| # taz.de -- Berliner Wald: Dem Wald eine Pause gönnen | |
| > Ende März hat die Umweltverwaltung die bisherige Praxis des Waldumbaus | |
| > gestoppt. Naturschutzverbände begrüßen das, die Förster fühlen sich | |
| > übergangen. | |
| Bild: Umweltsenatorin Manja Scheiner (CDU) pflanzt Anfang April noch einen jung… | |
| Berlin taz | Mickrig sieht es aus unter den paar alten Kiefern, die die | |
| Berliner Forsten haben stehen lassen. Kleine Eichen gucken aus dem Boden, | |
| frisch gepflanzt auch Linden und Vogelkirsche. Hinter einem Zaun verstecken | |
| sich die Jungbäumchen vor dem Verbiss von Wildschweinen und Rehen. Doch so | |
| richtig in die Höhe wollen sie nicht. | |
| Ganz anders ist es außerhalb des Zauns. Vor allem Buchen haben sich dort | |
| verjüngt. Der Wald braucht keine Pflanzung, ist die Botschaft der | |
| Aufforstungsfläche im Jagen 60 zwischen Stadtautobahn und Teufelssee. Lässt | |
| man ihm nur Zeit, schafft es der Laubwald von morgen allein, aus dem | |
| Schatten der ungeliebten Kiefern zu treten. | |
| Es waren wohl Bilder wie diese, die Ende März zu einem Kurswechsel beim | |
| Waldumbau in Berlin geführt haben. In einem Schreiben an den Leiter der | |
| Berliner Forsten, Gunnar Heyne, hatte Umweltstaatssekretärin Britta | |
| Behrendt das Berliner Mischwaldprogramm ausgesetzt und damit [1][die seit | |
| mehr als zehn Jahren praktizierte Form des Waldumbaus beendet]. Statt | |
| Kiefern zu fällen, Licht zu schaffen und junge Laubbäume zu pflanzen, solle | |
| nun „keine weitere Öffnung des Kronendachs“ mehr erfolgen. Auch der | |
| Holzeinschlag wurde radikal reduziert. „In der Waldbewirtschaftung der | |
| Berliner Forsten“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt, „sollen | |
| die Wälder künftig als sich selbst optimierende Ökosysteme begriffen | |
| werden, um ihre Funktionsfähigkeit zu stärken.“ | |
| Das Moratorium beim Waldumbau fiel noch in die Zeit, in der Manja Schreiner | |
| (CDU) Umweltsenatorin war. Aber auch nach Schreiners Rücktritt Ende April | |
| bleibt Nachfolgerin Ute Bonde (ebenfalls CDU) beim neuen Kurs. „Wir haben | |
| auf die Pausetaste gedrückt und wollen uns erst mal anschauen, wie das | |
| Programm funktioniert hat“, sagt Bondes Sprecherin Petra Nelken der taz. | |
| ## Tausende Laubbäume neugepflanzt | |
| [2][Berlins Mischwaldprogramm] ist der Versuch, die dominierenden | |
| Kiefernbestände in den Berliner Forsten durch Neupflanzung von Laubbäumen | |
| in einem klimaresistenten Laubmischwald umzubauen. Seit dem Programmstart | |
| im Jahr 2012 wurden jährlich zwischen 300.000 und 500.000 Laubbäume | |
| gepflanzt. Zuvor war auf der Hälfte der Berliner Waldflächen von 30.000 | |
| Hektar ein „Waldumbaubedarf“ festgestellt worden. In Berlin bestehen die | |
| Wälder zu 60 Prozent aus Kiefern, in Brandenburg sind es 70 Prozent. Vor | |
| allem in den Forsten im Ostteil der Stadt gibt es noch große | |
| Kiefernreinbestände. | |
| Schon kurz nach dem Start des Mischwaldprogramms hatte es Kritik gegeben. | |
| „Kahlschlag im Grunewald. Kiefern müssen Eichen weichen“, titelte die | |
| Morgenpost 2014. Rund um die Dachsberge am Havelufer waren damals große | |
| Holzerntemaschinen angerückt, die nicht nur zahlreiche Kiefern fällten, | |
| sondern auch den Waldboden verdichteten. Denn die Berliner Forsten hatten | |
| sich nicht nur den Waldumbau auf die Fahnen geschrieben. Sie verdienen | |
| seitdem auch 2 bis 3 Millionen Euro im Jahr durch die Holzernte. | |
| Das soll nun nicht mehr möglich sein. Nur noch maximal 10.000 Festmeter im | |
| Jahr sollen geerntet werden dürfen, heißt es im Schreiben von Britta | |
| Behrendt an Gunnar Heyne, das der taz vorliegt. Zuvor waren aus den | |
| Berliner Forsten in manchen Jahren 100.000 Festmeter geholt worden. | |
| Die Ersten, die gegen den Kurswechsel im Frühjahr auf die Barrikaden | |
| gingen, waren die Förster. Von einem „tiefen Misstrauen gegen die | |
