# taz.de -- Alte Agrotechniken in Honduras: Vorwärts zu den Traditionen | |
> Kokos, Yuca und Süßkartoffeln gehören zu traditionellen Nahrungsmitteln | |
> der Garífuna. In einem Modelldorf werden die alten Sorten vermehrt. | |
Bild: Diese Kokosnuss bietet Erfrischung | |
Der Weg von Icoteas nach Vallecito ist von Ölpalmen gesäumt. Mächtige, bis | |
zu dreißig Meter hohe Stämme stehen links und rechts von der Schotterpiste | |
in langen Reihen, die hoch am Himmel stehende Sonne dringt hier und da | |
durch das Dach aus Palmwedeln hindurch. Ein gewohntes Bild für Idner | |
Gutiérrez, der jeden Morgen den Weg nach Vallecito durch die Plantagen | |
nimmt, die erst nach ein paar Kilometern ein Ende finden. „Wir sind umgeben | |
von Ölpalm-Plantagen, sind so etwas wie ein sauberer Tropfen in einem | |
giftigen, monokulturellen Meer“, erklärt der Agronom mit einem breiten | |
Grinsen, während er wartet bis das Eingangstor zum Garífuna-Modelldorf von | |
einem Soldaten geöffnet wird. | |
„Das ist leider nötig“, erläutert Gutiérrez als er den fragenden Blick d… | |
Besuchers registriert. „Wir stehen unter dem Schutz der honduranischen | |
Armee. Vallecito ist ein rund 1.500 Hektar großes Grundstück, das wir | |
[1][Garífuna] uns zurückerkämpft haben. Wir haben [2][lange gegen die | |
Drogenschmuggler protestiert], die hier eine Landebahn unterhielten und das | |
Land mit Waffengewalt in Besitz genommen hatten“, erinnert sich der Agronom | |
und gibt etwas Gas. Ruckelnd schiebt sich der allradgetriebene Pick-up | |
durch die von Schlaglöchern gesäumte Piste vorwärts, die von Palmenreihen | |
eingerahmt ist. | |
Doch diese tragen nun Kokosnüsse und nicht mehr die dicken orangefarben | |
schimmernden Fruchtbüschel der Ölpalme und sind oft kaum größer als fünf, | |
sechs Meter. „Diese Palmen haben wir erst vor vier, fünf Jahren | |
angepflanzt. Sie tragen erst seit ein, zwei Jahren Früchte. Anders als es | |
auf den ersten Blick erscheinen mag, handelt es sich um keine Monokultur. | |
Wir arbeiten mit einem Dutzend verschiedener Sorten, wodurch wir | |
Schädlingen weniger Angriffsfläche bieten“, erklärt Gutiérrez. Der | |
kräftige, großgewachsene Mann von Mitte dreißig lenkt den Wagen vor ein mit | |
dunklen transparenten Stoffbahnen versehenes Gewächshaus, wo Kollege Henry | |
Norales bereits am Arbeiten ist. | |
Der 42-jährige Agrarwissenschaftler ist der Vater des Kokospalm-Projekts | |
und mit der Pflanze aufgewachsen. „Meine Eltern bewirtschaften eine kleine | |
Plantage. Mit den Einnahmen aus der Produktion von Kokosöl wurde mein | |
Schulgeld bezahlt“, erinnert sich der mittelgroße, hagere Mann mit dem | |
fleckigen Schlapphut. Doch wie so viele andere Garífuna wurden auch seine | |
Eltern von der eigenen Plantage vertrieben und mussten kämpfen, um sie | |
zurückzuerlangen. „Das war 2012 und damals habe ich die Aktivst:innen | |
von Ofraneh kennengelernt, die uns halfen unser Land wieder in Besitz zu | |
nehmen“, erinnert sich Henry Norales. „Recuperación“ heißt das auf Span… | |
und Vallecito ist mit seinen 1.500 Hektar die bisher größte Landrücknahme | |
in der Geschichte der afrokaribischen Ethnie. | |
Die kämpft seit der Gründung von Ofraneh, der eigenen | |
Interessensorganisation zu Beginn der 1990er Jahre, immer energischer für | |
die Rückgabe von kollektiv genutzten Landflächen der Garífuna. Die wurden | |
im Laufe der Geschichte in vielen Fällen von Bauern, dubiosen | |
Grundstücksgesellschaften, Tourismusunternehmen, aber eben auch von | |
Palmöl-Plantagen oder Drogenbanden übernommen – wie in Vallecito. Dagegen | |
ziehen die Garífuna-Gemeinden unter der Regie von Ofraneh alle Register: | |
Friedlich, aber lautstark mit Trommeln und Marracas-Rasseln, wird lokal | |
protestiert, parallel dazu die Gerichte in Honduras und teilweise auch auf | |
interamerikanischer Ebene angerufen. | |
## Gericht fordert zu Landrückgabe auf | |
Mit Erfolg, wie nicht nur die Rückgabe von Vallecito zeigt. Auch der | |
Interamerikanische Gerichtshofs für Menschenrechte gab den Klagen der | |
Garífuna, eingereicht von Ofraneh, in bisher zwei Urteilen recht. Der | |
