Feinde von außen. | |
| Und Sie? | |
| Wie die meisten Kinder, die relativ geradeaus laufen, will man seine Eltern | |
| nicht enttäuschen, will ihnen gefallen. Mit 11 Jahren habe ich das erste | |
| Mal gesagt, dass ich Offizier bei der Nationalen Volksarmee werden will. | |
| Meine Eltern haben sich total gefreut, vor allem mein Vater. Als ich 12 | |
| war, bin ich mit meiner Mutter zum Wehrkreiskommando gegangen, um mich als | |
| künftigen Offizier der NVA anzumelden. Das war 1979, seitdem wurde ich als | |
| Offiziersbewerber auch in den Schulstatistiken geführt. Die Quoten für den | |
| militärischen Nachwuchs waren damals das Wichtigste, keine Schule konnte | |
| die erfüllen. Deshalb wurde jeder, der ja sagte, festgehalten. Mit mir war | |
| das aber ein Problem, weil diese Berufswahl zu meinem sonstigen Habitus | |
| nicht wirklich passte. | |
| Wie waren Sie? | |
| Ich ordnete mich nicht unter. Ich hatte immer ’ne große Fresse und machte | |
| nur das, was mich interessierte. Dann wurde ich älter, meine Zweifel | |
| wuchsen, von Monat zu Monat wurde mir mulmiger. Irgendwann beschloss ich, | |
| nicht NVA-Offizier werden zu wollen. Ich war 14, als ich den Mut hatte zu | |
| sagen: Nein. Nein zum Offiziersberuf. Nein zum Vater. | |
| Das unterscheidet Sie von Andrej Holm, er begann seine Ausbildung wie | |
| geplant. | |
| Ich würde ihn dafür niemals verurteilen. Dieses Nein war alles andere als | |
| einfach. Ich wendete mich gegen zwei Institutionen, die man in dem Alter | |
| nicht infrage zu stellen hatte: den Staat und mein Elternhaus. | |
| Wie haben Ihre Eltern reagiert? | |
| Mein Vater war tief enttäuscht, er konnte mich gar nicht mehr ertragen. Ich | |
| hatte nie einen Zweifel, dass meine Eltern mich lieben. Mein Vater hätte | |
| sich für mich vor den Zug geworfen. Trotzdem hat er sich abgewendet. Das | |
| lag wohl auch daran, dass die Stasi und die Partei in seinem Umfeld | |
| ermittelten, was er falsch gemacht haben könnte. So funktionierte das | |
| System. Die kamen nicht auf die Idee, dass ich so etwas von mir aus | |
| entscheiden würde. | |
| Es wurde sicherlich auch Druck auf Sie ausgeübt. | |
| Ja klar. Anderthalb Jahre hat es gedauert, bis mich der Staat aus seinen | |
| Fesseln entlassen hat. Wir wohnten damals in Friedrichshagen am Müggelsee. | |
| Ich musste regelmäßig mit meiner Mutter ins Wehrkreiskommando nach | |
| Wendenschloss in Köpenick fahren. Da saßen Männer, die mich bearbeiteten, | |
| ich musste die ganze Zeit vor ihnen stehen. Aber was für mich viel | |
| schlimmer war: Ich hatte regelmäßig Aussprachen in der Schule, ohne meine | |
| Mutter. Da saßen Lehrer, Funktionäre von der Partei, von der FDJ, die | |
| meisten kannte ich nicht. Die redeten auf mich ein. Immer und immer und | |
| immer wieder. Man hat versucht, mich zu brechen. | |
| Wie endete das? | |
| Es gab ein letztes Gespräch im Wehrkreiskommando. Ich habe diese Sequenz | |
| jahrelang vergessen, erst meine Mutter hat mir das erzählt. „Weißt du | |
| eigentlich, was du diesem Staat mit Ausbildungskosten auf der Tasche | |
| gelegen hast?“, haben sie zur mir, einem knapp 16-Jährigen, gesagt. Ich | |
| stand da und sagte: „Schreiben Sie mir eine Rechnung, ich werde das diesem | |
| Staat auf Heller und Pfennig zurückzahlen.“ Daraufhin sind die total | |
| ausgetickt, haben mir im Beisein meiner Mutter prognostiziert, dass ich | |
| über kurz oder lang im Gefängnis landen werde. Sie schrien mich an. Meine | |
