| # taz.de -- Aktivistin über Sonderwirtschaftszonen: „Eine neue Form der Kolo… | |
| > In Honduras kämpft Miriam Miranda gegen die hyperliberalen | |
| > Wirtschaftszonen ZEDEs. Ihre Hoffnung ist die neue Präsidentin Xiomara | |
| > Castro. | |
| Bild: Protest gegen die honduranische Freihandelszone in La Ceiba, Atlantida im… | |
| taz: Frau Miranda, Sie sind in Honduras seit 2012 das Gesicht des | |
| Widerstands gegen die [1][ZEDEs, die hyperliberalen Sonderwirtschaftszonen | |
| für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung]. Mit der Wahl von Xiomara | |
| Castro zur ersten Präsidentin von Honduras könnten sie fallen, richtig? | |
| Miriam Miranda: Ja, denn die letzten Monate haben gezeigt, dass der | |
| Widerstand gegen die ZEDEs nicht nur an der Küste, sondern landesweit | |
| massiv ist. Der Tenor ist eindeutig: Die Sonderwirtschaftszonen sind | |
| unerwünscht. Das und die Ankündigung unserer [2][zukünftigen Präsidentin | |
| Xiomara Castro], die ZEDEs annullieren zu wollen, ist positiv. Doch in der | |
| Realität ist das nicht so einfach. Die Gesetze, die der aus dem Amt | |
| scheidende Präsident Juan Orlando Hernández durch das Parlament geboxt hat, | |
| müssen erst rückgängig gemacht werden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit | |
| im Parlament nötig, die Xiomara Castro nicht hat. Ein Grund, weshalb die | |
| Bauarbeiten in der am weitesten fortgeschrittenen ZEDE, der ZEDE Próspera | |
| auf der Karibikinsel Roatán, weitergehen. | |
| Welche Optionen hat die neue Regierung dann? Koalieren, Mehrheiten suchen? | |
| Positiv ist, dass die Parteienallianz hinter Xiomara Castro mit dem Ziel | |
| der Annullierung der ZEDEs in den Wahlkampf gezogen ist. Das war | |
| wahlentscheidend und liefert ihr Rückenwind im Parlament. Allerdings hat | |
| Xiomara Castro nur 60 Abgeordnete hinter sich, 85 benötigt sie allerdings, | |
| und die Nationale Partei, die hinter den ZEDEs steht, kommt auf 44. Sie | |
| will die demokratischen Institutionen schleifen. | |
| Wer hat etwas davon? | |
| Die Zerstörung der demokratischen Institutionen ermöglicht die Übernahme | |
| der Macht in kleinen, neu zugeschnittenen Territorien durch eine vermögende | |
| Elite. Ob die wie in einer Monarchie auftritt oder wie in einer Oligarchie, | |
| weiß ich noch nicht. Ich weiß aber, dass die Bevölkerung vor Ort nicht | |
| gefragt wird. Wir wollen nicht dominiert werden, wir wollen ernst genommen | |
| werden und wir halten es für keine zeitgemäße Idee, dass die staatliche | |
| Verwaltung, dass staatliche Institutionen aus einem Gebiet des | |
| honduranischen Territoriums quasi ausgesperrt werden. | |
| ZEDEs haben ein eigenes Steuersystem, eine eigene Währung, eine eigene | |
| Verwaltung – und all das mitten in Honduras. Wie kann das sein? Am Ende | |
| müssen wir Pässe vorweisen, um passieren zu können, unsere Rechte komplett | |
| abtreten, damit ein Finanzparadies nach neoliberalen Vorsätzen entstehen | |
| kann? Nein, das ist nicht möglich. Das ist eine neue Form der Kolonisierung | |
| – dagegen wehren wir uns. | |
| Wie wirken sich die ZEDEs vor Ort aus? | |
| Negativ, vor allem wird die Landspekulation angeheizt. Die Preise sind | |
| massiv angestiegen und sie sind ein Hebel, um die traditionell dort lebende | |
| Bevölkerung der Garífuna von ihrem traditionell genutzten Flächen zu | |
| vertreiben. In der Bucht von Trujillo, dort wo ich aufgewachsen bin, ist | |
| die Situation extrem. Dazu trägt die Tatsache bei, dass alles rund um die | |
| ZEDEs quasi geheim ist, es gibt keine Transparenz, keine Verträge, die | |
| zugänglich sind. Das ist ein Grund, weshalb wir oft auf Informationen aus | |
| dem Ausland angewiesen sind. | |
| So zum Beispiel haben wir vom Rückzug des Tochterunternehmens der | |
| Technischen Universität München im März letzten Jahres aus der ZEDE | |
| Próspera erst aus Deutschland erfahren. Derzeit haben wir es mit mindestens | |
| drei ZEDEs zu tun, die offiziell bestätigt sind, weitere 22 ZEDEs soll es | |
| geben, die angeboten werden. Gerüchten zufolge sollen bis zu einer Million | |
| Hektar an der Karibik-Küste zu ZEDEs erklärt werden. Doch dieses Land | |
| gehört meiner Ethnie, den Garífuna – es erstreckt sich von meiner | |
| Geburtsstadt Trujillo bis zur Laguna de Iba in der Zona Visquita. | |
| Haben Sie den Eindruck, dass die potenziellen Investoren sich gut | |
| vorbereitet haben, dass Sie wissen, wo Sie investiert haben oder es | |
| beabsichtigen zu tun? | |
| Nein, den Eindruck habe ich nicht. Dann müsste ihnen klar sein, dass es in | |
| Honduras 2009 einen Putsch gegen einen demokratisch legitimierten | |
| Präsidenten gab, dass es danach zwei Wahlen gab, denen der Vorwurf der | |
| Wahlmanipulation anhaftet, dass hier Dutzende von Aktivist:innen, die für | |
| die Umwelt, für die Menschenrechten, für Justiz und gegen Korruption | |
| eintraten, ermordet wurden. | |
| Honduras scheint nicht das einzige Land zu sein, wo das Modell der ZEDEs | |
| zum Einsatz kommen könnte. Wo noch? | |
| Wir wissen, dass es in El Salvador ähnliche Zonen gibt, dass es in Afrika | |
| und ich glaube auch auf Mauritius vergleichbare Modelle geben soll. | |
| Wie könnte die kommende Präsidentin noch gegen die ZEDEs aktiv werden? | |
| Mit Verhandlungsgeschick im Parlament, in dem sie neue Allianzen schmiedet, | |
| aber naheliegender erscheint mir der Weg über ein Referendum. Angesichts | |
| des massiven Rückenwinds bei den Wahlen, der breiten Resonanz auf die | |
| Kampagnen gegen die ZEDEs und der Tatsache, dass auch etliche Unternehmer | |
| mit von der Partie waren, meine ich, dass ein Referendum eine Option ist. | |
| Das birgt Chancen, enthält aber auch Risiken. | |
| 24 Jan 2022 | |
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| Knut Henkel | |
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