# taz.de -- SPD-Kanzlerkandidat zu Cum-Ex befragt: Der vergessliche Olaf Scholz | |
> In der Cum-Ex-Affäre soll er einer Bank eine Millionenzahlung erspart | |
> haben. Bei der Befragung im Bundestag sagt Scholz wenig. | |
Bild: Trägt – freundlich gesagt – nichts zur Aufklärung bei: Olaf Scholz | |
BERLIN taz | Die Warburg-Cum-Ex-Affäre sieht für die Hamburger SPD nicht | |
gut aus. Die alteingesessene Hamburger Warburg Bank war an Cum-Ex | |
Geschäften beteiligt. Cum-Ex war organisierter, krimineller Betrug. Zehn | |
Milliarden Euro stahlen Banken dem deutschen Staat. | |
Im Jahr 2016 und 2017 rollten Forderungen von bis zu 90 Millionen Euro | |
wegen alter Cum-Ex-Deals auf die Warburg-Bank zu. Die Geschäfte liefen | |
damals für die Bank mies. Warburg-Chef Christian Olearisus versuchte die | |
Zahlung zu vermeiden. Der in Hamburg bestens vernetzte Banker | |
antichambrierte bei der SPD, traf sich mit dem Haushaltspolitiker Johannes | |
Kahrs und spendete 45.000 Euro an die Genossen in Hamburg. | |
Alle anderen Beteiligten an der Affäre – das Finanzministerium in Berlin | |
und Steuerfahnder aus NRW – beharrten darauf, dass die Bank 47 Millionen | |
Euro in Hamburg zahlen muss, ehe die Forderung verjährte. Nur die Hamburger | |
Finanzbehörde sah das anders. Olearius hatte Erfolg. Warburg zahlte nicht. | |
Olaf Scholz, damals Bürgermeister in Hamburg, traf Olearius 2016 und 2017 | |
dreimal. „Ein guter Bürgermeister führt viele Gespräche“, so Scholz am | |
Mittwoch im Bundestag. Verdächtig wirkte indes, dass Scholz sich bei einer | |
früheren Befragung im Finanzausschuss nur an ein einziges Mal erinnert | |
hatte. Im Finanzausschuss am Mittwoch räumte [1][der SPD-Kanzlerkandidat] | |
nun auch die anderen, bereits dokumentieren Treffen ein. | |
## Scholz: Immun gegen Lobbyismus? | |
Ansonsten könne er sich allerdings wie gehabt an nichts erinnern. Im | |
Übrigen sei die Entscheidung Sache des Finanzamtes gewesen, auf das | |
Politiker keinen Einfluss hätten. Gegen Beeinflussung durch | |
Interessenvertreter sei er immun. „Ich kann sehr störrisch sein“, so Scholz | |
im Bundestag. Das ist die Verteidigungslinie. | |
Die Grüne Lisa Paus hält dies für wenig glaubhaft. Dass Scholz drei | |
Treffen, ein Telefonat und einen Brief von Olearius einfach vergessen habe, | |
sei wenig plausibel. Immerhin ging es um Cum-Ex und eine renommierte | |
Hamburger Bank am Abgrund. Scholz telefonierte am 9. November 2016 mit | |
Olearius. Der hatte ihm zuvor ein Papier zukommen lassen, eine | |
Rechtfertigung, warum die Bank nicht zahlen brauche. Scholz empfahl dem | |
Banker, den Brief ohne weitere Bemerkung an Finanzsenator Peter | |
Tschentscher weiterzuleiten. Am 17. November entschieden Hamburger | |
Finanzbeamte und die Steuerverwaltung, die Causa Warburg verjähren zu | |
lassen. | |
Das könne doch kein Zufall sein, so Paus im Bundestag. Der Linkspolitiker | |
Fabio De Masi, der in der Cum-Ex-Affäre durch Scharfsinn glänzt, fragte im | |
Bundestag, wieso Scholz überhaupt riet, den Warburg-Brief weiterzuleiten, | |
wenn alles doch nur Sache des Finanzamts war. | |
Eine Erkenntnis am Mittwoch lautet: Scholz weiß, was Teflon ist. „Man kann | |
Erwägungen anstellen“, antwortet er vage. Aber er habe als Bürgermeister | |
viele Gespräche geführt. Zu dem Tipp, den Brief an den Finanzsenator | |
weiterzuleiten, sagt er schmallippig: „Es ist auf den Dienstweg verwiesen | |
worden. Das ist immer die richtige Vorgehensweise.“ Es gibt in den Sätzen | |
des Finanzministers oft kein Subjekt und keinen Autor. Die politische | |
Verantwortung wird in Passivkonstruktionen entsorgt. | |
## Verdächtig – aber Handfestes gibt es nicht | |
Wenn wir Scholz’ Version folgen, so hatte er als Bürgermeister auch nichts | |
mit der Spende an die SPD zu tun. In Hamburg werde strikt zwischen | |
Regierung und Partei getrennt, um Bestechung von Amtsträgern möglichst | |
auszuschließen. Allerdings war Scholz auch bis 2018 SPD-Chef in Hamburg. | |
Laut Scholz’ Version muss für die Warburg-Entscheidung vor allem eine | |
Finanzbeamtin verantwortlich gewesen sein – eingedenk der Tatsache, dass | |
Cum-Ex ein hochpolitisierter Fall war, wirkt das unwahrscheinlich. Dass | |
Scholz, freundlich gesagt, nichts zur Aufklärung des Falls beiträgt, | |
verstärkt [2][den Verdacht, dass es etwas zu verheimlichen gibt]. | |
Nämlich dass Scholz, um die mögliche Bankenpleite und den Jobverlust zu | |
vermeiden, beide Augen zudrückte, obwohl es Beweise gab, dass die Bank sich | |
auf Staatskosten dreist bereichert hatte. Aber zwischen wenig | |
wahrscheinlich und erwiesen falsch gibt es einen Unterschied. | |
In den Finanzausschuss wird Scholz, so die Grüne Lisa Paus, wohl nicht mehr | |
geladen. Das mache bei jemand, der sich an nichts erinnern könne, keinen | |
Sinn. Oder nur, wenn es neue Fakten gibt. | |
9 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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