# taz.de -- Rettungseinsätze nach Marokko-Erdbeben: Gute Hilfe, schlechte Hilfe | |
> In Marokko läuft die Zeit aus, Verschüttete lebendig zu retten. Dennoch | |
> lässt das Land nur wenig Unterstützung rein. Aus politischen Gründen? | |
Bild: Kleinteilige Arbeit: In Amizmiz suchen Helfer am Sonntag nach verschütte… | |
BERLIN taz | Lange ließ sich Marokkos Führung Zeit. [1][Nachdem das | |
Erdbeben in der Nacht auf Samstag den Süden des Landes heimgesucht hatte], | |
vergingen fast zwei Tage, bevor Marokko einige der internationalen | |
Hilfsangebote akzeptierte. Etliche Länder hatten zu diesem Zeitpunkt ihre | |
Hilfe in Aussicht gestellt – zunächst ohne Antwort zu erhalten. | |
Mit Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten | |
sind es nun zwei arabische und zwei europäische Staaten, die helfen | |
„dürfen“. Als Erklärung für die Verzögerung und die enge Auswahl führte | |
Rabat eine „sorgfältigen Bewertung des Bedarfs vor Ort“ an. Man wolle | |
vermeiden, dass sich Hilfsteams gegenseitig im Weg stehen. | |
Mittlerweile haben Such- und Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien und | |
Katar ihren Einsatz im Erdbebengebiet aufgenommen. Großbritannien etwa ist | |
mit 60 Such- und Rettungsexperten vor Ort, um die Einsätze unter | |
marokkanischer Führung zu unterstützen. Eine Spezialeinheit des spanischen | |
Militärs beteiligt sich mit Suchhunden an Einsätzen; Katar brachte eigene | |
Fahrzeuge mit. | |
Dass wenig gut koordinierte Hilfe mehr wert ist als unkoordinierte Hilfe en | |
masse, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch verwunderte das | |
wählerische Verhalten Rabats vor dem Hintergrund, dass nach einem Erdbeben | |
jede Stunde zählt. [2][Die 72 Stunden nach einem Beben gelten als | |
wichtigstes Zeitfenster, um Verschüttete lebendig zu bergen.] | |
## Die Rolle des Westsahara-Konflikts | |
Frankreich, dessen Hilfsangebot bis Montagnachmittag nicht angenommen | |
wurde, wies Mutmaßungen zurück, dass politische Gründe dahinterstehen. | |
„Marokko hat keine Hilfsangebote ausgeschlagen“, sagte Außenministerin | |
Catherine Colonna am Montag. Auch ein Sprecher der deutschen | |
Bundesregierung verlautete: „Politische Gründe kann man hier ausschließen.�… | |
Beobachter*innen erklären sich die Sache indes nicht ganz so | |
unpolitisch. Isabelle Werenfels von der Stiftung Wissenschaft und Politik | |
in Berlin sieht Marokkos Auswahl der Partnerländer unter anderem vor dem | |
Hintergrund des Konflikts um die Westsahara. | |
In diesen ist in vergangener Zeit Bewegung gekommen. Während die | |
internationale Gemeinschaft die marokkanische Annexion der Westsahara in | |
den 1970er Jahren bis heute nicht anerkennt, [3][machten die USA unter | |
Ex-Präsident Donald Trump 2020 eine historische Kehrtwende und anerkannten | |
die Souveränität Marokkos.] Im Gegenzug erklärte sich Rabat bereit, seine | |
Beziehungen mit Israel zu normalisieren – ein klassischer Trump-Deal. | |
[4][Israel folgte in diesem Jahr dem US-Beispiel.] | |
## Spanien schwenkt ein | |
Während Länder wie Deutschland und Frankreich an ihrer Position festhalten, | |
hat sich auch Spanien in der Westsahara-Frage jüngst der marokkanischen | |
Position angenähert. Letztes Jahr schrieb Spaniens Regierungschef dem | |
marokkanischen König einen Brief, in dem es hieß: „Spanien betrachtet den | |
marokkanischen Vorschlag für eine Autonomie (unter marokkanischer | |
Herrschaft, d. Red.) als den ernsthaftesten, glaubwürdigsten und | |
realistischsten zur Lösung dieses Streits.“ | |
„Spanien ist in der Westsahara-Frage auf die marokkanische Linie | |
eingeschwenkt“, antwortet Werenfels auf die Frage, warum Marokko das | |
spanische Hilfsangebot – im Gegensatz etwa zum deutschen oder französischen | |
– akzeptierte. Die Auswahl der vier Staaten sieht sie als „Signale an | |
wichtige Partner“ Marokkos und spricht im Umkehrschluss von „einem | |
unmissverständlichen Zeichen an den Rest der Europäer und an die EU“. | |
## Frankreich wendete sich dem Gegenspieler Algerien zu | |
Besonders zwischen Frankreich und Marokko herrsche eine Krise, sagt | |
Werenfels. Marokko habe seit Januar keinen Botschafter mehr in Paris. | |
[5][Macron hatte sich zuletzt um engen Kontakt zu Marokkos Gegenspieler | |
Algerien bemüht]. Letztes Jahr besuchte er drei Tage lang das Land, das | |
aktiv die Unabhängigkeitsbewegung Polisario in der Westsahara unterstützt. | |
Von einer „neuen Ära“ der Beziehungen sprach Macron. | |
Was die anderen drei ausgewählten Staaten betrifft, so haben diese wie | |
Spanien besondere Beziehungen zu Marokko. Die Emirate seien vor allem in | |
Fragen der Sicherheitskooperation „ein wichtiger Partner für Marokko“, sagt | |
Werenfels. Zudem waren die Emirate 2020 das erste arabische Land, das eine | |
diplomatische Vertretung in der marokkanisch kontrollierten Westsahara | |
eröffnete – was Marokkos Außenminister unverblümt als „Anerkennung der | |
marokkanischen Identität“ der Westsahara wertete. | |
Katar sei in der marokkanischen Bevölkerung beliebt. Unter anderem pflege | |
der Staat gute Beziehungen zur islamistischen Oppositionspartei PJD. | |
Großbritannien dagegen habe sie mehr überrascht, sagt Werenfels, weil das | |
Land in der Westsahara-Frage nicht wie Spanien umgeschwenkt sei. Allerdings | |
seien die Briten pragmatischer als andere Staaten, was mögliche | |
Investitionen in dem Gebiet betreffe. | |
11 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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