| # taz.de -- Rundfunkgebühr gekoppelt an Inflation: Streng nach Plan | |
| > Der Rundfunkbeitrag soll in Zukunft automatisch ansteigen. Darauf haben | |
| > sich die Ministerpräsident*innen geeinigt. Was das für die Zahlenden | |
| > bedeutet. | |
| Bild: Mit der Inflation steigt auch die Rundfunkgebühr – so sieht es das „… | |
| Berlin taz | Vorbei ist es mit einem verworrenen politischen Verfahren, in | |
| Zukunft wird alles ein bisschen technischer, sachlicher. Der | |
| Rundfunkbeitrag soll ein für alle Mal festgelegt werden und dann immer | |
| automatisch mit der Inflation steigen. Bisher wird er alle vier Jahre aufs | |
| Neue ausgehandelt – zwischen Sendern und Ländern. Das soll dem sogenannten | |
| „Indexmodell“ weichen, verkündeten die Ministerpräsident*innen nach ihrem | |
| Treffen am Donnerstag in Berlin. | |
| Zu konkreten Beschlüssen über die Reform kam es zwar nicht, aber, sagte | |
| nach der Konferenz der Hamburger Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, | |
| der Index sei „überwiegender Gesprächsstand“, nur die „konkrete | |
| Ausgestaltung“ sei noch nicht klar. | |
| Dem Vernehmen nach planen die Länderchef*innen die Umstellung ab 2023. | |
| Beschlossene Sache soll die Reform jedoch möglichst noch vor diesem Herbst | |
| sein, um den Wahlergebnissen im Osten zuvorzukommen. Im September und | |
| Oktober werden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. | |
| Die Umfragen sehen die AfD in allen drei Ländern bei um die 20, in Sachsen | |
| sogar bei 25 Prozent. Das ist für die Rundfunkpolitik deswegen Grund zur | |
| Sorge, weil die AfD bekanntermaßen gerne gegen die Öffentlich-Rechtlichen | |
| polemisiert. | |
| Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 nannte die rechte Partei den | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk „zu teuer“ und „von der Politik dominier… | |
| Im Wahlprogramm für Sachsen steht als Forderung, dass der Rundfunkbeitrag | |
| abgeschafft und der Rundfunkstaatsvertrag gekündigt werden solle, um einen | |
| „freien Wettbewerb“ unter den Anbietern zu ermöglichen. | |
| „Rundfunkbeitrag abschaffen!“ ist hierzulande bisher vor allem eine Phrase, | |
| derer sich die völkische Rechte und zum Teil auch Neoliberale für ihre | |
| Anti-Staats-Rhetorik bedienen. Dass es so weit kommt, ist unwahrscheinlich. | |
| ## Der Druck steigt | |
| In Nachbarländern sieht das allerdings teils anders aus. Die [1][Schweiz] | |
| hätte voriges Jahr beinahe die Rundfunkgebühr per Volksentscheid | |
| abgeschafft, die [2][skandinavischen Länder] haben sie wenig später in eine | |
| Steuer umgewandelt. In [3][Österreich] wiederum spricht sich die FPÖ fürs | |
| Abschaffen aus. | |
| In Deutschland könnte die AfD das System des öffentlich-rechtlichen | |
| Rundfunks lahmlegen, wenn sie an einer Landesregierung beteiligt wird. Denn | |
| nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag braucht es Einstimmigkeit, um die | |
| monatliche Gebühr festzusetzen. Das Veto eines Bundeslands würde reichen, | |
| und ARD, ZDF und Deutschlandradio hätten erst mal keine Einnahmen mehr. | |
| Dieses Szenario gibt einer Reform Schub, die tatsächlich schon lange | |
| geplant war. Bisher setzen die Landeschef*innen die Höhe der | |
| Haushaltsabgabe alle vier Jahre fest, nach Empfehlung der Kommission zur | |
| Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die wiederum die | |
| Budgetpläne der Sendeanstalten sichtet. Die Länder wollen traditionell | |
