| # taz.de -- Erdbeben in Marokko: Im Stau ins Katastrophengebiet | |
| > In Marokko haben Helfer noch immer nicht alle Bergdörfer im Atlasgebirge | |
| > erreicht. In Teilen von Marrakesch kehrt derweil wieder der Alltag ein. | |
| Bild: Hilfsgüterverteilung in Talat N'Yaaqoub in Marokko am 12. September | |
| Marrakesch taz | Das Erdbeben hat vor allem die Armen getroffen, jene | |
| Marokkaner in den weit von den urbanen Zentren entfernten Regionen | |
| Marokkos. Die engen Bergstraßen, die in die Dörfer im Hohen Atlas führen, | |
| sind selbst für die mit Wasser und Notrationen beladenen Armeetransporter | |
| eine Herausforderung. Nur im Schneckentempo kriechen sie um die engen | |
| Kurven, vorbei an Geröll und Steinbrocken. | |
| Doch noch etwas erschwert das Vorankommen: Stoßstange an Stoßstange | |
| versperren Privatautos den Weg. Sie sind voll beladen mit Spenden aus allen | |
| Landesteilen. [1][Nachdem in der Nacht auf Samstag die Erde bebte], | |
| überspülte eine Welle der Solidarität das Land. Soldaten versuchen nun, | |
| Ordnung in das Chaos zu bringen. | |
| Am stärksten getroffen hat es offenbar die Dörfer in der Provinz Al-Haouz | |
| südlich der bei Touristen beliebten Stadt Marrakesch. In viele Bergdörfer | |
| haben es die Rettungskräfte allerdings noch gar nicht geschafft. | |
| „Je höher wir kommen, desto größer und grausamer sind die Folgen des | |
| Bebens“, sagt ein von den letzten Tagen sichtlich gezeichneter | |
| Armeeoffizier der taz, während er einen mit Trinkwasser beladenen | |
| Armeelastwagen am Stau vorbeidirigiert. Ausländische Helfer hätten hier | |
| tagelang im Stau gesteckt, erzählt er. Die Frustration über die schleppende | |
| Hilfe ist ihm deutlich anzumerken. | |
| Die Zahl der bislang registrierten mehr als 2.800 Toten und 3.000 | |
| Verletzten steigt derweil noch täglich an. | |
| Im Gegensatz zu den Bergdörfern ist Marrakesch in weiten Teilen verschont | |
| geblieben. In der Innenstadt erinnern nur die in Richtung Atlas fahrenden | |
| Lastwagenkonvois an die Tragödie. Die Schaufenster der Modeläden und die | |
| Fast-Food-Restaurants werden für die Touristen, die zahlreich in der Stadt | |
| geblieben sind, wieder poliert. | |
| Gegensatz zweier Welten | |
| Doch der Schein der modernen Innenstadt trügt, wie ein Besuch der Medina, | |
| der Altstadt Marrakeschs, zeigt. Auf dem zentralen Platz Dschemaa el-Fna, | |
| auf den ein Minarett einer historischen Moschee herabstürzte, wird auch am | |
| Dienstagmittag noch mit Händen und schwerem Gerät nach Verschütteten | |
| gegraben. Eine Überlebenschance haben sie allerdings kaum noch. Freiwillige | |
| kommen mit Tüten voller Lebensmittel, Decken und Medikamenten auf den | |
| Platz. Der Gegensatz der zwei Welten in Marrakesch könnte größer kaum sein. | |
| „Ich dachte, ein Flugzeug sei abgestürzt“, sagt Mohammed Lagar, ein | |
| Kioskbesitzer. Sein Laden befindet sich in einer schmalen Gasse, die vom | |
| Platz in das Labyrinth der Altstadthäuser führt. Feuerwehrleute graben nach | |
| seinen Nachbarn, die unter einer zwei Meter hohen Schicht von Ziegeln und | |
| Steinen liegen könnten. „Ich habe sie seit Freitag nicht mehr gesehen. | |
| Vielleicht sind sie in einem Krankenhaus“, sagt er und schaut auf den | |
| Trümmerberg.Dass sie tatsächlich unter den vielen Verletzten in Marokkos | |
| Krankenhäusern sind, scheint er allerdings selbst nicht zu glauben. | |
| Auf dem Dschemaa el-Fna schlafen auch vier Tage nach dem Beben noch | |
| Hunderte Familien aus Angst vor Nachbeben, aber auch, weil sie alles | |
| verloren haben. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, denn Geld für | |
| einen Wiederaufbau habe ich nicht“, sagt die 75-jährige Fatima, deren | |
| Familie am Nachmittag aus Casablanca kommen und sie zu sich holen will. | |
| „Die Moschee und die Medina sind doch das Herz des Landes, unsere | |
| Identität“, sagt sie und weint. Auch einige ihrer Nachbarn sind unter den | |
| Vermissten. | |
| 100.000 Kinder betroffen | |
| Der Einsatzleiter eines britischen Hilfstrupps warnte im britischen Sender | |
| BBC derweil vor dem steigenden Risiko von Krankheiten, wenn sich die Hilfe | |
| weiter verzögere. Laut UN-Kinderhilfswerks Unicef sind etwa 100.000 Kinder | |
| von der Katastrophe betroffen. | |
| Die marokkanische Regierung steht unter wachsendem Druck, mehr | |
| internationale Hilfe ins Land zu lassen. [2][Bisher hat Marokko nur aus | |
| vier Ländern Hilfstrupps akzeptiert: aus Spanien, Großbritannien, Katar und | |
| den Vereinigten Arabischen Emiraten]. Gerechtfertigt wurde das damit, dass | |
| es zu chaotisch wäre, wenn Teams aus aller Welt in Marokko eintreffen | |
| würden. Auch Deutschland bot erneut Hilfe an. Bislang zeigte Rabat daran | |
| jedoch kein Interesse. (mit dpa) | |
| 12 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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