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# taz.de -- SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: Sieger der Niederlage
> Finanzminister Olaf Scholz hat gegen das SPD-Führungsduo verloren. Nun
> soll er Kanzler werden. Weil er Krisen bewältigen kann.
Freitagabend, Dortmund. Über der Location leuchtet weiß ein U,
Erkennungszeichen für Dortmund. Früher war dies die Unionbrauerei, heute
ist der Backsteinbau in der Innenstadt hippes Zentrum für Kreative. Manche
nennen ihn Kathedrale des Strukturwandels. Der Ort ist von der SPD gezielt
gewählt, man will Tradition und Zukunft verknüpfen. SPD-Chef [1][Norbert
Walter-Borjans], Olaf Scholz und [2][Monika Griefahn], die in Mülheim an
der Ruhr Bürgermeisterin werden will, machen Wahlkampf. In drei Wochen
werden in NRW Bürgermeister und Stadträte gewählt. Für die SPD steht dabei
einiges auf dem Spiel. Wenn sie Städte wie Dortmund verlieren würde, wäre
das ein weiteres Symbol ihres Niedergangs.
Olaf Scholz wirkt entspannt, offener Hemdkragen, keine mäandernden Sätze,
eher knapp. Er ist ja jetzt da, wo immer hinwollte. „Wie geht es Ihnen als
Kanzlerkandidat?“, fragt die Moderatorin. „Gut“, sagt Scholz lakonisch.
Mehr nicht. „Olaf plant sehr lange im Voraus. Mein Eindruck war, dass er
schon immer Bundeskanzler werden wollte“, erinnert sich ein Genosse aus
Juso-Zeiten.
Der Abend ist ein Heimspiel, die Fragen sind nett, im Publikum
SPD-Funktionäre, die auf Harmonie geeicht sind. Die Basis will Scholz,
Scholz will der Basis-Kandidat sein. Man ist sich einig, dass die Kommunen
entschuldet werden müssen. „Es braucht eine Stunde null für die deutschen
Kommunen“, sagt Scholz. Ein klarer Satz, ohne technokratischen
Gesteinsbrocken, die es in seiner Rhetorik immer wieder mal gibt.
Auf der Bühne fremdelt Scholz manchmal. Heute nicht. Er ist keine
Rampensau, keiner, der mal eben so für gute Stimmung sorgt. „Er ist, wie er
ist. Wir werden ihn nicht mehr zum Entertainmentbeauftragten der SPD
machen“, sagt [3][Carsten Schneider], Parlamentarischer Geschäftsführer der
SPD Bundestagsfraktion. Das sei in unruhigen Zeiten, so Schneider, aber
kein Makel, sondern eine Tugend.
[4][Thomas Kutschaty] kommt derzeit im Wahlkampf viel herum. Der Chef der
SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen lobt den Kanzlerkandidaten.
Die BürgerInnen wollten derzeit „keine Hau-drauf-Typen oder Frohnaturen wie
Armin Laschet“. Scholz passe in die Zeit. In der Krise sei „Verlässlichkeit
und Bewährtes gar nicht so schlecht“. Bei den GenossInnen zwischen Aachen
und Bielefeld, so Kutschaty, gebe es „keine Kritik an der Nominierung von
Olaf Scholz“.
Das klang schon einmal anders. Kutschaty, einer der beiden Machtpole in der
NRW-SPD, hat vor acht Monaten gegen Scholz als Parteichef gestimmt – und
für Norbert Walter-Borjans. Der Frust über die Große Koalition in Berlin
saß bei den GenossInnen in ihrem früheren Stammland tief. Nicht nur
SPD-Linke, auch Mitte-Sozialdemokraten wie Kutschaty glaubten noch Ende
2019, dass der brav regierende Olaf Scholz, die unbewältigte Agendapolitik
und die farblose, ungeliebte Koalition mit der Union wie Bleigewichte an
der SPD hingen. Das ist erst ein paar Monate her, gefühlt aber eine halbe
Ewigkeit. „Raus aus der Groko ist kein Thema mehr“, sagt Kutschaty. „Wir
haben jetzt in NRW in der Coronakrise andere Sorgen.“
Scholz sei schon der richtige Mann, sagt auch Matthias Strejc,
Sozialdemokrat und Bürgermeister in der thüringischen Kleinstadt Bad
Frankenhausen. Der Ort liegt im Kyffhäuserkreis, in dem viele
Schwierigkeiten im Osten brennspiegelhaft verdichtet sind. Viel
Abwanderung, früher hohe Arbeitslosigkeit, heute Mangel an Arbeitskräften.
