# taz.de -- Rechtsgutachten prüft Ceta-Erklärung: Klagen gegen Klimaschutz er… | |
> Starker Schutz für Investoren ist der große Streitpunkt im | |
> Freihandelsabkommen Ceta. Ein Gutachten zeigt, dass Klagen gegen | |
> Klimaschutz-Maßnahmen drohen. | |
Bild: Proteste gegen die Pipeline Keystone XL – ein Energiekonzern will für … | |
Wird das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, kurz Ceta, | |
ratifiziert, drohen Klagen von Unternehmen gegen Staaten, die das Klima | |
schützen wollen. Das zeigt ein Gutachten im Auftrag der | |
Nichtregierungsorganisation PowerShift, das am Donnerstag veröffentlicht | |
wird und der taz vorab vorliegt. | |
Das Handelsabkommen ist bereits seit 2017 größtenteils in Kraft, die | |
meisten Zölle wurden damit abgeschafft. Erst im Juli hatte die | |
Ampelkoalition nach jahrelangem Stillstand der Verhandlungen die | |
[1][Ratifizierung des Abkommens beschlossen], die Abstimmung im Parlament | |
dazu steht aber noch aus. | |
Zehn weitere EU-Länder haben das Abkommen noch nicht ratifiziert. Um | |
Kritiker:innen zu beschwichtigen, ist eine angehängte | |
Interpretationserklärung geplant. Diese wird gerade von einem gemeinsamen | |
Ceta- Ausschuss mit Mitgliedern aus der EU und Kanada erarbeitet, eine | |
Fassung wurde bereits geleakt. | |
„Die Interpretationserklärung kann das Ceta-Abkommen nicht reparieren“, | |
urteilen die beiden Gutachterinnen. Sie warnen vor allem vor dem Kapitel | |
zum Investitionsschutz. Die darin enthaltenen Klagerechte ermöglichten es | |
Unternehmen in einer [2][separaten Gerichtsbarkeit] Staaten zu verklagen, | |
wenn zum Beispiel neue Gesetze zum Umwelt- oder Arbeitsschutz ihre Profite | |
schädigen. | |
## Interpretationserklärung ist unvollständig und unpräzise | |
Auch die ergänzende Erklärung gehe nicht weit genug: Sie erwähne zwar | |
Klimaschutzmaßnahmen. Doch sie lasse andere Umweltschutzbereiche aus, | |
beispielsweise den Gewässerschutz oder die Regulierung von Pestiziden. | |
Zudem enthalte sie weiterhin zahlreiche unbestimmte Begriffe. So wurde in | |
Bezug auf die indirekte Enteignung von Unternehmen aus „offenkundig | |
übertrieben“ im Originaltext „offenkundig unverhältnismäßig“ in der | |
neuesten bekannten Fassung. | |
„Die Intepretationserklärung hat gute Absichten und versucht einige | |
Begriffe zu klären, aber es bleibt ein Interpretationsspielraum, der allein | |
durch Begrifflichkeiten nicht zu beheben ist“, sagt Juristin Federica | |
Violi, eine der Gutachterinnen, der taz. Denn: „Wer entscheidet, welcher | |
Umweltschutz ‚völlig unverhältnismäßig‘ oder ‚eindeutig unangemessen�… | |
gegenüber Investoren ist“? | |
[3][„Ein großes Problem“] für die Klimapolitik nennt auch ein jüngster | |
Bericht der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) die | |
Klagerechte. Es habe bereits mindestens 175 solcher Fälle gegeben, die für | |
Maßnahmen im Umweltschutz direkt relevant waren, so Unctad. Da nicht alle | |
Verfahren öffentlich sind, kann die tatsächliche Zahl höher sein. | |
In 38 Prozent der bereits entschiedenen Fällen wurden zugunsten des | |
Investors entschieden und Schadensersatz gezahlt. Fast alle der privaten | |
Kläger kamen aus den Industriestaaten und verklagten in 67 Prozent der | |
Fälle auch Staaten aus dem globalen Norden, zeigt der Bericht. | |
## Kanadisches Energieunternehmen klagt gegen die USA | |
Jüngstes prominentes Beispiel ist etwa die Klage des kanadischen | |
Energiekonzerns TC Energy gegen die USA in Höhe von 15 Milliarden | |
US-Dollar, weil Präsident Joe Biden im Zuge einer Neuausrichtung der | |
Klimapolitik der [4][umstrittenen Keystone-XL-Pipeline] die Zulassung | |
entzog. | |
Manchmal kann aber auch schon die Androhung einer Klage zum Politikwechsel | |
führen. So verlängerte beispielsweise Frankreich die Öl- und Gas Förderung | |
um zwei Jahrzehnte nachdem der kanadische Konzern Vermilion mit Hauptsitz | |
in Kanada 2017 eine Klage androhte. | |
„Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten haben derzeit kein Abkommen mit | |
Kanada, das solche Klagerechte beinhaltet“, sagt die zweite Gutachterin | |
Alessandra Arcuri. Das gilt auch für Deutschland. „Ceta würde nicht nur | |
kanadischen Unternehmen die Möglichkeit geben die EU und EU-Staaten zu | |
verklagen, sondern könnte auch die Türen für US-amerikanische Investoren | |
öffnen, die wesentliche Teile der Geschäftsaktivitäten in Kanada haben“, | |
erklärt die Juristin. | |
Deshalb raten die beiden Juristinnen der EU, das Abkommen nicht zu | |
ratifizieren oder zumindest den Investitionsschutz aus dem Abkommen zu | |
streichen. „Rechtlich wäre das ohne weiteres möglich“, erklärt Violi. | |
„Kanada könnte für einen solchen Vorschlag offen sein, da das Land bereits | |
fortschrittlichere Investitionsschutzstandards als Ceta verfolgt“, vermuten | |
die Gutachterinnen. Zum Beispiel habe der Staat entsprechende Provisionen | |
im Freihandelsabkommen mit Mexico und den USA gestrichen. | |
5 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Handelsabkommen-Ceta-mit-Kanada/!5865279 | |
[2] /Experte-ueber-Handelsabkommen-Ceta/!5862442 | |
[3] https://unctad.org/system/files/official-document/diaepcbinf2022d7_en.pdf | |
[4] /Nach-Aus-fuer-US-Pipeline/!5748350 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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