| # taz.de -- Referendum in Griechenland: Ochi, ein Triumph für Syriza | |
| > Die Griechen haben über den Sparkurs abgestimmt. Ein Sieg für | |
| > Regierungschef Alexis Tsipras: Rund 60 Prozent „Nein“-Stimmen. | |
| Bild: V wie Ochi. | |
| Athen/brüssel taz | Die Griechen haben nach ersten Auszählungen beim | |
| Referendum deutlich mit „Nein“ gestimmt. Das Athener Innenministerium | |
| teilte nach Auswertung der Ergebnisse von über 90 Prozent der Wahllokale | |
| mit, dass gut 61 Prozent der Wahlberechtigten mit „Nein“ und knapp 39 mit | |
| „Ja“ gestimmt haben. | |
| Als Reaktion auf dieses eindeutige Ergebnis erklärte Oppositionsführer | |
| Samaras, der Vorgänger Alexis Tsipras‘ im Amt des Ministerpräsidenten, | |
| seinen Rücktritt vom Parteivorsitz der konservativen Nea Demokratia. | |
| SPD-Chef und bundesdeutscher Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach derweil von | |
| einem „Weg von bitterem Verzicht und Hoffnungslosigkeit“, auf den Tsipras | |
| das griechische Volk führe. | |
| Schon am frühen Nachmittag war die gesetzlich vorgesehene | |
| Mindestbeteiligung von 40 Prozent erreicht worden. „Allein durch diese | |
| große Beteiligung des Volkes wird jeder Zweifel an der Rechtmäßigkeit | |
| dieser Volksabstimmung beseitigt“, erklärte Nikos Filis, Fraktionssprecher | |
| der regierenden Linkspartei Syriza. Davor hatte der Europarat die | |
| Rechtmäßigkeit des Athener Referendums und insbesondere die komplizierte | |
| Fragestellung und die ungewöhnlich kurze Wahlkampfdauer kritisiert. | |
| Am Rande des Athener Syntagma-Platzes vor dem griechischen Parlament tönten | |
| kubanische Revolutionslieder von den Taten des Comandante Che Guevara. Doch | |
| noch brandete kein Beifall für das „Oxi“ auf. Es schien, als wenn niemand | |
| die Revolution begreift, die die Griechen mit ihrem Nein in Europa auslösen | |
| werden. Ein Bild, dass sich im Laufe des Abends ändern sollte. Je stabiler | |
| die Ergebnisse wurden, umso mehr füllte sich der Syntagma mit jubelnden | |
| Menschen. | |
| „Natürlich bleiben wir im Euro“, sagte der griechische Innenminister George | |
| Katrougalos zur taz. „Ich bin sehr froh über das klare Ergebnis für ein | |
| Nein, denn es vermeidet eine nationale Spaltung“, sagte Katrougalos. Er sei | |
| hochzufrieden mit dem Ergebnis des Referendums, vor allem auch, weil das | |
| Referendum „nicht nur um Griechenland ging, sondern um Europa“, wie er | |
| sagte. Das Ergebnis, kommt einem Triumph für den griechischen | |
| Regierungschef Alexis Tsipras gleich, der den Volksentscheid offenbar im | |
| Alleingang beschlossen hatte und auch sein ganzes Gewicht in die Waagschale | |
| geworfen hat, um dem „Nein“ zum Sieg zu verhelfen. | |
| Noch vor wenigen Tagen hatte der Linkspolitiker erklärt, im Fall eines | |
| „Nein“-Siegs am Sonntag würde eine Einigung mit den Geldgebern erleichtert. | |
| Finanzminister Gianis Varoufakis hat sich am Sonntag sogar optimistisch | |
| gezeigt, dass bei einem „Nein“ eine Einigung mit den Kreditgebern innerhalb | |
| von 24 Stunden möglich wäre. Nach diesem Ergebnis gilt als sicher, dass | |
| Regierungschef Tsipras bei seinem harten Kurs gegenüber den Geldgebern | |
| bleibt. | |
| ## Spaltung der griechischen Gesellschaft | |
| Freude auch bei den Unterstützern der Vereinigten Volksfront EPAM, einem | |
