# taz.de -- Rehe verhindern Waldumbau in Brandenburg: Schießt doch endlich! | |
> Brandenburgs Kiefernwälder brennen. Helfen würde der Waldumbau, doch der | |
> kommt nicht voran. Denn die Jäger verhindern ein modernes Jagdgesetz. | |
Bild: Bambi frisst die Hälfte aller Jungtriebe von Laubbäumen | |
GRUNOW taz | Voller Reportagen ist der Blätterwald derzeit über tapfere | |
Feuerwehrleute, die in Brandenburg unermüdlich gegen die Flammen kämpfen. | |
Gegenwärtig noch immer in Falkenberg im Landkreis Elbe-Elster. Auf 500 | |
Hektar ging die Feuerwehr auch am Sonntag gegen Glutnester vor. Die so | |
genannte [1][„Großschadenslage“ bleibt bestehen]. Damit ist es möglich, | |
Einsatzkräfte aus anderen Gebieten um Unterstützung zu bitten. Zuvor | |
brannte es in Beelitz, in Lieberose, in Treuenbrietzen. | |
Seit Beginn der Saison hat es in Brandenburg bereits 362 Waldbrände auf | |
einer Fläche von 920 Hektar gegeben. Das sagte der stellvertretende | |
Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Philipp Haase, am Donnerstag vor | |
einer Woche der dpa. Damit hat sich die Zahl der Brände im Vergleich zum | |
gesamten Vorjahr schon mehr als verdoppelt – 2021 waren es insgesamt 157. | |
Ein Jahr zuvor sind 287 Brände registriert worden. | |
In Treuenbrietzen vernichtete der jüngste Waldbrand auch die Triebe der | |
jungen Bäume, die dort seit dem Brand 2018 hochgekommen waren. Die Flächen | |
gehören zum „Laborwald“, mit dem Pierre Ibisch von der Hochschule für | |
Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) herausfinden will, wie die | |
Wälder der Zukunft aussehen sollen. Hitzeresistentere Wälder also, die auch | |
nicht so schnell ein Raub der Flammen werden. | |
[2][„Pyrophob“] heißt das Projekt, an dem auch die HNEE beteiligt ist, | |
derzeit ist es in aller Munde. Denn Waldumbau ist das Gebot der Stunde. | |
Anders als bei Kiefernforsten ist die Temperatur im Mischwald geringer, es | |
ist feuchter, das Feuer kann sich nicht so schnell ausbreiten. | |
## Die Rehe sind schuld | |
Warum aber spricht keiner über die natürlichen Feinde eines Mischwaldes? | |
Warum zeigt keiner auf Rehe und Hirsche, die die Triebe der jungen Buchen | |
und Eichen wegfressen und dem Waldumbau den Garaus machen? Auch „Bambi“ ist | |
schuld, dass Brandenburgs „Wälder“ noch zu 70 Prozent aus Kiefern bestehen. | |
Denn nirgendwo in Deutschland werden so viele Jungtriebe weggeknabbert wie | |
in Brandenburg. „Über fünfzig Prozent der gepflanzten Bäumchen werden | |
verbissen, ungezählte werden komplett aufgefressen“, sagte | |
[3][Umweltminister Axel Vogel (Grüne)] im März und machte eine klare | |
Ansage: „Die Wildbestände müssen angepasst werden, damit unsere Wälder eine | |
Zukunft haben.“ | |
Wer von Waldbränden und Waldumbau spricht, darf vom [4][Jagdgesetz] also | |
nicht schweigen. Das weiß natürlich auch Axel Vogel, der im Frühjahr einen | |
Entwurf zur Novelle des Landesjagdgesetzes vorgelegt hat. Sein Kern: | |
Künftig sollen Waldeigentümer auch jagen dürfen, wenn ihre Flächen weniger | |
als 150 Hektar groß sind. | |
Dass sich manche an dieser Stelle die Augen reiben, hat auch damit zu tun, | |
dass die jagdlichen Gepflogenheiten hierzulande nicht gerne öffentlich | |
thematisiert werden. | |
Axel Vogel hat es getan. Tatsächlich ist es Waldbesitzern, die weniger als | |
150 Hektar Fläche ihr eigen nennen, verboten, selbst auf Jagd zu gehen. | |