Glaubt man Strejc, 44 Jahre und schon seit 14 Jahren Bürgermeister, dann
hat die SPD-Basis im Norden Thüringens Scholz’ Kanzlerkandidatur freundlich
und knapp zur Kenntnis genommen. Ohne Euphorie. Das Kommunale sei ja doch
wichtiger.
## Keine Euphorie
Die Reaktion auf Scholz’ Nominierung im Thüringischen und im Ruhrgebiet
sind typisch. Barsch ablehnende Reaktionen gab es nur in den Gruppen gegen
die Große Koalition. Die hatten vor einem Dreivierteljahr nicht gegen das
gesammelte SPD-Establishment gekämpft, um jetzt Scholz in die
Schlüsselposition zu hieven. Doch jenseits davon ist die SPD angetan vom
Bundesfinanzminister, in Zimmerlautstärke. Keine Euphorie. Die Reaktion auf
Scholz 2020 ist das Gegenbild zu der Begeisterung, die Martin Schulz 2017
im Winter auslöste: nüchtern, angemessen, leidenschaftslos. So wie Scholz
selbst.
Der 62-Jährige ist das Comeback-Kid der SPD, seine Karriere war eine
Berg-und-Tal-Fahrt. Als Juso war er stramm linksorthodox. 1989 begrub er
diese Ideen und wandelte sich im Schnelldurchgang zum Parteirechten, der
vergeblich versuchte, den Begriff „demokratischer Sozialismus“ aus dem
Parteiprogramm zu tilgen. 2002 holte ihn Gerhard Schröder als
Generalsekretär auf die Bundesbühne. Scholz erfüllte in kaltem
Technokratensprech seinen Auftrag – er drückte die Agendapolitik gusseisern
gegen seine widerspenstige Partei durch. Den Spottnamen Scholzomat hat er
sich mit seiner Apparatschiksprache verdient. 2003 bekam er beim Parteitag
in Bochum als Generalsekretär die Quittung: nur 52 Prozent – das war ein
Ausrufezeichen, Frustventil, Misstrauensbeweis.
52 Prozent, erklärte er danach ungerührt, seien keine Niederlage. Er müsse
nichts ändern. Die Grenze zwischen Standhaftigkeit und Starrsinn
verschwimmt bei ihm mitunter. Scholz’ miese Ergebnisse auf SPD-Parteitagen
sind seitdem so etwas wie ein Ritual.
## Vom „Scholzomaten“ zum Agenda-Überwinder
Als er 2007 Arbeitsminister in der ersten Merkel-Regierung wurde, sah man
indes eine andere Seite von ihm. Der Arbeitsrechtler etablierte gegen zähen
Widerstand der Union für einzelne Branchen Mindestlöhne – eine erste
Reparatur des Agenda-Desasters, das er selbst mit angerichtet hatte. In der
Finanzkrise 2008 verhinderte er, ganz „truely Sozialdemokrat“ (Scholz über
Scholz), mit der schnellen, unbürokratischen Ausweitung des
Kurzarbeitergeldes, dass viele in der Krise ihre Jobs verloren – ein
Modell, das er in der Coronakrise wiederholen will. Krisen sind der
Zustand, in dem Scholz’ Fähigkeiten strahlen. Als Macher fühlt er sich am
wohlsten. Je größer die Krise, desto mehr leuchtet er.
So wie 2009. Als Scholz nach Hamburg zurückkehrt, ist er politisch fast am
Ende. Der Ministerjob ist weg, er ist Abgeordneter aus Hamburg-Altona. Die
Hamburger SPD, die die Stadt über Jahrzehnte als ihr Eigentum betrachtet
hatte, ist tief zerstritten und in der Opposition gefangen. Das ist der
Olaf-Scholz-Moment. Die Krise als Chance für den Macher. Er wird Landeschef
und teilt der Partei per taz-Interview mit: „Wer bei mir Führung bestellt,
muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“
Als er 2011 nach gewonnener Wahl Erster Bürgermeister wird, gibt er als
erstes Senatsmitglied in der SPD-Geschichte den Parteivorsitz nicht auf.