| Bündnis von gemäßigten Rechten und Linken gegen die Austeritätspolitik. | |
| Seit Tagen hatten sie einen Stand auf dem Syntagma und warben für ein | |
| „Nein“, selbst wenn sie mit Tsipras und der Syriza-Regierung sonst nicht | |
| einer Meinung sind. | |
| „Die Jasager, die EU, setzen Angst in die Seele der Menschen“, hat Negas | |
| beobachtet, und diese Angst vor einem Leben ohne Euro habe die Leute davon | |
| abgehalten, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. „Mit einem Nein zu den | |
| Sparplänen werden wir nicht aus dem Euro fliegen“, sagte er. Und wenn | |
| schon, denn eigentlich wollen er und viele andere Griechen zurück zur | |
| Drachme, um das Land wirtschaftlich wieder wettbewerbsfähig zu machen. | |
| Einen Zwischenfall gab es im Athener Vorort Haidari, als Stavros | |
| Theodorakis, Vorsitzende der betont europafreundlichen sozialdemokratischen | |
| Partei To Potami, seine Stimme für das Referendum abgeben wollte – in einer | |
| Schule, die als Wahllokal diente. Aufgebrachte Menschen forderten ihn auf, | |
| das Gebäude sofort zu verlassen. „Hier ist eine griechische Schule, die | |
| deutsche Schule ist ein Stück weiter, da sollst du hin“, schrien sie. Auch | |
| das ein Zeichen für die Spaltung der griechischen Gesellschaft in Ja- und | |
| Neinsager. | |
| Für den späten Sonntagabend war ein Treffen von Finanzminister Gianis | |
| Varoufakis mit führenden Bankenvertretern geplant. Bei dem Gespräch sollte | |
| die aktuelle Lage des Bankensystems und vor allem die Frage erörtert | |
| werden, ob und wann die Geldinstitute in Griechenland wieder öffnen. | |
| ## Schweigen in Brüssel | |
| Betretenes Schweigen. So reagierte die EU in Brüssel auf erste Meldungen, | |
| dass das „Nein“ beim Referendum in Griechenland gesiegt habe. Selbst | |
| Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der vor den Folgen des „Oxi“ | |
| gewarnt hatte, hielt sich bedeckt. Martin Selmayr, der Kabinettschef von | |
| Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, begnügte sich damit, die ersten | |
| Schätzungen per Twitter weiterzugeben. | |
| Diese Nichtreaktion war keine Überraschung. Schließlich hatten Schulz und | |
| Juncker vehement für ein „Ja“ geworben. Nur so lasse sich Griechenland noch | |
| im Euro halten, hatten die beiden EU-Präsidenten gewarnt. Allerdings hatte | |
| am Wochenende ein dritter EU-Chef, Ratspräsident Donald Tusk, | |
| widersprochen: Ein Nein bedeute keinen Rausschmiss aus der Währungsunion, | |
| betonte der Pole. | |
| Frankreich hatte sich zuletzt dafür eingesetzt, den Gesprächsfaden zur | |
| griechischen Regierung nicht abreißen zu lassen. Demgegenüber hatte | |
| Deutschland gefordert, alle Kontakte bis zum Referendum abzubrechen – und | |
| sich damit in der Eurogruppe durchgesetzt. Nun muss Kanzlerin Angela Merkel | |
| (CDU) wohl umdenken: Bereits am Montag reist sie nach Paris, um mit dem | |
| französischen Staatschef François Hollande das Vorgehen abzusprechen. | |
| Bisher hatten alle wichtigen Treffen zur Griechenland-Krise in Berlin oder | |
| Brüssel stattgefunden. Doch nun könnten sich die Akzente verschieben. | |
| 5 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Papadimitriou | |
| Ulrike Fokken | |
| Eric Bonse | |
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