# taz.de -- Schleswig-Holsteins erste Ombudsfrau für Heimkinder: „Wir möcht… | |
> Samiah El Samadoni will in Konflikten vermitteln und eingreifen, wenn | |
> Erzieher sich nicht korrekt verhalten. Die Arbeit der Jugendämter will | |
> sie nicht sabotieren. | |
Bild: Mehr als ein Kummerkasten: Die Ombudsstelle greift ein, wenn ein Heimaufe… | |
taz: Frau El Samadoni, Sie sind seit 1. Januar Ombudsfrau der Kinder- und | |
Jugendhilfe und leiten eine Beschwerdestelle. Warum brauchen wir Sie? | |
Samiah El Samadoni: Das ist eine der Konsequenzen aus den Vorgängen, die | |
zur Schließung der Friesenhof-Heime geführt haben. Wir wollen eine | |
Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche sein, die in Schleswig-Holstein in | |
stationären Wohngruppen und Heimen untergebracht sind und Probleme damit | |
haben, sich zum Beispiel ungerecht behandelt fühlen. | |
Mit was für Sorgen können die Kinder sich an Sie wenden? | |
Eigentlich mit allen Sorgen, bei denen Kinder sich sagen: So möchte ich | |
nicht behandelt werden. Das kann bei kleinen Konflikten im Alltag anfangen. | |
Etwa wenn es um die Nutzung von Handys geht oder Taschengeldkürzung. Das | |
möchten wir ernst nehmen, da wollen wir beraten und vermitteln. Die ganz | |
große Herausforderung wird sein, unser Angebot in den Einrichtungen bei den | |
Kindern und Jugendlichen bekannt zu machen. | |
Haben Sie Ideen dafür? | |
Da muss man ausprobieren, was der richtige Zugang ist, über eine Website | |
oder Facebook, vielleicht eine Kontakt-App. Wir haben einen Flyer gedruckt, | |
den wir in den Einrichtungen auslegen wollen. Es ist mein Wunsch, dass | |
unsere Telefonnummer in jedem Heim und jeder Wohngruppe bekannt ist. | |
Machen Sie das allein? Sie sind ja bereits Bürgerbeauftragte und Leiterin | |
der Antidiskriminierungsstelle des Landes. | |
Ich bekomme Mitarbeiter, eine Juristin und eine Sozialpädagogin und eine | |
halbe Stelle Assistenz. Bei mir im Büro der Bürgerbeauftragten arbeiten | |
bereits sechs Juristinnen und Juristen, die den Bürgerinnen und Bürgern | |
gegenüber der Verwaltung Augenhöhe verschaffen. Eine Kollegin ist auf | |
Jugendhilferecht spezialisiert. | |
Sie haben erklärt, dass Ihre Ernennung „nicht als pauschale Kritik an der | |
Arbeit der Jugendämter und Einrichtungsträger verstanden werden soll“. | |
Werden Sie skeptisch beäugt? | |
Den Eindruck habe ich nicht. Ich hoffe auch, dass alle Akteure die | |
Beschwerdestelle im Sinne der Kinder und Jugendlichen unterstützen werden. | |
Erste Gespräche hat es bereits gegeben, zum Beispiel mit dem | |
Kinderschutzbund in Schleswig-Holstein. | |
Aber wenn Sie eingreifen und Kinder unterstützen, die sich wegen strenger | |
Regeln beschweren, könnten Sie Autoritätskonflikte auslösen. | |
Dass es die Befürchtung gibt, kann ich nachvollziehen. Wir wollen für die | |
Kinder ein Ansprechpartner sein, wenn für sie etwas nicht erträglich ist. | |
Wenn ein Erzieher etwas tut, was nicht in Ordnung ist. Wir wollen dem Kind | |
eine Stimme geben, die gehört wird und eine Brücke bauen. Man muss im | |
Einzelfall klären, was geht und was nicht. | |
Sind Sie auch Anlaufstelle für Kinder, die aus Heimen weglaufen? | |
Sicher. Ich hoffe aber, dass sie sich an uns wenden, bevor sie weglaufen. | |
Wir wollen durch unser Angebot dazu beitragen, es nicht eskalieren zu | |
lassen. | |
Was ist mit den Eltern? | |
Wir sind ebenfalls für Sorgeberechtigte als Ansprechpartner da, auch in der | |