| Mutter sagte kein Wort. Heute habe ich selbst vier Kinder und denke, dass | |
| mich ihr Schweigen mindestens genauso traumatisiert hat wie das Abwenden | |
| meines Vaters von mir. | |
| Warum hat Ihre Mutter Sie denn nicht verteidigt? | |
| Meine Mutter hat mir erzählt, sie sei davon ausgegangen, dass wir aus dem | |
| Wehrkreiskommando nach dem letzten Gespräch treten, und da stehen schwarze | |
| Limousinen, wir werden rein verfrachtet und sind für immer weg. Ich habe | |
| sie ausgelacht. Erst später habe ich verstanden, wie ernst es ihr damit | |
| war. Sie hatte Bilder aus den 50ern im Kopf, aus der Ulbricht-DDR, ihrer | |
| Meinung nach gehörte so etwas damals zum Alltag. Meine Mutter hatte große | |
| Angst, sie war wie gelähmt. Heute sagt sie: Dass sie mir damals nicht | |
| beigestanden habe, sei einer ihrer schlimmsten Lebensfehler gewesen. | |
| Es muss hart sein, als Jugendlicher einem solchen Druck ausgesetzt zu sein. | |
| Was hat das mit Ihnen gemacht? | |
| Körperlich blieb ich unversehrt. Aber diese Verletzung, die bin ich nie | |
| wieder losgeworden. Mein Vater ist Anfang der 90er bei einem Verkehrsunfall | |
| tödlich verunglückt. Wir hatten bis dahin immerhin ein Verhältnis, dass wir | |
| miteinander reden konnten. Wir sind am 18. März 1990, am Tag der ersten | |
| demokratischen Volkskammerwahl, durch Ostberlin gelaufen. Er hat gesagt: | |
| „Das haste nun davon.“ Ich hab gesagt: „Alles ist besser als dein | |
| Scheißsystem.“ Aber wir sind im Gespräch geblieben. Ich war auch nicht | |
| sauer. Ich wusste, er machte das nicht, um mich zu verletzen. Und dennoch | |
| stecken die Verletzungen bei mir extrem tief. Ich habe in einem Alter, in | |
| dem das nicht besonders förderlich ist, einen wichtigen Halt verloren. Die | |
| Zukunft lag mit 15 hinter mir. Zum Glück habe ich in dieser Zeit neue | |
| Freunde in christlichen Kreisen gefunden. | |
| Die haben Sie unterstützt? | |
| Wir sind viel durch die DDR getrampt, haben an Gemeindetüren geklopft und | |
| konnten da schlafen. Das war das einzige Milieu, wo ich mich traute zu | |
| reden. Sie hörten mir zu, akzeptierten, dass mir etwas angetan worden war. | |
| Ich selbst habe noch bis weit in die 90er geglaubt, einen Fehler gemacht zu | |
| haben. Ich dachte, jeder sagt: Was ist das für ein bekloppter Vollidiot, | |
| der mit den Kommunisten gemeinsame Sache macht? Deshalb ist mir vielleicht | |
| auch der Fall Holm so nahe gegangen. Erst 2005, als mein erstes Kind 12 | |
| war, wurde mir bewusst, was ich damals noch für ein Kind war. | |
| Ihre Karriere in der DDR war nach der Absage an die NVA sicherlich | |
| gelaufen. | |
| Ohne Zukunft ist man Vergangenheit, so fühlte ich mich. Ich wurde Maurer | |
| und versuchte, mich trotzdem nicht hängen zu lassen. Ich habe mich 40-mal | |
| auf irgendwelche Jobs beworben, aber immer, wenn die meine Kaderakte | |
| gesehen haben, wurde ich abgelehnt. Ich war dann ein paar Jahre Pförtner am | |
| Institut für Binnenfischerei. Das war für mich eine richtig gute Zeit. | |
| Wieso das? | |
| Ich hatte in meinem Leben kaum so viel Zeit zum Lesen wie in diesen drei | |
| Jahren. Ich habe alles gesammelt, was ich in die Hände bekam. Dass bald die | |
| Mauer fällt, konnte ich mir damals nicht vorstellen. Ich dachte: Eines | |
| Tages muss aus dem Untergrund die wahre Geschichte dieses Regimes | |
| geschrieben werden. Ich wollte Historiker werden mit einem Fokus, der | |