Stattdessen müssen sie sich so genannten Jagdgenossenschaften anschließen, | |
die das Jagdrecht anschließend verpachten. Diesen Jagdpächtern aber geht es | |
meist nicht so sehr um den Wald und den Waldumbau, sondern vielmehr darum, | |
möglichst viele Trophäen zu schießen. Eine deutliche Reduzierung des | |
Wildtierbestandes würde dem entgegenstehen. | |
„Wald vor Wild“, lautet deshalb die Parole von Grünen, Umweltschützern, | |
aber auch von Verbänden wie dem Ökologischen Jagdverein Berlin-Brandenburg. | |
„Wald vor Wild“ war auch der Gedanke der Gesetzesnovelle von Axel Vogel. | |
Denn die bisherige Mindestfläche von 150 Hektar für die Eigenjagd schloss | |
99 Prozent der Waldbesitzerinnen aus. Eine Reduzierung auf zehn Hektar, wie | |
sie der Entwurf vorgesehen hat, hätte immerhin sieben Prozent der | |
Waldbesitzer erlaubt, selbst auf Pirsch zu gehen und die Waldverjüngung zu | |
unterstützen. | |
Denn im Wald zählt jeder Schuss. Die Zeiten, in denen Waldumbauflächen | |
eingezäunt wurden, um sie vor Verbiss zu schützen, sind vorbei. Zu teuer. | |
Ohne Zäune aber funktioniert der Waldumbau nur, wenn die Wildbestände | |
drastisch reduziert werden. „Wald vor Wild“ müsste deshalb präziser heiß… | |
Je weniger Wild es gibt, desto mehr richtiger Wald kann wachsen, und der | |
brennt dann auch nicht einfach so ab. | |
## Entwurf zurückgezogen | |
Doch Axel Vogel hat die Rechnung ohne die Jäger und ihre Lobby gemacht. | |
„Wildtierfeindlich“ sei der Entwurf des neuen Jagdgesetzes, kritisierten | |
sechs Verbände im April und ein „grober Verstoß“ gegen das | |
Tierschutzgesetz. So lautstark war der Protest, dem sich schließlich auch | |
die CDU anschloss, dass Vogel seinen Gesetzentwurf im Mai zurückziehen | |
musste. Auch im Brandenburger Kabinett, weiß man inzwischen, sitzen | |
passionierte Jäger. | |
Nun soll ein neuer Entwurf nach der Sommerpause eingebracht werden, heißt | |
es aus dem Umweltministerium. Eine Verringerung der Flächen für die | |
Eigenjagd ist nach Informationen der taz nur noch bis 75 Hektar vorgesehen. | |
Mehr Bejagung soll dennoch stattfinden, etwa, in dem Begehungsscheine für | |
Waldbesitzer ausgegeben werden, die keinen Jagdgenossenschaften angehören. | |
Ob das reicht? Die Umweltschutzverbände werden damit nicht zufrieden sein. | |
Sie hatten schon im März gefordert, „dass eine Bejagung von | |
Eigentumsflächen ab einem Hektar möglich wird“. | |
Bleibt also alles beim Alten? | |
Vielleicht würde es der öffentlichen Debatte schon helfen, wenn die | |
Verbissstatistiken künftig genauso viel Empörung auslösen würden wie die | |
Waldbrände. Vielleicht wird der Blätterwald dann ja auch Reportagen | |
beinhalten über tapfere Jäger, die den jungen Wald nicht vor den Flammen | |
schützen, sondern vor Bambi und Co. | |
Denn nur schießen hilft. Sonst bleibt es in Brandenburg beim bisherigen | |
Zustand „Wild vor Wald“. Das gefällt den Jagdpächtern und Trophäensammle… | |
Und es gefällt den Flammen. | |
31 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lkee.de/Aktuelles-Kreistag/Pressemitteilungen/PressPI-Gro%C3%9F… | |
[2] https://www.pyrophob.de/ | |
[3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/03/brandenburg-reform-jagdgesetz-… | |
[4] https://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212920 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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