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# taz.de -- Tunesiens Präsident Kais Saied: Den Kontrolleuren an den Kragen
> Tunesiens Präsident hat den Obersten Justizrat des Landes aufgelöst.
> Letztes Jahr war er schon gegen Parlament und Regierung vorgegangen.
Bild: Tunis, 06. 02., Protest am Jahrestag der Ermordung des Politikers und Enn…
Tunis taz | Tunesiens Präsident Kais Saied hat angekündigt, den Obersten
Justizrat des Landes aufzulösen. Die Aufsichtsbehörde, die die
Unabhängigkeit der Justiz überwachen sollte, gehöre der Vergangenheit an,
sagte er in einem am Sonntag auf Facebook veröffentlichten Video. Seit
seiner Wahl 2019 hat Saied den Richtern immer wieder selbstherrliche
Entscheidungen gegen die Interessen des Staats vorgeworfen. Verfahren
gegen korrupte Politiker und Geschäftsleute seien von der Justiz behindert
oder von politischen Parteien beeinflusst worden, bekräftigte er.
Nachdem Saied [1][am 25. Juli vergangenen Jahres das Parlament suspendierte
und die Regierung absetzte], hat er auch Dutzende Gouverneure und leitende
Beamte aus den Ministerien und den Justizbehörden entlassen. Vor allem im
Innenministerium hatten seit 2011 politische Parteien wie die moderaten
Islamisten der Partei Ennahda ihre Gefolgsleute platziert. Saieds
Entlassungswelle gilt vor allem Ennahda-Funktionären. Deren Nähe zu
radikalen Gruppen und Terrorzellen wurde im Präsidentenpalast immer wieder
als Rechtfertigung für die autoritären Maßnahmen der letzten Monate
angeführt.
Für die Ankündigung der Auflösung des Justizrats wählte Saied den Vorabend
eines symbolischen Jahrestags: Am 6. Februar 2013 wurde der populäre linke
Politiker und Ennahda-Gegner [2][Shokri Belaid von Unbekannten erschossen].
Als wenige Monate später mit Mohammed Brahmi ein weiterer Anführer der
Revolution von 2011 starb, führten spontane Massenproteste gegen Ennahda
fast zu einem Bürgerkrieg. Den Jahrestag des Mordes an Brahmi hatte Saied
letztes Jahr für seinen Putsch gegen das Parlament und die damalige
Regierung gewählt.
Nachdem er die angebliche Unterwanderung der staatlichen Institutionen
beendet habe, sei nun die Justiz an der Reihe, kritisieren Aktivisten wie
Selim Kharat: „Umgeben von Sicherheitsbeamten verkündet der Präsident das
Ende der Justizkontrolle. Die einzigen Institutionen, die er nicht auflösen
will, sind Polizei und Militär. Sein Projekt nimmt langsam Gestalt an.“
## Justiz als rechtsfreier Raum
Saied hat geschickt ausgenutzt, dass sich die seit Juli nicht mehr tagenden
Parlamentarier nicht auf ein Verfassungsgericht einigen konnten. Dieses war
zwar mit der Verfassung 2014 beschlossen, aber von den notorisch
zerstrittenen Parteien nie eingesetzt worden. Auch viele Bürger erleben die
Justiz als rechtsfreien Raum. „Es gibt praktisch kein Gerichtsurteil, das
man nicht mit Geldzahlungen zu seinen Gunsten verändern kann“, bestätigt
ein in Tunesien lebender deutscher Geschäftsmann.
Getragen von der Wut auf die faktische Immunität von korrupten
Geschäftsleuten und Staatsbeamten verhängte Saied letzten Sommer ein
Reiseverbot und Hausarrest über von der Justiz verschonte Angeklagte. Nicht
gezahlte Steuern sollten die Geschäftsleute im Austausch für Straffreiheit
in armen Teilen Tunesiens investieren, verkündete er.
Doch weil er bisher keine seiner Reformideen umsetzen konnte, wächst auch
in den eigenen Reihen die Kritik. Im Januar schmiss Saieds langjährige
Beraterin Nadia Akasha hin. Im Juli will Saied über eine Verfassungsreform
abstimmen lassen. Ende des Jahres soll das Parlament neu gewählt werden.
7 Feb 2022
## LINKS
[1] /Krise-in-Tunesien-eskaliert/!5789085
[2] /Protest-in-Tunesien/!5073774
## AUTOREN
Mirco Keilberth
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