# taz.de -- Sommerserie „Wie riecht Berlin“ (5): Was Mensch und Club zusamm… | |
> Das Berliner Nachtleben ist voll menschlicher Ausdünstungen. Die sind | |
> aber nur einer der Gründe dafür, dass es in den Clubs sehr speziell | |
> riecht. | |
Bild: Die Ausdünstungen gehören zur Party dazu | |
BERLIN taz | Wie riecht das Berghain? Gemäß einem Berliner | |
Parfümhersteller, der sich für seinen Duft mit dem vielversprechenden Namen | |
„Rausch“ von einer Nacht in Berlins berühmtem Technoclub inspiriert haben | |
lassen will, nach Cypriol, Patchouli und dem Duftöl der Vanillebohne in der | |
Herznote. Und in der Basisnote nach Amber und Oud. | |
Darauf wäre man jetzt nicht unbedingt gekommen. Spontan hätte man | |
vielleicht eher gesagt, so ein Duft müsste einfach bloß ordentlich | |
Raverschweiß, ja dem Odeur aller nur erdenklichen menschlichen | |
Körperausdünstungen und -flüssigkeiten nachempfunden sein. | |
Zu fragen wäre auch, wer die Zielgruppe für so ein Berghain-Parfüm sein | |
soll. Richtet sich das eher an jemanden, der eh nie an den Türstehern des | |
Ladens vorbeikommt und sich zur Kompensation wenigstens mal über den | |
Geruchssinn das Treiben in den heiligen Hallen vorstellen mag? Oder soll | |
geglaubt werden, mit ein paar Spritzern aus dem Flakon gleich die an der | |
Tür von sich überzeugen zu können, weil sie sofort eine gewisse | |
Vertrautheit wittern und den Besucher automatisch durchwinken? Oder geht es | |
bloß um Angeberei? Sollen die Kollegen unter der Woche im Büro an einem das | |
Berghain erschnuppern und damit den Rausch der Nacht, die pure Ekstase, | |
obwohl man in Wahrheit das ganze Wochenende faul auf der Couch lag? | |
Wer wirklich zwölf Stunden lang durchgeravt hat, glaubt Karo vom Club | |
[1][Mensch Meier in Prenzlauer Berg], will unter der Woche eher nicht nach | |
Club riechen. Sie bezieht sich auf den soziologischen Begriff der | |
„Neo-Tribes“, die auf Festivals, aber auch in Clubnächten entstehen, also | |
eine Art „temporäre Stammesgemeinschaften“ darstellen. Wer davon ein Teil | |
werde, würde sich nach dem Verlassen der Community im Normalfall lieber | |
„rituell von der Versammlung wieder reinigen. Durch Duschen, aber auch das | |
Waschen der Kleidung gehört dazu. Man versucht so, einen bestimmten Geruch | |
wieder abzulegen.“ | |
## Spezielle Sonst-was-Note | |
Und dass es in Clubs sehr speziell riecht, sowohl in der Herz- als auch in | |
der Basis- und der Sonst-was-Note, das kann Karo nur bestätigen. „Wenn ich | |
montags um zehn in den Laden komme, riecht es einfach nach den | |
Ausdünstungen von 800 Menschen, die hier am Wochenende geschwitzt haben“, | |
sagt sie. | |
Sie glaubt auch: Falls ein findiger Parfumeur auf die Idee kommen würde, | |
den Geruch einer durchgefeierten Nacht in ihrem Club nachstellen zu wollen, | |
würde der sich vom Berghain-Aroma unterscheiden. „Jeder Club riecht ein | |
wenig anders, würde ich behaupten. Das liegt auch an den Materialien, die | |
verbaut wurden. Und wie die auf Feuchtigkeit, Wärme und Verdunstung | |
reagieren.“ So ein Clubgeruch ist komplexer, als man annehmen könnte, da | |
hat der Hersteller des Berghain-Dufts schon recht. Und nach ein paar Jahren | |
Betrieb kriegt man den auch nicht einfach weg. „Da ist was in den Mauern, | |
in den Polstern“, so Sulu Martini vom About Blank am Ostkreuz. Gleichzeitig | |
variiert seine Note stark, verflüchtigt sich, wird wieder penetranter. „Ich | |
kann den Mensch-Meier-Geruch am Dienstag von dem am Sonntag unterscheiden“, | |
glaubt Karo. Wenn die Putz- und Reinigungsmittel ihr Werk getan haben, | |
riecht es also logischerweise nochmals etwas anders als direkt nach der | |
Party. | |
So richtig was für Tüftler wird das Gerüche-im-Club-Thema aber, wenn man | |
feststellt, dass man sich sogar innerhalb der Locations durch | |
unterschiedliche Geruchszonen bewegt, deren Aromen sich zu bestimmten | |
Zeiten auch verändern. „Am Beginn einer Party riecht es im Türhäuschen im | |