Das „Eiserne Dreieck“ aus Bürgermeister, Partei- und Fraktionschef, das
jahrzehntelang die Machtbalance in der Partei und in der Stadt garantiert
hatte, ist gesprengt. Was bleibt, ist Scholz. Die One-Man-Show.
Er gewinnt gegen den Bundestrend die absolute Mehrheit. Dabei ist sein
einziges Versprechen, er werde „ordentlich regieren“. Ob Elbvertiefung oder
Elbphilharmonie – der Jurist Scholz frisst sich persönlich durch meterweise
Akten. „Glaubt ihr vielleicht, ich traue meiner Verwaltung?“, spottet er
mal in Weinlaune. Er spitzt dabei die Lippen, seine Augen werden zu
schmalen Schlitzen und er presst ein kehliges Stakkato-Lachen heraus. Eine
„tiefe Verachtung der Verwaltung“ attestiert ihm ein hochrangiger Hamburger
Politiker.
Scholz ist ein Control-Freak. Jede relevante Entscheidung trifft er als
Bürgermeister persönlich, vorbereitet nur mit seinen beiden Intimi, dem
Senatskanzleichef und dem Fraktionschef. Gelegentlich lässt er
Behördenmitarbeiter nachts antanzen. Er ist ein besessener Arbeiter.
Um so rätselhafter ist Scholz’ Agieren im Wirecard-Skandal. Den handhabte
der Bundesfinanzminister 2019 noch sehr lässig, als Medien längst
beunruhigende Indizien für Betrug veröffentlicht hatten.
Oder beim Cum-Ex-Skandal. Als die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt, dass
die Hamburger Warburg-Bank die Steuerkasse mit undurchsichtigen
Kettengeschäften um Hunderte Millionen Euro erleichtert hat, trifft Scholz
sich 2017 mit Bank-Chef Christian Olearius. Der nimmt aus dem Gespräch mit,
er müsse sich keine Sorgen machen, Hamburgs Finanzverwaltung lässt
Rückforderungen an die Privatbank verjähren. Später behauptet die
Senatskanzlei, es habe gar kein Treffen gegeben. Scholz ist da schon weit
weg, in Berlin. Solche Widersprüche zwischen der
Ordentlich-regieren-Rhetorik und politischem Handeln perlen an Scholz ab.
Jedenfalls bis jetzt.
## Fehler? Gibt es bei Olaf Scholz nicht
Fehler gibt es nicht bei Scholz. Beispiel G20-Gipfel in Hamburg 2017:
Scholz sagt im Alleingang zu und verspricht, dass alles gut wird. „Es wird
Leute geben, die sich wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.“
Doch tatsächlich wird der Gipfel ein Debakel mit Gewalt und Plünderungen.
In einer Regierungserklärung ringt sich Scholz eine Entschuldigung ab. Und
relativiert sofort wieder: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben“, sagt er,
schuld seien die Chaoten, kein Experte hätte mit dieser Gewalt gerechnet.
Ein Fehler sei der Gipfel nicht gewesen.
Scholz fordert von seinen Leuten bedingungslose Gefolgschaft. „Olaf denkt,
Olaf lenkt – wir rudern“, hat ein prominenter Hamburger Genosse das System
Scholz mal beschrieben. Wehe, einer gerät aus dem Takt. „Ich kann auch
rachsüchtig sein“, hat Scholz auf einem Neujahrsempfang der SPD-Fraktion
gesagt und einen Ex-Parteisprecher gemeint, der inzwischen wegen
Urkundenfälschung im Gefängnis sitzt. Doch bei diesem Satz sind damals
viele im Saal zusammengezuckt.
