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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Kontakt vergeblich verboten
> Das Il Kino widmet dem norwegischen Regisseur Bent Hamer eine
> Retrospektive mit vier seiner Filmen. Bei den Vorführungen kommt Hamer
> zum Gespräch dazu.
Bild: Bent Hamers „Kitchen Stories“ (2003) läuft am 2. 9
Schrulliger Humor, das ist das Markenzeichen des norwegischen Regisseurs
Bent Hamer. Das Komische an seinen Filmen springt einen nicht direkt an,
sondern zeigt sich eher beiläufig in den erzählten Geschichten, den
Zeichnungen der Charaktere, aber auch in einzelnen Kameraeinstellungen.
Etwa wie in seinem Film [1][„1001 Gramm“], in dem sich Wissenschaftler, die
sich mit Maßeinheiten beschäftigen, zu einem Kongress in Frankreich
treffen. Und in einer Szene im Gleichschritt einer nach dem anderen, alle
mit einem blauen Regenschirm in der Hand, in Richtung Tagung flanieren.
Inklusive einem Nachzügler, der die ganze gezeigte Ordnung ein Stück weit
zum Wanken bringt. Der ganze Ablauf der Szene und der extreme Wille zur
Disziplin, den diese Wissenschaftler zeigen, wirkt grotesk und irreal,
entblößt diese Leute aber nicht, sondern lässt ihre Schrulligkeiten fast
schon liebenswert wirken. Und diese Form von Humor, bei dem sich nicht über
andere lustig gemacht wird, sondern sich selbst deren irrsten Macken und
Gepflogenheiten mit Respekt genähert wird, zieht sich durch das Werk
Hamers.
Das Neuköllner [2][Il Kino] feiert den Regisseur nun in einer kleinen
Retrospektive vom 31. August bis zum 2. September, die an drei Tagen vier
seiner Filme zeigt. Anlass dafür ist das zwanzigjährige Jubiläum von
„Kitchen Stories“. Als dieser Film erschien, hatte Hamer zwar bereits ein
paar Filme gemacht, aber erst mit „Kitchen Stories“ kam er weltweit groß
raus und landete einen Erfolg bei Kritik und Publikum, die gleich
erkannten, dass es sich da um einen wirklich seltsamen, aber auch
eigenwillig anrührenden Film handelte.
Es wirkt schon ganz schön bizarr, wie in diesem Film der Mitarbeiter eines
schwedischen Forschungsinstituts auf einem Hochsitz in der Küche eines
Norwegers landet und dessen Gewohnheiten studiert. Sein Auftrag lautet, im
Rahmen einer Untersuchung das Verhalten norwegischer Junggesellen zu
erforschen. Der Kontakt zum beobachteten Objekt ist ihm eigentlich
verboten, der könnte ja das Ergebnis dieser wichtigen Erhebung verfälschen.
Aber auf Dauer geht das einfach nicht, wortlos miteinander in der Küche zu
hocken, und so lässt der wissenschaftliche Eifer des Schweden immer mehr
nach.
## Vielleicht gab's das ja wirklich
Schweden erforschen norwegische Zauseln, die alleine leben, und nisten sich
dafür bei diesen in den Küchen ein, das klingt so hanebüchen, dass man auch
geneigt sein könnte zu sagen: was für ein Quatsch. Aber wie Bent Hamer das
rahmt, das Ganze in den Fünfzigern spielen lässt, also in einer lange
vergangenen Zeit, in der so manche komischen Sachen angestellt wurden, die
man aus heutiger Sicht auch für eigentlich unvorstellbar hält, und die
gezeigten Wissenschaftler alle so überaus überzeugt von ihrem Tun wirken,
denkt man sich irgendwann als Zuschauer: Vielleicht gab's solche komischen
Forschungen damals ja wirklich da oben in Skandinavien.
Bei „1001 Gramm“, der bei der Retro im Il Kino nicht gezeigt wird, ist das
ähnlich. Die Frage, ob ein Kilogramm auch mehr oder weniger als ein
Kilogramm wiegen kann – vielleicht beschäftigt sich irgendeine
Spezialwissenschaft ja wirklich mit so etwas. Und dann fände man Dinge
komisch, die in Wahrheit so komisch gar nicht sind.
Vielleicht erzählt Bent Hamer ja selbst ein wenig über doppelte Böden in
seinen Filmen und davon, was seiner Meinung nach guten Humor ausmacht. Er
wird nämlich selbst bei allen vier Vorstellungen, bei denen auch sein
aktuellster Film „The Middle Man“ gezeigt wird, zugegen sein.
30 Aug 2023
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!250792&s=bent+hamer&SuchRahmen=Print/
[2] https://ilkino.de/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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