| # taz.de -- Russische Propagandavideos beim ORF: Schweigen und weitermachen | |
| > Der Österreichische Rundfunk steht in der Kritik wegen Verbreitung | |
| > prorussischer Inhalte. Bezeichnend ist der unsouveräne Umgang des ORF | |
| > damit. | |
| Bild: ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz (r.). in der ukrainischen Region … | |
| Zwei Propagandavideos brachten den österreichischen [1][ORF] Mitte August | |
| in Erklärungsbedarf. Der Beitrag „Korruption in der Ukraine“ in der | |
| Hauptnachrichtensendung „Zeit im Bild“ war mit gleich zwei Videos aus | |
| prorussischen Kanälen bebildert, die nichts mit dem Beitragsthema zu tun | |
| hatten. [2][Die taz berichtete] damals. | |
| Bezeichnender als der Fehler selbst ist jedoch die Art und Weise, wie der | |
| ORF damit umgeht. Zunächst reagierte das Medienhaus patzig: „Dem ORF | |
| russische Propaganda zu unterstellen, ist absurd und richtet sich von | |
| selbst“, erhielt die taz als Antwort. | |
| Erst nach breiter Kritik räumte das größte Medienhaus Österreichs die | |
| Verwendung falscher Videoaufnahmen in einer knappen Entschuldigung ein. Wie | |
| es zu dem Fehler kam, erklärte die Moderatorin nicht. Zusätzlich fehlte die | |
| Information, dass die Videos ein russisches Propagandamotiv – nämlich wie | |
| ukrainische Männer von angeblich korrupten Behörden in den Krieg gezwungen | |
| werden – transportieren. | |
| Wie konnte es dem ORF passieren, gleich zwei Propagandavideos in einem | |
| zweiminütigen Beitrag einzubauen? Warum fiel das auch in der Freigabe des | |
| Beitrags nicht auf? Wie will das Haus solche Fälle künftig verhindern? | |
| Mehrere taz-Anfragen an den ORF ließ dieser unbeantwortet. | |
| ## Kein Einzelfall | |
| Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. ORF-Korrespondent | |
| Christian Wehrschütz berichtet seit 2013 aus der Ukraine und fällt genauso | |
| lang durch die Verbreitung prorussischer Narrative auf. Bereits im Zuge der | |
| Euromaidan-Proteste betonte Wehrschütz vor allem die gewaltbereiten | |
| Demonstranten. Im Zuge des russischen Einfalls im Donbass 2014 sprach er | |
| von „Rebellenrepubliken“ und vermittelte das Bild eines Bürgerkriegs. | |
| Zum Fund von Massengräbern in Isjum im September 2022 sagte Wehrschütz, man | |
| müsse erst prüfen, ob es sich wirklich um tote Zivilisten handle. In einer | |
| [3][Cartoonsequenz auf seiner Facebook-Seite] legt er eine Kriegsschuld der | |
| Nato nahe. Am ukrainischen Unabhängigkeitstag vergangen Freitag postete er | |
| kommentarlos einen Telegraph-Artikel mit Untertitel: „Ein Sieg von Putin | |
| könnte in Sicht sein.“ | |
| Das journalistische Handwerk begann Wehrschütz in den 1980er Jahren bei der | |
| rechtsextremen Zeitschrift Aula, deren Chefredakteur er wurde. Sein | |
| allererstes Interview führte er mit dem Holocaustleugner David Irving. Die | |
| 1988 gegründete Tageszeitung Der Standard nannte er mit antisemitischer | |
| Anspielung einen „selbsternannten Gralshüter des politischen Liberalismus, | |
| der wohl mehr der Ostküsten-Mentalität der Vereinigten Staaten […] | |
| entsprechen dürfte“. | |
| ## Kritik einfach aussitzen | |
| Bis 2002 war Wehrschütz, damals schon jahrelang beim zur Objektivität | |
| verpflichteten ORF, FPÖ-Mitglied. 2018 verlor Wehrschütz seine | |
| Einreiseerlaubnis, unter anderem wegen „antiukrainischer | |
| Berichterstattung“. Erst auf Druck des FPÖ-geführten Außenministeriums | |
| erhielt er die Akkreditierung zurück. | |
| Etliche ORF-Mitarbeiter kritisieren Wehrschütz’ Berichterstattung, wenn | |
| auch nur hinter vorgehaltener Hand. Wegen seiner Kontakte in die ÖVP-nahe | |
| Generaldirektion und in die Spitzenpolitik sei er unantastbar. Tatsächlich | |
| rückten prompt Sprecher von Bundesheer und Bundeskanzleramt auf Twitter | |
| aus, um ihn zu verteidigen. Auch der halbe österreichische Medienbetrieb | |
| steht hinter ihm, [4][die Tiroler Tageszeitung] sprach zunächst von einem | |
| „Hoppala“ (änderte dann auf „Irrtum“). | |
| [5][In einem Interview] ebendort, auch anlässlich der aktuellen Kritik, | |
| behauptet Wehrschütz, die Ukraine würde absichtlich ihr eigenes | |
| Atomkraftwerk Saporischschja in Gefahr bringen: „Die Ukraine muss | |
| sozusagen den Westen bei der Stange halten.“ Die Aussage bleibt unbelegt. | |
| [6][Auch der Kurier sprang in die] Bresche und titelte: „Hut ab vor | |
| Christian Wehrschütz!“ Noch am 18. August erschien [7][ein | |
| „Krone-Leser]brief“ von Wehrschütz, Titel: „Habe keine prorussische | |
| Haltung.“ Die Kronen Zeitung ist die meistgelesene Zeitung des Landes. | |
| [8][Eine Woche später beteuerte er ebendort], sich „nicht abbringen zu | |
| lassen“. Im völlig unkritischen Interview schimpft er auf ukrainische | |
| Männer, die „sich der Einberufung durch Flucht ins Ausland entziehen“. | |
| Zu alldem schweigt der ORF, der offenbar einmal mehr die Kritik aussitzen | |
| will. | |
| 29 Aug 2023 | |
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| [1] /Tatort-aus-Wien/!5915391 | |
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| [3] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=491790782518442&set=pb.10005062… | |
| [4] https://www.tt.com/artikel/30862766/nach-wehrschuetz-irrtum-zum-umgang-mit-… | |
| [5] https://www.tt.com/artikel/30862763/orf-korrespondent-wehrschuetz-im-interv… | |
| [6] https://kurier.at/meinung/hut-ab-vor-christian-wehrschuetz/402563378 | |
| [7] https://www.krone.at/3089792 | |
| [8] https://www.krone.at/3096738 | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Bayer | |
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