| offiziell unverdächtig ist, zur Frühen Neuzeit oder so. Illegal wollte ich | |
| parallel Wissen über die DDR zusammentragen. | |
| Haben Sie je überlegt auszureisen? | |
| Ich fand’s immer okay, wenn Leute sagten, sie halten es in der DDR nicht | |
| mehr aus. Aber für mich kam das nicht infrage. | |
| Warum? | |
| Ich war der Meinung, dass dieses Land nicht den alten Säcken gehörte, nicht | |
| meinem Vater. Dieses Land gehörte auch mir. Ich war aber auch jung, trug | |
| für niemanden Verantwortung. | |
| Wurde die DDR-Geschichte schon damals für Sie zum Lebensthema? | |
| Nein, so geradlinig war das nicht. Als die Mauer fiel, war für mich erst | |
| mal alles gut. Ich lebte eine Weile auf einem Biohof bei Freunden in der | |
| Nähe von Cuxhaven, bei westdeutschen Kommunisten. Wir stritten uns ganz | |
| herrlich und täglich. Zurück in Berlin fing ich endlich an, Geschichte zu | |
| studieren, an der Humboldt-Uni. Ich machte an der Uni auch sofort Politik. | |
| Ich hatte einen unglaublichen moralischen Überschuss. Ich stand ja auf der | |
| richtigen Seite. Alle, die vor der Revolution schon da waren, all diese | |
| angepassten Arschlöcher wollte ich loswerden, weil ich sie als kontaminiert | |
| ansah. Ich bin da total undifferenziert rangegangen am Anfang. Ich hatte | |
| eine unendliche Wut in mir. Ich wollte abrechnen. | |
| Das klingt hart. | |
| Ich gehörte zu einer kleinen, aber sehr radikalen Gruppe von Historikern | |
| oder Noch-nicht-Historikern, die aufräumen wollten. So etwas gehört zu | |
| gelungenen Revolutionen dazu: Institutionen werden geschliffen, | |
| Deutungshoheiten erlangt. Aber es war für mich zu der Zeit noch nicht klar, | |
| dass ich das auch wissenschaftlich machen wollte. Dann öffneten sich die | |
| Archive. Ich sagte zu meinen Kommilitonen: „Stellt euch vor, wir können da | |
| hin, wir sind die Ersten!“ Und kaum jemand ging mit. | |
| Das interessierte die anderen nicht? | |
| Die wollten erst mal die Bücher zur Antike und zum Mittelalter lesen. Ich | |
| war einer der Ersten in den Archiven. So kam eines zum anderen, ich wurde | |
| unter anderem für die Grünen sachverständiges Mitglied der | |
| Enquete-Kommission zur DDR-Geschichte im Bundestag. Ich pendelte zwischen | |
| Berlin, Bonn und Oxford. Das mit der Enquete-Kommission ist noch aus einem | |
| anderen Grund wichtig. | |
| Aus welchem? | |
| Ich machte in den 90ern unentwegt Dinge, die man in den alten Bundesländern | |
| in meinem Stand nicht machte. Ich hatte als Sachverständiger nicht mal | |
| promoviert, die anderen waren alle Professoren. Ich bin so vielen Leuten | |
| auf die Füße getreten, dass jede klassische akademische Karriere für mich | |
| irgendwann unmöglich wurde. Das war mir damals nicht bewusst. Aus heutiger | |
| Sicht würde ich das so sagen. 2001 landete ich in der | |
| Stasiunterlagenbehörde. Die Beschäftigung mit dem Thema war nicht mein | |
| Wunsch – ich bin es nicht mehr losgeworden. | |
| Haben Sie es versucht? | |
| Ich hab mich mehr als ein Dutzend Mal woanders beworben. Nur an meiner | |
| fachlichen Eignung kann es nicht gescheitert sein. | |
| Sie meinen, Sie sind einfach zu unbequem? | |
| Ein Freund sagte jüngst zu mir: „Du bist der unfrisierte Historiker.“ Das | |
| gefällt mir sehr gut. Das passt. Ich bin mir bewusst, dass ich bestimmte | |
| Erwartungen auch gar nicht erfüllen will. | |
| Sie haben 2013 in einem Buch geschrieben, die Stasi würde überschätzt. | |
