| # taz.de -- Rechtsextremismus im Ruhrgebiet: Die Nazistraße von Dortmund | |
| > Im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld haben die Neonazis der Partei Die | |
| > Rechte einen wichtigen Rückzugsort. Ein ganzer Straßenzug ist in ihrer | |
| > Hand. | |
| Bild: Ein rechtes Bein. 184 Neonazis, so die Polizei, marschierten am Samstag d… | |
| Dortmund taz | Eine Europafahne liegt auf der Straße, die Rechtsextremen | |
| marschieren darüber und treten sie dabei mit Füßen: Mit durch und durch | |
| verfassungsfeindlicher, aber noch legaler Symbolik hat die Neonazi-Partei | |
| Die Rechte am Samstag in Dortmund offen ihre menschenfeindliche Ideologie | |
| gezeigt. „Nationaler Sozialismus jetzt“ und „Alles für Volk, Rasse und | |
| Nation“ – solche Parolen brüllten die Rechtsextremen bei ihrem Marsch durch | |
| den Stadtteil Hörde. | |
| Auf einem zur Bühne umfunktionierten Miet-Lkw prangte das Konterfei der | |
| notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck – die | |
| Neonazi-Kleinstpartei hat die immer wieder wegen Volksverhetzung | |
| verurteilte 90-Jährige, die derzeit in der Justizvollzugsanstalt | |
| Bielefeld-Brackwede einsitzt, zu ihrer Spitzenkandidatin für die Europawahl | |
| gemacht. | |
| In der Mehrheit waren die Rechtsextremen am Samstag nicht: Trotz | |
| „europaweiter“ Mobilisierung zählte die Polizei lediglich 184 | |
| Marschteilnehmer, die teilweise aus Ungarn, Bulgarien und den Niederlanden, | |
| aber auch aus Süddeutschland angereist waren. Das von Parteien, | |
| Gewerkschaften und Kirchen getragene „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ | |
| brachte dagegen 700 Menschen auf die Straße. Die Antifa war mit rund 650 | |
| Neonazi-Gegner*innen vor Ort. | |
| Dennoch dürfte der Aufzug der 184 Ewiggestrigen einmal mehr das Image | |
| Dortmunds als Neonazi-Hochburg bestärken. Seit Jahrzehnten versuchen hier | |
| Rechtsextreme aus dem Umfeld der „Borussenfront“ um den Neonazi Siegfried | |
| Borchard, genannt „SS-Siggi“, „Freier Kameradschaften“ und des verboten… | |
| „Nationalen Widerstands Dortmund“ Fuß zu fassen, marschieren immer wieder | |
| auf. Erst im September ging ein Video viral, das eine nächtliche | |
| Neonazi-Demo in Dortmund-Marten zeigte: Reichskriegsflaggen wurden | |
| geschwenkt und Bengalos gezündet. Die Rechten brüllten: „Wer Deutschland | |
| liebt, ist Antisemit.“ | |
| Die Polizei, die mit einem Bereitschaftszug in der Nähe gewesen sein will, | |
| ist dagegen nicht zu sehen. Es entstand einmal mehr der Eindruck, die | |
| Rechtsextremen könnten in Dortmund machen, was sie wollten. „Wir waren vor | |
| Ort“, versichert dagegen ein Vertrauter des Dortmunder Polizeipräsidenten | |
| Gregor Lange – räumt aber ein: „Die Bilder waren Scheiße.“ | |
| Ein Straßenzug im Stadtteil Dorstfeld ist der Rückzugsort der | |
| Verfassungsfeinde. An der Ecke zwischen Emscher- und Thusneldastraße haben | |
| etwa 30 Rechtsextreme ihr Revier markiert: „Nazi-Kiez“ ist dort meterhoch | |
| auf Gebäude gesprüht. Hier leben führende Funktionäre der Rechten wie die | |
| Bundesvorsitzenden Sascha Krolzig und Michael Brück. | |
| Auch Robin Schmiemann, Ex-Brieffreund der NSU-Terroristin Beate Zschäpe, | |
| einst verurteilt zu acht Jahren Haft, weil er in einem Dortmunder | |
| Supermarkt auf einen Tunesier geschossen hat, wohnt dort. Und natürlich | |
| lebt auch ,„SS-Siggi“ in Dorstfeld, wenn er nicht gerade im Knast sitzt. | |
| Wer als Journalist im Nazi-Kiez recherchiert, die Wohnhäuser der | |
| Neofaschisten fotografiert und mit Anwohner*innen spricht, macht schnell | |
