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# taz.de -- SPD-Entwurf zum Wahlprogramm: Zu Scholz, um wahr zu sein
> Die SPD will Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen. Wenn sie es wirklich
> ernst meint, ist ihr Programm nur mit Grünen und Linkspartei
> durchsetzbar.
Bild: Olaf Scholz stellt das SPD-Wahlprogramm im Willy-Brandt-Haus vor
Es ist ein [1][Wahlprogrammentwurf der schönen Worte], den die
SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken gemeinsam mit
ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz am Montag präsentiert haben. „Wir
wollen aus Träumen Zukunft machen.“ Was für ein sympathischer Satz! „Wir
wollen, dass alle Menschen ihre Wünsche verwirklichen und ihre Ziele
erreichen können.“ Klingt auch klasse, oder?
Die Werbetexter:innen im Willy-Brandt-Haus haben ganze Arbeit
geleistet. Einziges Problem: So hübsch sich das 48-seitige Papier auch
liest, so unklar bleibt über weite Strecken, was daraus praktisch folgen
soll.
Nehmen wir das für die SPD immer noch heikle Thema [2][Hartz IV], ihr
Sündenfall aus der unsäglichen Schröder-Ära. „Die Grundsicherung werden w…
grundlegend zu einem Bürgergeld entwickeln“, lautet das Versprechen der
Partei. Dieses Bürgergeld stehe „für ein neues Verständnis eines
haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats“. Das wäre erfreulich. Nur: Worin
besteht der substanzielle Unterschied zum Bestehenden? Die Regelsätze in
diesem neuen Bürgergeld müssten „zum Leben ausreichen und zur
gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“, heißt es im Entwurf.
Aber haben nicht alle sozialdemokratischen Arbeitsminister:innen von
[3][Wolfgang Clement] über Franz Müntefering, Olaf Scholz und Andrea Nahles
bis zum heutigen Amtsinhaber Hubertus Heil stets behauptet, genau das würde
bereits für die jämmerlichen Hartz IV-Regelsätze gelten?
Zudem wird ein Hauptproblem des Hartz IV-Regimes nicht grundsätzlich
angegangen: dass Erwerbslose erst dann eine Grundsicherung erhalten, wenn
sie bis auf geringfügige „Schonbeträge“ ihre gesamten finanziellen Reserv…
verzehrt haben.
Genau deswegen löst Hartz IV bei vielen Menschen eine derartige Angst aus,
weil ihnen nach dem Auslaufen des Arbeitslosengelds I droht, innerhalb
kurzer Zeit so gut wie alles zu verlieren, was sie sich erarbeitet haben –
bis hin zur Wohnung. Die SPD will diese Zeit nun etwas strecken. Innerhalb
von zwei Jahren solle in Zukunft Vermögen und Wohnungsgröße nicht überprüft
werden. Und was kommt danach?
Wolkiges zu Auslandseinsätzen
Ein anderes Beispiel: „Als die Friedenspartei in Deutschland setzen wir auf
Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung,
auf Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie internationale Zusammenarbeit“,
heißt es. Klingt gut, aber was bedeutet das konkret? Will die SPD endlich
die deutschen Soldat:innen aus Afghanistan abziehen oder einen der
anderen 12 Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden? Ist die SPD für oder
gegen [4][bewaffnete Drohnen]? Wie steht sie zum fatalen 2-Prozent-Ziel der
Nato? Man erfährt es nicht.
Ist der Entwurf schlecht, den die SPD-Führung vorgelegt hat? Nein, ist er
nicht. Aber er enthält zu viele Leerstellen, um wirklich überzeugend zu
wirken. Den größten Erklärungsbedarf gibt es jedoch in der Frage, mit wem
die SPD ihr „Zukunftsprogramm“ eigentlich umsetzen will.
Wer die Vermögenssteuer wieder in Kraft setzen, die Einkommenssteuer für
Spitzenverdiener:innen erhöhen, die steuerliche Abzugsfähigkeit von
Manager*innengehältern begrenzen und eine Finanztransaktionssteuer
einführen will, der wird das weder mit der Union noch gar mit der FDP
können. Falls es SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ernst meint, dann muss er
sich unzweideutig für eine Koalition mit den Grünen und der Linkspartei
aussprechen. Sonst bleibt es bei schönen Worten mit nichts dahinter.
1 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/inland/spd-wahlprogramm-109.html
[2] /Hartz-IV-in-Coronazeiten/!5723965
[3] /Wolfgang-Clement-gestorben/!5716814
[4] /Haltung-der-SPD-zu-bewaffneten-Drohnen/!5735151
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Wahlkampf
SPD
Hartz IV
Olaf Scholz
Schwerpunkt Armut
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Cum-Ex-Geschäfte
Hartz IV
Olaf Scholz
Reichtum
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