Die Scholz-Fans in der SPD führen gern die Hamburger Wohnungspolitik als
leuchtendes Beispiel für Effektivität an. Scholz hat in der Tat den
Wohnungsmarkt früh als Problem erkannt. 6.000 neue Wohnungen im Jahr
genehmigt Hamburg in den frühen Scholz-Jahren nach 2011. Doch die Bilanz
hat Schönheitsfehler: Den Anstieg der Mieten haben die neuen Wohnungen kaum
gebremst. Jedes Jahr fallen weit mehr Sozialwohnungen aus der
Mietpreisbindung, als neue gebaut werden. Scholz setzte ganz auf den Markt:
Die Stadt veräußerte Grundstücke fast immer zum Höchstgebot. Investoren
bekommen dann die Auflage, einen „Drittelmix“ aus Eigentumswohnungen, frei
finanzierten und geförderten Mietwohnungen zu bauen. Faktisch heißt das
meist: winzige Sozialwohnklos zwischen großzügigen Eigentumswohnungen. Für
Familien mit kleinen Einkommen ist kaum etwas dabei. Erst seit Scholz weg
ist, beginnt die Stadt, Grundstücke in Erbpacht zu vergeben oder ihr
Vorkaufsrecht zu nutzen.
„Der Spruch ‚Das ist so‘ gehört zu Olafs Standardphrasen, da hört dann …
Duldung von Widerspruch auf und nahezu jede Politik wird geradezu
naturgegeben richtig“, sagt ein Weggefährte aus Juso-Zeiten. „Es geht immer
nur um Macht. Die Leute müssen tun, was er will. Olaf erzeugt diese
Atmosphäre, in der Menschen sich ihm unterwerfen, vor ihm in den Staub
gehen.“ Eine ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete benutzt dieselben
Worte: „Ein ums andere Mal“ habe sie erlebt, wie Parlamentarier vor ihrem
Bürgermeister „im Staub lagen“.
Macht ist der Fixstern in Scholz’ Universum. Er braucht keine
Statussymbole, protzt nicht wie sein politisches Vorbild Gerhard Schröder.
Da ähnelt er eher Angela Merkel: unbestechlich, sachorientiert, manchmal
ein bisschen langweilig. Selbst seine ärgsten Kritiker sagen unisono: „Er
ist sicher nicht korrupt.“ Eher ist ihnen seine Askese suspekt. Er läuft
regelmäßig, ist schlanker geworden und wirkt heute fitter als vor 15
Jahren. Eine Genossin, die selbst einmal begeisterte Scholz-Anhängerin war,
sagt: „Ich würde mir einen Bundeskanzler wünschen, der gern mal im Bett
bleibt.“ Einen, für den es ein Leben außerhalb der Politik gibt.
Einem Leben ohne Politik war Scholz Ende 2019 ziemlich nah. Die SPD wollte
ihn nicht als Parteichef. Fast alle, die in der SPD etwas zu sagen hatten,
hatten ihn unterstützt. Trotzdem, vielleicht auch deswegen, wählte die
Basis Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Es war ein
Anti-Scholz-Votum. Und anscheinend der Schlussakkord einer missvergnügten
Beziehung.
Scholz blieb gefasst und wartete ab. Das war clever. Aus einem Desaster
entwickelt sich für Scholz eine paradoxe Niederlage. Wäre Scholz damals
SPD-Chef geworden, er müsste jetzt mühsam als Kanzlerkandidat ein gutes
Drittel der Partei, das ihm fernsteht, integrieren und umsorgen. Den Job
erledigen jetzt Ex-Jusochef Kevin Kühnert und die Parteispitze für ihn, die
kein böses Wort über Scholz verlieren.
Die neue Einigkeit in der SPD ist mehr als ein Effekt der Coronakrise, in
der eben alle auf die Regierung schauen. Zwei Maßnahmen, die Scholz’
Handschrift tragen, haben auch SPD-Linke mit dem Agenda-Mann versöhnt, der
das traditionelle Bündnis der Hamburger Sozialdemokratie mit dem
Großbürgertum und der Industrie verinnerlicht hat: das
750-Milliarden-Euro-Paket für die EU und das milliardenschwere deutsche
Antikrisenprogramm, der rasche, schmerzfreie Abschied von der schwarzen
Null. Beides hat das Bild des Finanzministers, der Haushaltsdisziplin wie
einen Fetisch hütete, übermalt. Schon dass Scholz, wenn auch erst nach der
Bundestagswahl 2017, sich die Forderung 12 Euro Mindestlohn auf die Fahne
schrieb, hat die Gräben verkleinert. „Auch Olaf Scholz weiß, dass Hartz IV
so nicht bleiben kann. Er ist da voll auf unserer Linie“, so SPD-Mann
Kutschaty.
