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# taz.de -- Präsident Saied rechnet mit Gegnern ab: Tunesiens Justiz lädt vor
> Der tunesische Präsident Kais Saied lässt die Justiz die Zügel anziehen.
> Mehrere Politiker müssen vor Gericht, darunter zwei frühere
> Regierungschefs.
Bild: Bei vielen trotz autokratischer Züge beliebt: Tunesiens Präsident Kais …
Tunis taz | Tunesiens Justiz rollt alte Ermittlungsverfahren neu auf,
nachdem Präsident Kais Saied im vergangenen Sommer der politischen Elite
die Kontrolle über die Justiz genommen hat. Wegen verbotener Wahlwerbung,
Verletzung des Wahlgeheimnisses oder der Annahme von illegalen
Parteispenden aus dem Ausland müssen sich 19 teils hochrangige Vertreter
verschiedener Parteien vor der Strafkammer in Tunis verantworten. Die
Verfahren sollen am 19. Januar beginnen. Die Justiz hatte monatelang gegen
mehrere Abgeordnete und Politiker ermittelt.
Unter den Angeklagten sind die ehemaligen Regierungschefs Youssef Chahed
und Elyes Fakhfakh, der Medienmogul und ehemalige Präsidentschaftskandidat
Nabil Karoui sowie Rached Ghannouchi, der Chef der moderaten
Islamistenpartei Ennahda und Präsident des im Juli suspendierten
Parlaments.
[1][Saied hatte mithilfe eines Notstandsartikels sowohl das Parlament als
auch die Regierung abgesetzt.] Mehr als zwei Monate später vereidigte Saied
zwar eine neue Regierung, das Parlament bleibt aber suspendiert. Bis zu der
für Dezember 2022 geplanten Neuwahl könnte er sich diese Machtkonzentration
zunutze machen – und mit seinen politischen Gegnern abrechnen.
Ghannouchi hatte von Saied immer wieder die Wiedereinsetzung des Parlaments
gefordert. [2][Da dieser weiter landesweit massive Unterstützung genießt],
gibt sich Ghannouchi aber zum Dialog bereit. Die auch unter den
demokratischen Parteien allgegenwärtige Vetternwirtschaft spielt Präsident
Saied in die Hände. Gegen Nabil Karoui etwa wird bereits seit mehreren
Jahren wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche ermittelt. Den
Präsidentschaftswahlkampf 2019 bestritt er hinter Gittern.
Nach seinem Putsch hatte Saied zudem angeordnet, dass alle, die den Staat
seit 2011 um Steuern gebracht haben, das Geld in Form von Investitionen in
ärmeren Landesteilen zurückzahlen müssen. Viele, die während der
24-jährigen Herrschaft des Ex-Diktators Ben Ali zu Geld gekommen sind, aber
auch Vertreter der islamistischen Szene trauen sich angeblich nicht mehr,
das Land zu verlassen. Saied habe ein informelles Reiseverbot verhängt.
Mehrere Geschäftsleute berichteten der taz, dass Grenzbeamte am Flughafen
Tunis sie an der Ausreise gehindert hätten.
## Verfahren gegen politische Gegner
Die Schockwelle, die Saied durch die wohlhabenden Vororte der Hauptstadt
geschickt hat, war jedoch nur die Vorbereitung eines noch größeren Schlags
gegen die „Verräter am tunesischen Volk“, wie er seine Gegner mehrmals
öffentlich bezeichnete.
Nach [3][Angaben] der Zeitung Assabah hat ein Staatsanwalt der
Anti-Terror-Abteilung am Freitag die Polizei angewiesen, Ghannouchi
vorzuladen. Die Journalisten wollen aus Sicherheitskreisen gehört haben,
dass es um die Herkunft des Privatvermögens geht, das der 2011 aus dem Exil
in London zurückgehrte Ennahda-Chef angehäuft haben soll.
Auch den ehemaligen [4][Justizminister Noureddine Bhiri hat es erwischt]:
Er sitzt wegen der angeblichen Fälschung von Reisepässen und der
Unterstützung eines radikalen Netzwerkes seit letzter Woche im Hausarrest.
Die Internationale Organisation gegen Folter, OMCT, kritisiert das Vorgehen
der Behörden, etwa gegen Bhiri: „Nach tunesischen Strafgesetzen gilt das
als Entführung und Gefangennahme.“ Politische Beobachter glauben, dass nun
auch die bisher geheimen Ermittlungsakten der unaufgeklärten Morde an
politischen Aktivisten aus dem Jahr 2013 geöffnet werden.
Gewählt wurde Saied 2019 auch wegen dieses Konfrontationskurses gegen die
politische Elite. Er wettert gegen „korrupte politische Parteien“, die
Tunesien aus seiner Sicht nur im Eigeninteresse regieren. [5][Per
Verfassungsreform im kommenden Juli will er nun eine Art Basisdemokratie
schaffen.] Bis Ende März sind die Bürger und Bürgerinnen aufgerufen, Ideen
und Vorschläge für ein neues politisches System online einzubringen.
11 Jan 2022
## LINKS
[1] /Krise-in-Tunesien-eskaliert/!5789085
[2] /Tunesiens-Praesident-Kais-Saied/!5791874
[3] https://www.assabahnews.tn/ar/%D8%AA%D9%88%D9%86%D8%B3/20954-%D8%A7%D8%B3%D…
[4] /Politische-Krise-in-Tunesien/!5823401
[5] /Tunesien-nach-dem-Putsch/!5822385
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Tunesien
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