| # taz.de -- Europäische Flüchtlingspolitik: Aufbau statt Abschottung | |
| > Nicht 8.000 Menschen sind in Not, sondern 8 Millionen suchen nach | |
| > sicheren Orten. In Europa wie auch in Afrika wird ihre Arbeitskraft | |
| > gebraucht. | |
| Bild: Migranten auf Lampedusa werden von der EU nur als Problemfall behandelt | |
| Afrika kollabiert. In Libyen spülen Überschwemmungen eine halbe Stadt ins | |
| Meer, Zehntausende ertrinken. In Marokko kracht der Hohe Atlas in einem | |
| schweren Erdbeben zusammen und verschüttet Dörfer mit Tausenden Menschen. | |
| Weiter südlich sorgen Militärputsche für regionale Spannungen und | |
| Instabilität, die Wirtschaft liegt brach. Sudans neuer Krieg hat die | |
| aktuell größte Flüchtlingskrise der Welt hervorgerufen, die Opfer finden in | |
| keinem Nachbarland dauerhaften Schutz. | |
| Die neue [1][Flüchtlingskrise auf Lampedusa] sorgt in Europa für hektische | |
| Reaktionen. Doch was sind 8.000 Boat People gegen 8 Millionen Flüchtlinge | |
| und Vertriebene in der gesamten Region von [2][Sudan] bis Mali? Man kann | |
| nicht in Europa den Notstand ausrufen und den tausendfach größeren Notstand | |
| in Afrika ignorieren, an dem weder EU-Kriegsschiffe vor Libyen noch | |
| [3][EU-Finanzhilfen für Tunesien] irgendetwas ändern werden. Die Menschen, | |
| die jetzt aus Afrika fliehen, haben keine andere Wahl. | |
| In Nordafrika zu bleiben, ist angesichts der zunehmend migrantenfeindlichen | |
| Stimmung und der wachsenden wirtschaftlichen Not keine realistische Option | |
| mehr. Ein Zurück gibt es nicht, außer mit unmenschlichen Deportationen in | |
| die Wüste. Nur der Weg nach vorn bleibt, aber in Europa will sie niemand. | |
| Um die Boote zu stoppen, setzt die EU auf Tunesien, dessen autoritärer | |
| Präsident noch in diesem Jahr Pogrome gegen Schwarze ermutigte. | |
| Tunesien ist heute ein Land, aus dem Afrikaner fliehen müssen, nicht eines, | |
| in das man sie zurückschickt. Die europäische Politik agiert, als könne sie | |
| quer durch das Mittelmeer eine Art Mauer bauen und so den hungrigen Süden | |
| vom übersättigten Norden dauerhaft fernhalten. Aber Meer trennt nicht, es | |
| verbindet. Gerade der Mittelmeerraum lebt seit dem Altertum vom freien | |
| Austausch zwischen Nord und Süd, die Grundlage der gesamten menschlichen | |
| Zivilisation. | |
| ## Arbeit gäbe es genug | |
| Europa bezahlt heute afrikanische Regierungen dafür, Migration zu | |
| verhindern, anstatt afrikanische Migranten dafür zu bezahlen, etwas | |
| Sinnvolles zu tun. Alle europäischen Länder klagen über | |
| [4][Fachkräftemangel]. Doch wehe dem jungen Mann aus Guinea oder Nigeria, | |
| der selbstständig in Europa Arbeit sucht: Er wird als Illegaler abgewiesen | |
| oder illegal ausgebeutet. In Nordafrika selbst gäbe es noch viel mehr zu | |
| tun. | |
| Vom marokkanischen Marrakesch bis [5][zum libyschen Derna] steht ein | |
| großangelegter Wiederaufbau an, der gesamte Maghreb benötigt dringend | |
| Investitionen für ein menschenwürdiges Leben. Die Arbeitssuchenden sind da, | |
| die Arbeit wartet. Afrika hat die Menschen, Europa das Geld. Man muss nur | |
| noch beides zusammenführen. | |
| 17 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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