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# taz.de -- Repression in Tunesien: Ein Jahr Haft für Oppositionsführer
> Der Ex-Parlamentssprecher Ghannouchi ist seit April im Gefängnis. Da soll
> er nun noch ein Jahr bleiben, , wegen einer Rede bei einer Beerdigung.
Bild: Protest für Ghannouchi vor dem Gerichtsgebäude in Tunis, im Februar
Tunis taz | In Tunesien ist der ehemalige Oppositionsführer Rached
Ghannouchi am Montag wegen „Glorifizerung von Terrorismus“ und
Beamtenbeleidigung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt
worden. Ghannouchis Anwältin Monia Bouali berichtete der Nachrichtenagentur
Reuters, das Urteil sei in Abwesenheit verhängt worden. Der Vorsitzende der
moderat-islamistischen Ennahda-Partei war bis zu dem Putsch von Präsident
Kais Saied 2021 Parlamentssprecher.
[1][Ghannouchi sitzt seit April im Gefängnis]. Er hatte bei einem Treffen
von Gegnern von Saieds Machtapparat vor Gewalt gewarnt, sollte die
Opposition weiter vom politischen Leben in Tunesien ausgeschlossen werden.
Das Urteil bezieht sich jedoch auf eine Beerdigungsrede im Februar letzten
Jahres, bei der er beleidigende Begriffe gegen Polizeibeamte benutzte. 30
weitere Oppositionelle sitzen derzeit in Untersuchungshaft.
Auch die Medien geraten zunehmend ins Visier der tunesischen Justiz. Am
Dienstagmittag wurde der Reporter Khalifa Guesmi zu einer fünfjährigen
Gefängnisstrafe verurteilt. Der Angestellte des populären Radio-Senders
hatte nicht wie von der Polizei gefordert die Namen von Informanten einer
Reportage preisgegeben. Guesmi hatte über die Umstände der Zerschlagung
einer terroristischen Gruppe durch die Sicherheitskräfte berichtet.
Auch Nouredinne Boutar, der Chef von Mosaique FM, sitzt seit dem 13.
Februar im Gefängnis. Ihm wird nach Angaben von Journalisten des Senders
die Organisation einer Verschwörung gegen Kais Saied vorgeworfen.
## Heimlicher Kampf gegen Assad
Mit den jüngsten Entwicklungen ist die kritische Öffentlichkeit wie auch
die Opposition gegen den auch international für seine autokratischen
Maßnahmen kritisierten Saied weitgehend ausgeschaltet.
Am 25. Juli 2021 hatte Saied das [2][Parlament beurlaubt] und später
aufgelöst. Auch die [3][Regierung] wurde im Herbst 2021 durch die von Saied
persönlich bestimmte Premierministerin Najla Bouden neu zusammengestellt.
Die Verfassung ließ Saied schließlich durch eine von ihm geschriebene
Version per Volksabstimmung ersetzen.
Die erste Parlamentswahl nach der Revolution von 2011, in der Diktator Ben
Ali gestürzt wurde, hatte Ennahda mit 37 Prozent der Stimmen zur
einflussreichsten politischen Bewegung gemacht. Doch schon vor 2021 hatten
Ghannouchi und seine moderaten Islamisten an Popularität eingebüßt.
Am Abend von Saieds Putsch waren Tausende Tunesier für die drakonischen
Maßnahmen Saieds auf die Straßen gegangen. Vielerorts brannten
Ennahda-Büros. Denn auch Ghannouchis Bewegung, die vor 2011 verboten war,
hatte die Hoffnung vieler Tunesier auf ein Ende der Korruption nicht
erfüllt, dafür aber heimlich Tunesier in den Kampf gegen das Assad-Regime
nach Syrien geschickt.
## Druck vom Internationalen Währungsfonds
„Bürokraten in der Gemeindeverwaltung und Funktionäre wurden mit Beweisen
für ihre Korruption zu Zeiten des Ben-Ali-Regimes erpresst“, sagt der
Aktivist Zied Bouazizi. „Ennahda-Funktionäre boten ihnen an, sich der
Bewegung anzuschließen und straffrei davonzukommen.“
Schon bevor Saied 2019 zum Präsidenten gewählt wurde, hatte er die nach
2011 entstandenen Parteien als Lobbyorganisationen reicher Geschäftsleute
bezeichnet. Im Wahlkampf kündigte er den Umbau der im Ausland gelobten
tunesischen Demokratie an. Seit Februar tagt nun ein [4][neues Parlament],
dem nur Parlamentarier ohne Parteibuch angehören. Doch die Wahlgänge im
vergangenen Dezember und Februar, bei denen sich weniger als 12 Prozent der
Wahlberechtigten beteiligten, zeigen, dass auch Saieds Popularität
schwindet.
Saied hatte behauptet, korrupte Geschäftsleute hätten dem Staat Steuern in
Höhe von 150 Millionen Euro vorenthalten. Er forderte Steuersünder auf,
diese Gelder in Armengegenden zu investieren, und versprach ihnen im
Gegenzug Straffreiheit.
Doch von den Geldern haben die Tunesier bislang nichts gesehen, ebenso
wenig ist der dringend erwartete Kredit des Internationalen Währungsfonds
(IWF) geflossen. Deutschland, Frankreich und mehrere Golfstaaten sind aber
nur bereit, Tunesien vor einem Bankrott zu retten, sollten die vom IWF
geforderten Reformen umgesetzt werden. Nach dem geforderten Abbau der
Subventionen für Lebensmittel fürchtet Saied nun Straßenproteste.
16 May 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Tunesien
Kais Saied
Ennahda-Partei
Opposition
Politische Justiz
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Protest
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