honduranische Staat wurde in bisher zwei Fällen zur Rückgabe von Ländereien | |
aufgefordert – ein drittes Urteil steht noch aus. | |
Vallecito ist dabei der Ort, wo am Nutzungskonzept für die Ländereien | |
gefeilt wird. Eckpunkte sind dabei der ökologische Anbau traditioneller | |
Agrarprodukte wie Yuca, Kokos und Kochbanane sowie der Erhalt alter Sorten, | |
so Idner Gutiérrez. „Wir haben 2016 eine traditionelle Kokospalmen-Variante | |
ausgesät, seitdem sind weitere Sorten hinzugekommen, die wir nun in einer | |
lebenden Samenbank für andere Gemeinden bereitstellen“, ergänzt Henry | |
Norales. | |
Zentrale Idee dahinter ist es, den Garífuna-Gemeinden, die meist direkt an | |
der Karibikküste leben, sowohl den Anbau der Kokospalmen wieder Nahe zu | |
bringen als auch etwas für den Küstenschutz im Kontext des Klimawandels zu | |
tun. „Dafür eignet sich die Kokospalme, aber auch andere Pflanzen wie die | |
Weintraube des Meeres, die Uba del Mar, die den Sand festhalten“, so die | |
beiden umtriebigen Agronomen. Sie arbeiten für Ofraneh und koordinieren | |
ihre Arbeit direkt mit deren Koordinatorin Miriam Miranda. Die setzt auf | |
ein Konzept, das auf den traditionellen, nachhaltigen Agrartechniken der | |
Garífuna beruht. „Dazu gehört ein Anbaukonzept, das nur so viel produziert, | |
wie auch konsumiert wird, und dem Schutz von Regenwald, Mangroven und | |
Lagunen verpflichtet ist“, so Miranda. Sie zählt zu den bekannten | |
Aktivist:innen der honduranischen Zivilgesellschaft. | |
Das traditionelle Anbau- und Naturschutzkonzept der Garífuna ist durch | |
Vertreibung und Landnahme durch Dritte ins Hintertreffen geraten und | |
Ofraneh versucht es nun peu á peu wieder zu verankern. Dabei spielen die | |
beiden Agrarexperten eine zentrale Rolle. Sie spüren alte Sorten von | |
Kokospalme, Yuca, Yamé und Co. auf, pflanzen sie in Vallecito wieder an und | |
versorgen mittlerweile erste Garífuna-Gemeinden mit Saatgut, Setzlingen und | |
Know-how, um die Rückkehr zur nachhaltigen Landwirtschaft in den Gemeinden | |
voranzutreiben. Das funktioniert, wie mehrere Beispiele in Trujillo, San | |
Juan oder Punta Piedra zeigen. Dabei experimentiert Idner Gutiérrez auch | |
mit der Kreuzung von Yuca-Sorten. „Wir arbeiten daran, durch Kreuzung eine | |
für die Cassava-Produktion besonders geeignete Sorte zu entwickeln“. | |
Cassava heißt das traditionelle Yuca-Brot der Garífuna. | |
Diese ersten Erfolge des Pilotprojekts bleiben nicht unbemerkt. Studenten | |
mehrerer Universitäten haben sich bereits in Vallecito eingefunden, den | |
beiden Agronomen auf den Zahn gefühlt und sich vom Pilotprojekt der | |
Garífuna zu Forschungsarbeiten inspirieren lassen. Auch das | |
Umweltministerium ist auf die Aufforstungsprojekte an Stränden wie denen | |
von Punta Piedra, wo Kokospalmen, Mangroven, aber auch andere Pflanzen wie | |
die bereits erwähnte Weintraube des Meeres dafür sorgen, dass Strände | |
festgehalten und nicht weggespült werden, aufmerksam geworden. „Das sind | |
Konzepte, die für die gesamte Küstenregion des Landes interessant sind. Wir | |
müssen mehr für den Küstenschutz in Zeiten des Klimawandels tun“, so der | |
erst 33-jährige Minister und Forstexperte Lucky Medina im Gespräch in der | |
Hauptstadt Tegucigalpa. | |
„Das gehört genauso zu den Prioritäten [3][der neuen Regierung von | |
Präsidentin Xiomara Castro] wie der Schutz der nationalen Naturparks. Die | |
liegen zu 45 Prozent in den Gebieten der indigenen Bevölkerungsgruppen“, | |
erklärt Medina. Zu denen gehören auch die Garífunas und deren Pilotprojekt | |
könnte in Honduras durchaus Schule machen. Dafür wird in Vallecito mit | |
Nachdruck gearbeitet. Jüngstes Beispiel ist die Einrichtung einer kleine | |
Fabrik zur Produktion von Kokosöl, die im September eingeweiht werden soll. | |
„Die soll erst einmal die Garífuna-Gemeinden mit Kokosöl versorgen“, so | |
Henry Norales. Langfristig kann daraus aber auch mehr werden. | |
27 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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