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# taz.de -- Silvester in Berlin: Abfrusten in der Großsiedlung
> Die Befürchtungen vor erneuten Silvesterkrawallen in Berlin sind groß.
> Neuköllns Jugendstadträtin bleibt trotzdem verhältnismäßig gelassen.
Bild: Neuköllner Silvesternachlese im Januar 2023
Berlin taz | In der Silvesternacht werden wieder viele Augen auf Neukölln
gerichtet sein. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnt schon jetzt
– auch mit Blick auf den Berliner Bezirk –, dass es „blinde Wut und
sinnlose Gewalt“ geben könne. Von solchem Alarmismus ist im Neuköllner
Rathaus selbst nichts zu spüren.
Am Donnerstagmittag geben hier Jugendstadträtin Sarah Nagel (Linke) und die
Leiterin des Jugendamtes, Katrin Dettmer, einen Einblick in ihre Arbeit
nach den Ausschreitungen im vergangenen Jahr, die Aktivitäten der
Jugendclubs, ihre [1][Gespräche mit Jugendlichen und den betreuenden
Sozialarbeiter*innen].
Wie Nagel und Dettmer betonen, hätten ihnen gegenüber die Jugendlichen
sowohl Ablehnung als auch Verständnis für die Gewalt geäußert. Klar sei, so
Nagel: „Das Potenzial an Frustration und Aggression ist nicht niedrig.“
Trotzdem habe man im Vorfeld dieser Silvesternacht eine geringere
Konfrontationsbereitschaft und weniger offensichtliche Krawallpläne
wahrgenommen. Es sei viel in Beziehungsarbeit und Streetwork investiert
worden. Der Bezirk habe mit verlängerten Öffnungszeiten der
Jugendeinrichtungen und mit Angeboten [2][speziell für ältere männliche
Jugendliche] wie dem Mitternachtssport reagiert.
## Silvester als Höhepunkt für Jugendliche
Bei der Gewalt in Neukölln insgesamt gebe es zwar, so Linke-Politikerin
Nagel, keine großen Auffälligkeiten. Anders sehe es speziell mit der
Jugendgewalt in den Großsiedlungen aus. „Wir sehen eine Peripherisierung“,
sagt Nagel.
Ob in der High-Deck-Siedlung oder [3][der Gropiusstadt]: Das seien Gebiete
mit einer hohen Kinder- und Familienarmutsquote, „Schuldistanz“ und zu
engen Wohnungen. Zudem verweist Nagel auf die psychosozialen Schädigungen
durch den Coronalockdown: „Das schlägt voll zu.“
Silvester sei dabei ein Höhepunkt im Kalender von Jugendlichen. Dass die
dann „über die Stränge schlagen“, sei nicht schön, aber Realität. Umso
wichtiger sei es, den Kontakt zu suchen und Wege aus der Gewalt
aufzuzeigen.
## „Die Jugendlichen wollen böllern“
„Die Jugendlichen sind zum Teil gewaltbereit“, sagt auch Neuköllns
Jugendamtsleiterin Katrin Dettmer. Zwar sei der Nahostkonflikt hinsichtlich
ihrer Erwartungen an Silvester ein Thema: „Der Palästinakonflikt
beschäftigt uns seit 20 Jahren.“ Aber man habe es in dieser Hinsicht vor
Ort weniger mit organisierten und politisierten Jugendlichen zu tun, als
mit solchen, „die nach Orientierung suchen“. Das jedoch, so Dettmer, „fä…
mit Spaß an und hört mit Gewalt auf“.
Auf die Frage nach dem Sinn der neuen Böllerverbotszone in Neukölln
antwortet Dettmer: „Die Jugendlichen wollen böllern“. Auch die Amtsleiterin
erinnert daran, dass im vergangenen Jahr nach drei Jahren Corona erstmals
wieder geböllert werden durfte.
Bei alldem, gibt Dettmer zu bedenken, sei nur eine Minderheit an
Gewalttaten beteiligt gewesen. In Neukölln leben 55.000 Jugendliche. „Es
gab bei der Staatsanwaltschaft zehn Verfahren gegen Minderjährige aus
Neukölln“, sagt Dettmer.
21 Dec 2023
## LINKS
[1] /Jugendarbeit-in-Berlin/!5978836
[2] /Silvesterkrawalle-in-Berlin/!5933311
[3] /Nach-Silvester-Randale-in-Berlin/!5905301
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Berlin-Neukölln
Silvester
Jugendgewalt
Böllerverbot
Silvesterknallerei
Polizei Berlin
Marco Buschmann
Jugendarbeit
Berliner Volksbühne
Lesestück Recherche und Reportage
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