| Bekanntschaft mit den Rechtsextremen. Heraus stürmt der Rechte-Funktionär | |
| Dietrich Surmann. Was und warum fotografiert werde, will der bullige Typ | |
| wissen. Zwar trollt er sich nach kurzer Diskussion – doch dafür taucht ein | |
| anderer Neonazi auf, fotografiert seinerseits. „Das ist typisch für die | |
| Rechtsextremen“, sagt Polizeisprecher Gunnar Wortmann dazu: „Die versuchen, | |
| ein Klima der Angst zu verbreiten.“ | |
| „Zwei Mal habe ich mich wirklich bedroht gefühlt“, sagt auch die Studentin | |
| Rabea Dorn (Name geändert), die in Dorstfeld wohnt. „Da war ich nachts mit | |
| Freunden unterwegs, die nicht deutsch aussahen.“ Plötzlich seien sie auf | |
| der Straße von einer Gruppe Neonazis bepöbelt und bedroht worden. Insgesamt | |
| hielten sich die Rechtsextremen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aber | |
| zurück, erzählt sie – und lobt die Polizeipräsenz rund um Dorstfeld. | |
| „Die Nazis machen nur nachts Stress, wenn sie besoffen sind – und die | |
| Polizei weg“, erzählen zwei durchtrainierte 19-Jährige, die auf dem | |
| zentralen Wilhelmsplatz abhängen. „An uns trauen die sich nicht ran“, | |
| glauben die beiden. „Die suchen schwache, schmächtige Opfer.“ Ein Nazi-Kiez | |
| sei Dorstfeld aber nicht, betonen ein Student und eine Studentin, deren WG | |
| bei den Rechtsextremen um die Ecke liegt. „Das sind nur wenige – aber die | |
| sind laut“, finden die beiden. Angst haben sie trotzdem: Ihre Namen wollen | |
| sie nicht nennen, und die mit faschistischer Symbolik gepflasterte | |
| Emscherstraße meiden sie. | |
| Stadtverwaltung und Polizei wollen zumindest die Neonazi-Schmierereien | |
| schnell entfernen lassen. Doch das sei gar nicht so einfach, sagt | |
| Polizeisprecher Wortmann: „Die Vermieter weigern sich.“ Besitzer der Häuser | |
| in der Emscherstraße ist der ehemalige Steuerberater Kurt Poth. Mit ihm | |
| werde über die Auflösung des „Nazi-Kiezes“ gesprochen, heißt es aus dem | |
| SPD-geführten Dortmunder Rathaus, wo jedes Jahr über 340.000 Euro für den | |
| Kampf gegen Rechts zur Verfügung gestellt werden. Bisher hat der über 80 | |
| Jahre alte Poth aber immer betont, wie zuverlässig die Neonazis als Mieter | |
| seien. | |
| Polizeipräsident Lange lässt deshalb prüfen, ob und wie der „Angstraum“ … | |
| Dorstfeld per Video überwacht werden kann. Dadurch, aber auch durch massive | |
| Polizeipräsenz und eine eigene „Soko Rechts“, die jede Straftat der | |
| Neofaschisten im Blick haben soll, werde der „Repressions- und | |
| Kontrolldruck auf diese Szene“ hochgehalten, heißt es auf taz-Anfrage | |
| schriftlich aus Langes Präsidium. „Wir stehen denen auf den Füßen“, | |
| verspricht auch Polizeisprecher Wortmann. | |
| Beim Nazi-Aufmarsch in Hörde am Samstag tun das auch Anwohner*innen. „Haut | |
| ab“, ruft nicht nur die Antifa. „Sechs Millionen Tote – was ist los mit | |
| euch“, fragt eine Dortmunderin. „Normalerweise müsste man die einfach in | |
| den Arsch treten“, findet ein anderer. | |
| Wie überall in Nordrhein-Westfalen gebe es in Dortmund noch „nicht die | |
| Situation wie in Ostdeutschland, dass rechte Parteien ganze Stadtteile in | |
| Besitz nehmen können“, sagt deshalb der grüne Landeschef Felix Banaszak, | |
| der beim Protest vom Bündnis Dortmund gegen Rechts dabei war. „Umso | |
| wichtiger war es, den Neonazis nicht einen Tag vor der Europawahl die | |
| Straße zu überlassen.“ | |
| 26 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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