| Mitarbeitenden der Berliner Forsten“ war in einem offenen Protestbrief an | |
| Staatssekretärin Behrendt die Rede. Die teilte auf Twitter mit, man wolle | |
| „die Zukunft der Berliner Wälder“ sichern. | |
| Was ist da los im Berliner Wald? Tobt da ein neuer Kulturkampf, wenn auch | |
| unter verkehrten Vorzeichen? Eine CDU-Senatorin stellt die Ökologie vor die | |
| Ökonomie und gibt, ähnlich wie Deutschlands bekanntester Förster und | |
| Bestsellerautor Peter Wohlleben, der Naturverjüngung den Vorrang vor | |
| aufwendigen und für den Waldboden schädlichen Fällungen und Neupflanzungen? | |
| ## Förster und Berliner Wasserbetriebe fühlen sich übergangen | |
| Die Kritik der Förster betrifft allerdings weniger den politischen | |
| Kurswechsel als vor allem die Kommunikation. Wie schon beim Stopp der | |
| Planungen für die Radwege hatte die Senatsverwaltung für Umwelt alle | |
| Beteiligten überrumpelt. [3][Bei einem Termin im Forst Müggelheim Anfang | |
| April hatte Senatorin Schreiner noch medienwirksam einen jungen Laubbaum | |
| gepflanzt]. Über den Brief ihrer Staatssekretärin an die Berliner Forsten, | |
| der zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, hatte sie kein Wort | |
| verloren. | |
| Nicht nur die Förster fühlten sich übergangen. Bis heute halten auch die | |
| Berliner Wasserbetriebe BWB das Moratorium beim Waldumbau für „nicht | |
| zielführend“. „Die Wälder sind eine großartige Möglichkeit, das Regenwa… | |
| zu speichern und dem Grundwasser zuzuführen“, sagt Gesche Grützmacher, | |
| Leiterin Wasserversorgung der BWB, der taz. „Wenn wir da Monokulturen | |
| haben, verdunstet wieder so viel in die Atmosphäre, dass im Prinzip so gut | |
| wie kein Grundwasser neu gebildet wird.“ | |
| Lob kommt dagegen von den Umweltverbänden. Der Baumexperte des BUND, | |
| Christian Hönig, kritisiert, dass sich das Programm nicht an den | |
| Erfordernissen des Waldes ausgerichtet habe, sondern an der Zahl der | |
| Neupflanzungen. „Je mehr Bäume man pflanzt, desto krassere Klimaaktivistin | |
| ist man dann halt“, sagte Hönig dem RBB. | |
| ## Kritik an Holzernte-Praxis | |
| Der Nabu wiederum kritisiert die bisherige Praxis der Holzernte. „Die | |
| Berliner Forsten sollen in erster Linie dem Naturschutz und der Erholung | |
| dienen und nicht in erster Linie der Holzproduktion“, meint Jana Einöder | |
| vom Nabu. Leider sei von dieser Priorisierung in den letzten Jahren stark | |
| zugunsten der Holzproduktion abgewichen worden. Auch deshalb „wurde das | |
| Mischwaldprogramm zu Recht beendet“. | |
| Julia Schneider ist da vorsichtiger. „Es gibt beim Waldumbau auch unter | |
| Experten verschiedene Meinungen“, sagt die Grünen-Abgeordnete der taz. | |
| Problematisch ist für Schneider auch die Beschränkung der Holzernte. „Wenn | |
| wir mit Holz bauen wollen, müssen wir auch das Holz dafür haben“, sagt | |
| Schneider der taz. Zwar sei die Bereitstellung von Bauholz für das | |
| Schumacher Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel von den | |
| Beschränkungen ausgenommen. „Aber es geht auch über das Schumacher Quartier | |
| hinaus darum, ökologisch zu bauen.“ | |
| Auch beim Grünen-Parteitag im Mai war die Waldpolitik des Senats Thema: | |
| „Die Verhängung eines Moratoriums von oben, quasi per ordre de mufti, | |
| halten wir für einen politischen Fehler“, heißt es in einem Beschluss. Um | |
| wieder ins Gespräch zu kommen, fordern die Grünen möglichst bald einen | |
| „Waldkongress unter Beteiligung wissenschaftlicher Expertise“. | |
| Zumindest hierzu geht die CDU nun auf ihre Kritikerinnen zu. Allerdings | |
| soll der Waldkongress, so Staatssekretärin Behrendt in ihrer Antwort auf | |
| die Anfrage von Schneider, erst im Frühjahr 2025 stattfinden. Zuvor seien | |
| „interne Formate mit den Mitarbeitenden für den Sommer 2024 in Planung“. | |
| 7 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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