| verhindern, dass der Beitrag allzu sehr ansteigt. Die Sender wollen | |
| hingegen nicht noch viel mehr sparen müssen, als sie es ohnehin schon tun. | |
| [4][Dieses Geschiebe] soll mit der Reform enden. Ein Interesse daran haben | |
| alle Beteiligten – und zwar schon vor dem Erfolg der AfD. Die Sender | |
| möchten bei der Planung nicht alle vier Jahre vor ihr Budget ein großes | |
| Fragezeichen machen müssen – und die Ministerpräsident*innen sind es leid, | |
| ihren Wähler*innen Gebührensteigungen vermitteln zu müssen. Das Indexmodell | |
| würde den Rundfunkbeitrag entpolitisieren. Und da setzte in der | |
| Vergangenheit auch die Kritik an. Denn eigentlich soll die Entscheidung, | |
| wie viel Geld für den Rundfunk gebraucht wird und wie viel Gebühr man den | |
| Zahlenden zumuten kann, Ergebnis eines demokratischen Prozesses sein und | |
| nicht eines Automatismus. | |
| ## Ein festes Budget | |
| Wenn die Indexierung kommt, bekommen die Sender, also das ZDF, das | |
| Deutschlandradio und die Anstalten der ARD, jeweils ein festes Budget. Das | |
| verschafft Planungssicherheit, was für die Sender von Vorteil ist, auch | |
| wenn sie sich gleichzeitig davon verabschieden können, dass sie jemals | |
| wieder mehr Einnahmen und Spielräume haben werden. | |
| Dazu kommt, dass die Sender nicht mehr alle vier Jahre einen monströsen | |
| Antrag schreiben müssten, in dem steht, was sie mit dem Gebührengeld so | |
| anzustellen gedenken. Stattdessen würde die KEF-Kommission nachträglich | |
| prüfen, ob die Sender ihrem Auftrag entsprechend die Kohle ausgegeben | |
| haben. In der KEF sitzen 16 von den Ländern entsandte Expert*innen. | |
| Die Zahlenden interessiert derweil vor allem, wie viel denn Rundfunk, TV | |
| und Digitalangebote sie nun bald kosten werden. Und um wie viel der Beitrag | |
| dann jährlich steigt. Darüber haben sich die Ministerpräsident*innen noch | |
| nicht geeinigt. Im Moment zahlt jeder Haushalt, der nicht befreit ist, | |
| 17,50 Euro im Monat. Viel höher werden die Länderchef*innen wohl nicht | |
| gehen wollen, allerdings lag der Beitrag vor ein paar Jahren schon mal bei | |
| 17,98 – so hoch könnten sie also zielen. | |
| Danach würde der Beitrag genauso ansteigen wie auch alle anderen Preise. | |
| Mit der Inflation also. Sprich: Der Beitrag bliebe faktisch, real, | |
| kaufkraftbereinigt für immer gleich. | |
| Wonach sich die automatische Steigung bemisst, ist noch unklar. Schon jetzt | |
| nimmt die KEF bei ihren Empfehlungen die Teuerungsrate im Bereich Rundfunk | |
| in den Blick. Für die Zahlenden wäre es aber besser, man nähme die | |
| allgemeine Teuerungsrate – die ist niedriger. Alternativ könnte man anstatt | |
| der Preis- aber auch die Lohnentwicklung zugrunde legen, oder die der | |
| Renten und Sozialhilfen. | |
| Beschlüsse zu all diesen Details bleiben die Ministerpräsident*innen | |
| schuldig. Dass es trotz Zeitdruck am Donnerstag keinen Beschluss gab, hat | |
| mit der FDP zu tun. Die regiert in den Ländern Schleswig-Holstein, | |
| Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit und hat Bedenken angemeldet, | |
| wie die Welt berichtet. | |
| Aus der FDP wird oft gefordert, die Öffentlich-Rechtlichen radikal zu | |
| verkleinern. Die Partei will noch größere Sparversprechen einfordern, bevor | |
| ein Beitrag ein für alle Mal festgesetzt wird. Ein Beschluss vor dem | |
| dräuenden Herbst könnte also eng werden. | |
| 7 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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