# taz.de -- Privatstädte in Honduras gestoppt: Gegen rechtsfreie Ministaaten | |
> Honduras’ Parlament hat die Gesetze zur Schaffung von Investorenstädten | |
> rückgängig gemacht. Damit ist das Thema aber nicht vom Tisch. | |
Bild: Eines ihrer Wahlversprechen geht in Erfüllung: Honduras' Präsidentin Xi… | |
BERLIN taz | Das Parlament von Honduras hat den geplanten Privatstädten auf | |
honduranischem Territorium eine klare Absage erteilt. Einstimmig | |
beschlossen die 128 Abgeordneten in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag | |
die Abschaffung der Gesetze für die Sonderwirtschaftszonen, die sogenannten | |
ZEDE (Zonas de Empleo y Desarrollo Economico) und der damit im Zusammenhang | |
stehenden Verfassungsartikel. Damit entsprach das Parlament einem | |
Wahlversprechen der neuen Präsidentin [1][Xiomara Castro]. | |
Von dem ursprünglich verfolgten Ansatz, Gebiete mit guter | |
Regierungsführung, gestärkten Menschenrechten und einem | |
wirtschaftsfördernden Effekt zu errichten, war ohnehin nicht viel übrig | |
geblieben. Zwar wurden verschiedene Projekte initiiert und zur Planungs- | |
und Umsetzungsreife geführt. | |
Dabei wurden jedoch rücksichtslos Investor:inneninteressen | |
durchgesetzt und [2][grundlegende Menschenrechte der honduranischen | |
Bevölkerung] missachtet. Besonders deutlich zeigte sich das anhand der ZEDE | |
de North Bay: Die sollte eine überwiegend aus Investor:innen bestehende | |
Regierung bekommen, während das aktive und passive Wahlrecht massiv | |
beschränkt werden sollte. | |
Zudem ist umstritten, wem das für die Projektumsetzung vereinnahmte Land | |
tatsächlich gehört. Weder die Bewohner:innen des benötigten Gebietes | |
noch die übrige Bevölkerung von Honduras wurden im Vorfeld der | |
Projektumsetzung angemessen konsultiert. Insbesondere die Rechte | |
[3][indigener Gruppen] wurden nicht beachtet. | |
## Korrupte Regierung und skrupellose Investor:innen | |
Um das ZEDE-Gesetz überhaupt anwenden zu können, hatte die vorherige | |
Regierung 2012 für die Entlassung von vier von fünf Richtern der | |
Verfassungskammer des Corte Suprema de Justicia gesorgt, die sich zuvor | |
gegen das ZEDE-Gesetz ausgesprochen hatten. Anschließend wurde das Gesetz | |
zur Prüfung einer neu zusammengesetzten Verfassungskammer vorgelegt, welche | |
aus Richtern bestand, die sich im Vorfeld zu einer wohlwollenden | |
Begutachtung bereit erklärt hatten. | |
Die Posse um die Entlassung der Richter illustriert, wie das Zusammenwirken | |
zwischen einer korrupten Regierung und skrupellosen Investor:innen in | |
Kombination mit wenig wirkmächtiger Rechtsstaatlichkeit den Nährboden für | |
das aberwitzig anmutende Privatstadt-Projekt bereiten konnten. | |
Einer der wichtigsten Treiber der Idee der Privatstädte, der acht Jahre | |
lang regierende Ex-Präsident Juan Orlando Hernández, wurde am Donnerstag in | |
Handschellen [4][in die USA ausgeliefert], wo ihn ein Verfahren wegen | |
Drogenhandels erwartet. | |
Die Entscheidung des Nationalkongresses ist ein wichtiges Signal eines | |
wiedererstarkenden Rechtsstaates. Aber sie bedeutet noch nicht zwangsläufig | |
das Ende für die ZEDE in Honduras. Zwar können nun keine neuen ZEDE mehr | |
errichtet werden, allerdings ist zu befürchten, dass die an den bereits | |
existierenden Projekten beteiligten Investor:innen ihre Rechte | |
umfassend abgesichert haben. | |
## Es drohen lange Verfahren um Entschädigungsforderungen | |
Denn das jetzt abgeschaffte ZEDE-Gesetz eröffnete ihnen die Möglichkeit, | |
sogenannte Stabilitätsabkommen mit der honduranischen Regierung | |
abzuschließen, auf deren Grundlage das ZEDE-Gesetz selbst bei Abschaffung | |
durch den Nationalkongress für zehn weitere Jahre gilt. Wie viele solcher | |
Stabilitätsabkommen tatsächlich geschlossen wurden, ist noch nicht bekannt. | |
Zumindest im Fall der ZEDE de North Bay gibt es ein solches Abkommen. Es | |
sieht vor, dass die ZEDE de North Bay für weitere zehn Jahre von der | |
Entscheidung des Nationalkongresses über die Abschaffung der ZEDE unberührt | |
bleiben soll. Möchte der honduranische Staat nun gegen die | |
Betreibergesellschaft der ZEDE de North Bay vorgehen, etwa um unrechtmäßig | |
genutzten Grund und Boden zu beschlagnahmen oder die dort geltende | |
Sondergesetzgebung außer Kraft zu setzen, sind diese Fragen in einem | |
verbindlichen Schiedsverfahren zu klären. | |
Bereits getätigte Investitionen und die damit in Zusammenhang stehenden | |
Rechte der Investor:innen sind zudem durch das Central American Free | |
Trade Agreement und den Honduras – United States of America Bilateral | |
Investment Treaty geschützt. Dementsprechend können Investor:innen bei | |
Eingriffen des honduranischen Staates vor internationalen Schiedsgerichten | |
klagen. Es drohen Entschädigungsforderungen der Betreibergesellschaften. | |
Theoretisch ist die Republik Honduras dazu verpflichtet, internationale | |
Schiedssprüche anzuerkennen. Damit es dazu kommt, müsste allerdings auch | |
festgestellt werden, ob die von der korrupten vormaligen Regierung des | |
gerade an die USA ausgelieferten Juan Orlando Hernández geschaffenen | |
Rechtsgrundlagen überhaupt wirksam sind. | |
24 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Armin Rothemann | |
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