| Damit haben Sie sich auch die Kritik direkter Kollegen eingetragen. | |
| In der ganzen Debatte ist seit 1990 etwas schiefgelaufen. Man hat die Stasi | |
| überhöht und dabei die SED als eigentliches Machtzentrum aus dem Blick | |
| verloren. Was dieses Buch „Stasi konkret“ ausgelöst hat, konnte ich mir | |
| nicht vorstellen. Das war sogar Thema im Bundestag. | |
| So was macht Ihnen aber schon Spaß, oder? Sie sind ein Widerspruchsgeist. | |
| Meine Frau würde das sofort unterschreiben. Aber ich mache so etwas nicht | |
| absichtsvoll. Ich schreibe nur einfach offen auf, was ich mir erarbeitet | |
| habe. Punkt. Ich finde auch nicht toll, wenn sich andere durch meine | |
| Äußerungen verletzt fühlen. Wenn ich ganz ehrlich bin, ist das tatsächlich | |
| eine Altlast. | |
| Inwiefern? | |
| Ich habe mich immer nach einem Leben gesehnt, in dem ich sagen und | |
| schreiben kann, was ich will. Dass ich nicht dafür in den Knast komme. Das | |
| kann ich jetzt seit der Hälfte meines Lebens, und das werde ich auch in | |
| Zukunft machen. Mir ist egal, dass ich anderweitig dafür sanktioniert | |
| werde. | |
| Keine Kompromisse? | |
| Ich verstehe überhaupt nicht, wie andere Leute auf die Idee kommen, wenn | |
| sie die Feder in die Hand nehmen, Kompromisse zu machen. Dann sollen sie | |
| das Schreiben lassen und lieber Blumen züchten. In dieser Gesellschaft | |
| verbiegen sich so viele Menschen unentwegt. Wir lieben in Filmen immer die | |
| schrägen Typen. Aber wir hassen sie, wenn sie neben uns sitzen. Das, was | |
| ich mir in den 80ern in der DDR nicht habe gefallen lassen, das werde ich | |
| mir erst recht nicht in der Freiheit und Demokratie von irgendjemandem | |
| bieten lassen. | |
| Aber die Zwänge sind jetzt doch ziemlich andere. | |
| Die Zwänge gibt es nicht. Aber das meine ich nicht. Meine größte | |
| Überraschung war, so komisch sich das anhört, dass es in der Freiheit und | |
| in der Demokratie genauso viele Arschkriecher und angepasste Typen gibt wie | |
| in der Diktatur. Menschen verhalten sich angstvoll. | |
| Wegen des Leistungsdrucks? | |
| Ich weiß nicht. Mittlerweile neige ich eher dazu zu sagen: Offenbar ist der | |
| Mensch so, dass er sich unterordnet, nicht auffallen will. | |
| Aber Sie können in diesem System Ihr Leben führen, und kein schlechtes. | |
| Ich finde das System ziemlich geil. Ich freue mich jeden Tag, in einem der | |
| tollsten Länder dieser Welt zu leben. Da werden jetzt 90 Prozent der | |
| taz-Leser abkotzen. Aber das Land ist natürlich nur so toll, weil die | |
| meisten anderen Staaten so scheiße sind. | |
| Abgesehen von der Redefreiheit – spielen Ihre DDR-Erfahrungen heute noch | |
| eine Rolle? | |
| Ja, leider. Familie und Staat, das sind zwei Institutionen, mit denen ich | |
| bis zum Ende meines Lebens ein Problem haben werde. Ich habe immer Angst | |
| davor, dass sich die Enttäuschung wiederholt. Für den Staat ist das | |
| scheißegal, aber nicht für meine Familie. Dass mein Vater mir dieses | |
| Urvertrauen genommen und mich dadurch zu einem anderen Menschen gemacht | |
| hat, das trage ich ihm wirklich nach. Er wollte es nicht, aber hat es | |
| gemacht. Das eigentliche Wunder in meinem Leben ist, dass ich seit 27 | |
| Jahren in ein und derselben Familie und Beziehung leben kann. Und das ist | |
| nicht mein Verdienst. | |
| 17 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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