# taz.de -- Staatssekretärin Brantner zu Ceta: „Wir wollen uns der Welt zuwe… | |
> Früher hat sie gegen Ceta protestiert. Nun lädt Staatssekretärin Brantner | |
> andere Länder ein, beim umstrittenen EU-Abkommen mit Kanada mitzumachen. | |
taz: Frau Brantner, kommende Woche soll das [1][europäisch-kanadische | |
Handelsabkommen Ceta] im Bundestag ratifiziert werden. Warum? | |
Franziska Brantner: Wir wollen uns der Welt zuwenden, andere Länder | |
einladen, mit uns die grünen Wertschöpfungsketten der Zukunft aufzubauen. | |
Außerdem wollen wir unsere Abhängigkeiten von China reduzieren, die | |
Beziehungen zu unseren Partnerländern intensivieren – und dies nachhaltig | |
und sozial. Deswegen begrüße ich, dass wir als Bundesregierung jetzt dafür | |
eintreten, dass Verstöße gegen das Klimaschutzabkommen und internationale | |
Kernarbeitschutznormen durch Handelssanktionen geahndet werden können. Bei | |
[2][Ceta] richten wir den Investitionsschutz neu aus, damit dieser dem | |
Klimaschutz nicht im Weg steht. | |
Der Investitionsschutz ist ein großer Kritikpunkt an Ceta, weil er | |
Konzernen neue Möglichkeiten eröffnet. So ermöglicht er Unternehmen, | |
Staaten vor eigenen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn zum Beispiel | |
Gesetze zum Klimaschutz ihre Investitionen gefährden. | |
Mit dem rechtlich [3][bindenden Beschluss] des gemeinsamen | |
europäisch-kanadischen Ausschusses wollen wir die Auslegungsmöglichkeiten | |
der Schiedsgerichte beschränken. Wir stärken die Zielsetzung des | |
Klimaschutzes, damit regulatorische Klimaschutzmaßnahmen besser vor | |
Schiedsklagen geschützt sind. Die Erwartungshaltung aller Investoren muss | |
sein, dass die EU-Mitgliedstaaten und die EU die Klimaziele erreichen | |
wollen. | |
Warum wird das Kapitel zum Investitionsschutz nicht gestrichen? Der | |
wichtige Teil des Abkommens, in dem Zölle abgeschafft wurden, läuft ja | |
schon seit fünf Jahren. | |
Das hat rechtliche Gründe. Der Ceta-Vertrag ist von Kanada und einem Teil | |
der EU-Mitgliedstaaten schon ratifiziert. Deswegen ist eine Änderung nicht | |
einfach möglich, aber wir stoßen sie durch eine sogenannte Review-Klausel | |
schon jetzt an. Bis dahin erwirken wir schon konkrete Verbesserungen beim | |
Investitionsschutz. Sobald der Gesamtvertrag von allen EU-Mitgliedstaaten | |
abschließend ratifiziert ist, kann die Review-Klausel aktiviert werden. | |
Dann können wir auch Verbesserungen im Handelsteil voranbringen und das | |
Abkommen weiterentwickeln sowie neue handelspolitische Standards mit | |
Nachhaltigkeitskapiteln setzen. | |
Zum Beispiel? | |
Wir wollen die Sanktionierbarkeit der Nachhaltigkeitsziele verankern. | |
Momentan gibt es bei der EU und in Kanada eine Bereitschaft dazu. Es wäre | |
schade, das jetzt nicht zu nutzen. Damit könnten die Kernarbeitsnormen der | |
Internationalen Arbeitsorganisation ILO, das Pariser Klimaschutzabkommen | |
und in Zukunft das Biodiversitätsabkommen durch Sanktionen so geschützt | |
sein wie andere Teile des Handelsabkommens. Hier stand Deutschland bisher | |
auf der Bremse. Man sollte nicht unterschätzen, was die Veränderung der | |
deutschen Position in der EU gebracht hat. | |
Sind diese Schiedsgerichte und im Abkommen vorgesehene Ausschüsse nicht | |
undemokratisch? | |
Im Bundestag haben die Regierungsfraktionen vereinbart, dass wir die | |