Interessenvertretung gegenüber den Behörden. Letztlich muss aber die Frage, | |
ob eine Hilfe die richtige ist, sozialpädagogisch beurteilt werden. Es geht | |
nicht darum, die Arbeit der Jugendämter zu sabotieren. | |
Die Ombudsstelle in Berlin hat einen Rechtshilfefonds und unterstützt | |
Bürger finanziell, wenn sie Gerichtsverfahren führen. | |
Das machen wir nicht. Die Bürgerbeauftragte ist Teil des Landtags und der | |
gesetzgebenden Gewalt. Sie ist nie Partei im Prozess, sondern immer auf | |
eine gütliche Einigung ausgerichtet. | |
Aber sind Sie als Beschwerdestelle nicht auch nur ein weiterer Teil des | |
Systems? Den Eindruck haben Kinder auch von Heim-Kummerkästen und internen | |
Beschwerdestellen. Nach dem Motto: Im Grunde regeln die erwachsenen Profis | |
alles unter sich. | |
Ich glaube, es ist wichtig, dass es in den Heimen Partizipationsstrukturen | |
gibt, in denen vor Ort Konflikte geklärt werden können. Aber diese | |
Strukturen können versagen. | |
Und was dann? | |
Dann ist die Beschwerdestelle da. Es wurde jetzt ja bewusst entschieden, | |
die Ombudsstelle bei der unabhängigen Bürgerbeauftragten anzusiedeln, damit | |
diese Interessenkonflikte nicht entstehen können. Ganz wichtig ist, dass | |
alles, was Kinder und Jugendliche uns erzählen, vertraulich bleibt. Sie | |
allein entscheiden und bestimmen, was mit den Informationen geschieht und | |
ob wir ihre Interessen auch gegenüber dem Jugendamt oder dem | |
Einrichtungsträger vertreten sollen. | |
Gibt es Grundrechte, die Sie den Kindern vermitteln können? Etwa das Recht | |
auf ein verschließbares Tagebuch, das kein anderer liest? | |
Klar. Kinder haben Grundrechte wie andere Menschen auch. Besonders das | |
Recht auf körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung. Es kann sein, | |
dass es in Einrichtungen Maßnahmen gibt, die zu stark in diese Rechte | |
eingreifen. | |
In Schleswig-Holstein sind Hunderte kleine Einrichtungen übers Land | |
verstreut. Wie erreichen Sie diese Kinder? | |
Das ist wirklich die größte Herausforderung. Wir sind telefonisch | |
erreichbar und ältere Jugendliche können uns in Kiel besuchen. Ich reise | |
als Bürgerbeauftragte durch die Landkreise und halte Sprechstunden ab, die | |
für Kinder und Jugendliche offen stehen. Letztlich sind wir aber auf die | |
Kooperation der Einrichtungsträger und Jugendämter angewiesen. | |
Bräuchte man nicht Zweigstellen für die Erreichbarkeit? | |
Es gibt Überlegungen, dass der Kinderschutzbund einen ergänzenden | |
regionalen Ansprechpartner anbietet und wir miteinander kooperieren. | |
Wie werden Sie jetzt konkret Ihre Arbeit beginnen? | |
Ansprechbar sind wir ab sofort. Es können sich Kinder und Jugendliche an | |
uns wenden. Wir werden Gespräche mit allen Beteiligten in der Kinder- und | |
Jugendhilfe führen, um eine Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen. | |
Mit den Einrichtungsträgern, mit der Heimaufsicht und mit den Jugendämtern. | |
Das sind die Profis. Werden Sie auch mit ehemaligen Heimkindern sprechen? | |
Etwa vom Friesenhof oder mit der Bundeskonferenz der Straßenkinder? | |
Darum werden wir uns bemühen. | |
Ombudsstelle: Karolinenweg 1, Kiel. Telefonisch erreichbar unter 0431 - 988 | |
12 40 montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr, mittwochs von 9 bis 18.30 Uhr | |
3 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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