Eingangsbereich noch neutral oder nach den Leuten, die dort arbeiten“, so | |
Karo. „Mit der Zeit aber sind die Gäste auch dort in der Überzahl und es | |
riecht eigentlich nur noch nach denen. Man geht dann bei uns durch den | |
Garten, ist also nochmals an der frischen Luft, dann vorbei an den | |
Toiletten, die mit der Zeit immer stärker frequentiert werden – was man | |
irgendwann schon auch riecht.“ | |
So tolle Gärten wie das Mensch Meier und [2][das About Blank], die | |
regelrecht Geruchsoasen sind, haben natürlich nicht alle Clubs. Um so | |
stolzer ist Karo darauf, dass es in ihrem Club saisonal nach dem | |
Angepflanzten rieche, derzeit etwa nach Johannisbeeren, Äpfeln und Erbsen. | |
Und auch Sulu Martini sagt, die Blütenpollen im About-Blank-Garten könne | |
man zumindest in den wärmeren Monaten geruchsmäßig wahrnehmen. | |
## Tropische Partynächte | |
„Im Club tritt man ein in eine alternative Realität, die sich auch in | |
Gerüchen manifestiert“, glaubt Karo. Es sei warm, stickig, feucht, gar | |
„tropisch“ während einer Partynacht, sagt sie, wegen dem Kondenswasser, das | |
sich mit der Zeit in den Räumen bilde. Und das sei auch über den | |
Geruchssinn wahrnehmbar. Dazu kämen zig weitere Aromen. Das Fluid für die | |
Nebelmaschinen etwa habe einen eigenen Geruch. „Ob die Gäste viel Parfüm | |
benutzen, spielt auch eine Rolle. Viele bringen Kosmetikprodukte mit, Deo, | |
Puder. Dann werden Kaugummis mit verschiedenen Geschmacksrichtungen gekaut. | |
Irgendwann holt jemand 20 Schnäpse an der Bar, verschüttet die Hälfte und | |
hat die Jacke voller Lakritzschnaps.“ Im Mensch Meier werde auch viel | |
gemalt. „Wir sind Graffiti-freundlich“, sagt Karo. Gerüche von Farben, | |
Sprühdosen und Markern gebe es also auch. Und natürlich „Ausdünstungen von | |
synthetischen Drogen“, so Sulu Martini. | |
Macht man dann selbst den Schnuppertest, sowohl im Mensch Meier als auch im | |
About Blank, zwar nur unter der Woche in leeren Räumen, dafür aber mal mit | |
einem bewusst scharf gestellten Riechkolben, lässt sich all das Treiben der | |
Partynächte tatsächlich noch erschnuppern. Im kleineren Dancefloor des | |
Mensch Meier steigt einem direkt am Tresen ein leichter Geruch von | |
Vergorenem in die Nase. Der komme von den ganzen Zitronen und Limetten der | |
Longdrinks, die hier gereicht werden, glaubt Karo. Auf dem größeren | |
Dancefloor riecht es im Barbereich nach Kneipe, in der Mitte des Raums aber | |
eindeutig nach Schweiß, ein bisschen nach „Muckibude“, um es mit einem | |
Begriff von Karo zu sagen. Nach „mehr als acht Jahren, in denen hier jedes | |
Wochenende 300 Leute zwölf Stunden lang Vollgas gegeben haben“. | |
Nach was es aber tatsächlich nirgendwo riecht, ist der Gestank von kaltem | |
Nikotin. In Berlins Clubs herrscht seit Jahren Rauchverbot. Darauf wird | |
auch hingewiesen mit Schildern. Und die Ordnungsteams des Mensch Meier und | |
des About Blank achten darauf, dass das eingehalten wird. „Je länger die | |
Party geht und der Alkoholpegel steigt, desto mehr muss natürlich | |
interveniert werden“, so Sulu Martini. Aber seit Corona sei das Bedürfnis, | |
indoor zu rauchen, stark zurückgegangen. „Du merkst, dass viele sich | |
während der Coronazeit das Rauchen abgewöhnt haben. Oder nun empfindlicher | |
sind und eher anderen sagen, dass sie das stört.“ | |
Die meisten Berliner Clubs haben sowieso gute Lüftungsanlagen. Manche haben | |
hier auch während der Pandemie nachgerüstet. „Die Luftqualität hat sich | |
spürbar verbessert“, glaubt Sulu Martini. Das könne aber auch zu ganz | |
speziellen Problemen führen, sagt sie. Im About Blank werde für einen der | |
Tresen im Club jede Woche ein Strauß Blumen gekauft. Und immer mal wieder | |
gebe es die Rückmeldung von den Tresenkräften, doch bitte Blumen zu | |
besorgen, die nicht zu stark riechen. | |
22 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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