Beteiligung und Kontrollfunktion des Bundestages in der Handelspolitik | |
stärken. Zusätzlich setzen wir uns auf EU-Ebene dafür ein, auch die Rolle | |
des Europäischen Parlaments zu stärken. | |
Gegen Ceta sind noch vor einigen Jahren Hunderttausende auf die Straßen | |
gegangen. | |
Das bin ich selbst auch … | |
Können Sie verstehen, dass viele von diesen Leuten enttäuscht sind, dass | |
der Vertrag ratifiziert wird? | |
Ich bin jenen, die auf der Straße waren oder Briefe geschrieben haben, | |
extrem dankbar. Fairer und freier Handel gehören nun auch für die | |
Bundesregierung zusammen. Ohne den Druck aus der Zivilgesellschaft hätten | |
wir bestimmt keine Sanktionierbarkeit der Nachhaltigkeitsziele oder die | |
Verbesserungen beim Investitionsschutz aushandeln können. Dadurch können | |
wir Ceta und insgesamt unsere Handelspolitik nachhaltig ausrichten. | |
Ausdruck dessen ist auch der [4][deutsche Austritt aus der Energiecharta]. | |
Auch der Energiecharta-Vertrag beinhaltet die umstrittenen Schiedsgerichte. | |
Wie geht es jetzt weiter? | |
Es gibt schon lange eine Debatte darüber, ob dieser Vertrag reformfähig | |
ist. Aber er bleibt weit hinter allem zurück, was wir mittlerweile als | |
Standards haben beim Investitionsschutz und insbesondere bei den | |
Schiedsgerichten. Die Schiedsgerichte wurden häufig von Unternehmen | |
genutzt, um Entscheidungen zur Erreichung der Klimaziele zu beklagen. | |
Dadurch wurden Milliardenkosten verursacht. Deswegen ist es wirklich | |
großartig, dass sich neben uns unsere europäischen Partner wie Frankreich, | |
Niederlande, Polen, Spanien, Slowenien und Luxemburg zum Austritt | |
entschieden haben. Wir plädieren auch für den Austritt der EU, da die EU | |
selbst Mitglied im Vertrag ist. Diesen Prozess müssen wir jetzt innerhalb | |
der EU organisieren. | |
Eine Klage nach dem Energiecharta-Vertrag kommt zum Beispiel vom | |
Energiekonzern Uniper gegen die Niederlande wegen des Kohleausstiegs. Wird | |
diese fallen gelassen, da Uniper jetzt staatlich ist? | |
Ja. Schon ab dem Beschluss zur Rettung bestand die Bedingung, dass die | |
Schiedsgerichtsklage gegen die Niederlande eingestellt wird. | |
Viele Leute finden, dass Klimaschutz mit Wachstum nicht vereinbar sei. Bei | |
Ceta geht es aber gerade um Wirtschaftswachstum. | |
Es kommt darauf an, dass wir definieren, was für uns nachhaltiger Wohlstand | |
ist. Bei den erneuerbaren Energien und Transformationstechnologien brauchen | |
wir Wachstum, um das Klima zu schützen. Kanada ist hier gerade mit Blick | |
auf grünen Wasserstoff ein wichtiger Partner. Mit Blick auf viele Länder, | |
auch im globalen Süden, wollen wir gemeinsam nachhaltige | |
Wertschöpfungsketten schaffen. | |
Wie sieht das aus? | |
Die Aufgabe ist, dass sie Teil gemeinsamer nachhaltiger | |
Wertschöpfungsketten sind und nicht nur Rohstoffe exportieren, sondern auch | |
Wertschöpfung vor Ort in diesen Ländern möglich ist. Häufig werden zum | |
Beispiel Zölle nicht auf Primärrohstoffe, sondern auf weiterverarbeitete | |
Produkte erhoben. Das erschwert eine Wertschöpfungsschaffung vor Ort. Es | |
ist auch in unserem Interesse, dass wir diesen Ländern einen nachhaltigen | |
Wohlstand ermöglichen. | |
25 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
Anja Krüger | |
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