## Nicht zum Abnicken verdammt
Auch SPD-Linke in Berlin stellen erleichtert fest, dass der zum Herrischen
neigende Scholz derzeit recht kooperativ ist. Die Partei, die sonst oft nur
Regierungspolitik abnicken kann, darf mitreden. Doch dass das Basis-Votum
Scholz verändert hat oder gar eine kathartische Wirkung entfaltet haben
könnte, glauben auch seine Vertrauten nicht. Scholz kennt ja Rückschläge,
Anlass zu Selbstzweifeln waren sie nie. Manche SPD-Linke trauen daher,
trotz der neuen Eintracht, dem Machtmenschen nicht über den Weg. Was kommt,
wenn Scholz es nicht mehr nötig hat, sich in täglichen Telefonschalten mit
Saskia Esken abzustimmen?
Die SPD hat 2021 nur Chancen, wenn sie machbar wirkende Machtoptionen hat.
Rot-Rot-Grün oder die Ampel. Ganz trittsicher wirkt Scholz auf diesem
Parkett nicht. „Ich mag die Linkspartei nicht“, hat er der Bild-Zeitung
gesagt. Aber wer will von Parteien regiert werden, die sich nicht mögen?
Scholz’ Umfeld funkt derweil Richtung FDP. 2017 hat genau das – faktische
Absage an Mitte-links und verzweifeltes Stalken der desolaten FDP – den
Abwärtssog der SPD verstärkt.
Immerhin: Scholz hat, wenn auch nur in Hamburg, Wahlen gewonnen. Das
unterscheidet ihn von Peer Steinbrück, der 2005 Nordrhein-Westfalen für die
SPD verlor, und von Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz, die vor
ihren Debakeln in den Jahren 2009 und 2017 keinen Wahlkampferfahrung
hatten. Doch Kontakt mit den BürgerInnen fällt Scholz eher schwer. Lockeres
Plaudern ist nicht seins. Er wirkt schnell angestrengt, manchmal fast
schüchtern. Das ist eine ungewöhnliche Mischung – Verzagtheit und jenes
unerschütterliche Selbstbewusstsein, das Grünen-Chef Robert Habeck mal mit
dem Satz umschrieb, dass Scholz „zwischen sich und der Sonne keine Ebene“
kenne.
Freitag, wieder in Dortmund. Der Abend ist eine störungsfreie Demonstration
der Einigkeit – zwischen Parteispitze und Kanzlerkandidat soll kein
Löschblatt passen. Scholz wird auch mal energisch. Manche würden
„Arbeitsbedingungen wie bei Tönnies in Deutschland für undenkbar“ halten.
„Aber sie sind bittere Realität und ein Skandal.“ Es sind Sätze, bei denen
viele nicken.
Schönste Eintracht also. Nur in Zwischentönen kann man ahnen, wo diese
rissig werden kann. Walter-Borjans warnt, dass die Union schon bald rigoros
sparen werde, um die schwarze Null wieder zu erreichen. Damit würde man
einen Wirtschaftseinbruch und 20 Jahre Krise riskieren. Das ist eine
Schlüsselfrage für die Regierung 2022: Wer zahlt die Kosten der Krise? Wenn
2022 die Schuldenbremse wieder greift, bleibt nur sparen.
Wollen Sie was dazu sagen?, fragt die Moderatorin.
Nö, sagt Scholz und lächelt in sich hinein.
24 Aug 2020
## LINKS
[1] /SPD-Chef-ueber-Konjunkturprogramme/!5686196/
[2] /Monika-Griefahn-als-OB-Kandidatin/!5651308/
[3] /SPD-Politiker-Carsten-Schneider/!5092528/
[4] /GroKo-Kritiker-ueber-K-Frage-der-SPD/!5696361/
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Jan Kahlcke
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Lesestück Recherche und Reportage
Olaf Scholz
SPD
Bundestag
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
NRW-SPD
SPD
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Landtagswahl in Rheinland-Pfalz
Rot-Rot-Grün
Kanzlerkandidatur
Kevin Kühnert
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