| # taz.de -- Sonderwirtschaftszonen in Honduras: Indigene gegen Ministaaten | |
| > In Honduras laufen lokale Gemeinden Sturm gegen Sonderwirtschaftszonen | |
| > mit eigenem Rechtssystem. Die Regierung verspricht neue Jobs. | |
| Bild: Protest gegen die Sonderwirtschaftszone in La Ceiba | |
| Berlin taz | Seit drei Jahrzehnten kämpft Miriam Miranda für die Rechte der | |
| indigenen Garífuna in Honduras. Aber so ein Ausmaß an Rechtsbruch wie bei | |
| den von der Regierung geplanten Sonderzonen für Arbeit und wirtschaftliche | |
| Entwicklung (ZEDE) hat die Koordinatorin der „Brüderlichen Organisation | |
| schwarzer Honduraner*innen“ (Ofraneh) noch nie erlebt. | |
| „[1][Es gibt den Plan, das Volk der Garífuna zu vernichten“, warnt | |
| Miranda], die für ihre Arbeit unter anderem [2][2019 mit dem | |
| Menschenrechtspreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet] | |
| wurde. Die ZEDE sollen, so wirbt die derzeitige Regierung unter Präsident | |
| Juan Orlando Hernández, dem bitterarmen mittelamerikanischen Land | |
| wirtschaftliche Entwicklung bringen – und Jobs. Das könnte auch der Grund | |
| dafür gewesen sein, dass der [3][deutsche Botschafter im Juli die „ZEDE | |
| Próspera“ auf der der honduranischen Küste vorgelagerten Karibikinsel | |
| Roatán besucht] hat. | |
| Ofraneh und andere lokale Organisationen können das nicht nachvollziehen: | |
| Es gebe keine rechtliche Grundlage für die Einrichtung der | |
| Sonderwirtschaftszonen, sagt Joaquín Mejía, Jurist am jesuitischen | |
| Forschungszentrum Eric-SJ. Die Verfassung schreibe vor, „dass nationales | |
| Territorium nicht veräußert werden darf, ohne ein Referendum durchzuführen. | |
| Das ist nie passiert“, sagt Mejía. | |
| Doch nicht nur nationales, auch internationales, von Honduras | |
| unterzeichnete Recht wird offenbar verletzt. Die ILO-Konvention 169 zum | |
| Schutz indigener Völker schreibt vor, dass diese vor dem Start von | |
| Großprojekten informiert und um Zustimmung gebeten werden müssen. Die | |
| Ethnie der Garífuna, die an der gesamten Karibikküste des Landes lebt, | |
| fühlt sich bedroht. | |
| ## Keimzelle des landesweiten Widerstands | |
| Dank der Hartnäckigkeit von Miriam Miranda ist die Hafenstadt La Ceiba mit | |
| der vorgelagerten Insel Roatán inzwischen zur Keimzelle des landesweiten | |
| Widerstands geworden. Die Region hat sich im Juni zur ZEDE-freien Zone | |
| erklärt. | |
| Die 60 Kilometer lange und 8 Kilometer breite Insel Roatán ist eigentlich | |
| ein Palmenparadies mit vorgelagerten Korallenriffen, ideal für Taucher. Nun | |
| soll hier eine private „Charter City“ entstehen, eine Art von Honduras | |
| unabhängiger Stadtstaat mit eigener Regierung und eigener steuerlicher und | |
| rechtlicher Struktur. Das Ziel: In Büros mit Meerblick sollen sich in einer | |
| High-Tech-Musterstadt internetaffine Firmen ansiedeln. | |
| Ausgedacht habe sich das Konzept der einstige Weltbank-Chefökonom und | |
| US-Nobelpreisträger Paul Romer, erzählt Andrea Nuila. Die Juristin | |
| promoviert gerade zu den ZEDEs und arbeitet für die deutsche | |
| Menschenrechtsorganisation Fian. | |
| „Die Betroffenen sind nie gefragt worden“, sagt Nuila. Dabei schränkten die | |
| ZEDEs „die Bewegungsfreiheit auf der Insel ein, untergraben | |
| Gewerkschaftsrechte und etablieren eigene Rechtsgrundsätze, greifen aber | |
| auch in das Bildungssystem ein“. | |
| ## Alles erlaubt für Investoren | |
| Allesamt eigentlich Aufgaben der Zentralregierung. Doch in den ZEDEs ist | |
| den Investoren quasi alles erlaubt. Die autonomen Ministaaten sollen, so | |
| wirbt Präsident Hernández, das Land revolutionieren – und endlich Wohlstand | |
| bringen. | |
| „Selbst die Überflugrechte will man zu Geld machen“, berichtet Joaquín | |
| Mejía vom Forschungszentrum Eric-SJ. Ihn ärgert die Dreistigkeit, mit der | |
| die Clique um Präsident Orlando Hernández öffentliches Eigentum an | |
| Investoren verscherbelt. | |
| Dabei ist unklar, ob die Investoren für das Entgegenkommen zahlen – oder | |
| sogar das Territorium geschenkt bekommen. Letzteres erscheint allerdings | |
| unwahrscheinlich angesichts der zahlreichen Korruptionsskandale in | |
| Honduras. Nahe der guatemaltekischen Grenze befindet sich mit Ciudad | |
| Morazán die zweite ZEDE in Planung. Eine dritte soll im Süden der | |
| Hauptstadt Tegucigalpa im Distrikt Choluteca entstehen, so Andrea Nuila. | |
| Für die vierte liefen bereits Vorbereitungen. | |
| Klar ist, dass die erzkonservative Partido Nacional an den ZEDEs | |
| festhalten will. Bei den Parlamentswahlen Ende November gewann jedoch die | |
| linksgerichtete Politikerin Xiomara Castro, die sich mehrfach gegen die | |
| Sonderzonen ausgesprochen hat. Castro liegt in allen Umfragen vorn. | |
| Allerdings ist Honduras ein Land, indem bereits mehrfach Wahlen manipuliert | |
| wurden. | |
| 10 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://es.mongabay.com/2021/10/honduras-amenazas-pueblo-garifuna-entrevist… | |
| [2] https://www.fes.de/menschenrechtspreis/menschenrechtspreis-2019 | |
| [3] https://amerika21.de/dokument/253327/brief-honduras-deutscher-botschafter | |
| ## AUTOREN | |
| Knut Henkel | |
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