| # taz.de -- Kirchentag in Dortmund: Rechtsextreme ohne Rückhalt | |
| > Ein Stadtrundgang durch Dortmund führt an die Orte rechten Terrors. Aber | |
| > auch an die der Opfer und des Widerstands. | |
| Bild: Dortmund müsste eigentlich als Widerstands-, denn als Nazi-Hochburg gelt… | |
| DORTMUND taz | „Bitte nicht draufsetzen, das ist ein Denkmal“, ruft jemand. | |
| Rund 100 Menschen stehen am Dortmunder Hauptbahnhof, Ausgang Nordstadt, vor | |
| einem rechteckigen Stein, bei dem unten eine Ecke fehlt. Die Gedenkstätte | |
| für die Opfer des NSU trägt ihre Namen. Drei Kilometer von hier sei der | |
| Kiosk, in dem Mehmet Kubaşık vor 13 Jahren vom NSU erschossen wurde, | |
| erzählt Jana Wolter. | |
| Die Theologiestudentin vom Dortmunder Arbeitskreis Christen gegen | |
| Rechtsextremismus führt durch die Stadt, entlang der Orte, die erklären, | |
| warum Dortmund als Nazi-Hochburg gilt. Sie ist unterwegs mit Friedrich G., | |
| seinen ganzen Namen will er nicht unbedingt nennen, er lebe in Dorstfeld: | |
| „Zwar in Oberdorstfeld, da ist eigentlich nur ein Skinhead mit | |
| Thor-Steinar-Shirt unterwegs.“ Aber in Unterdorstfeld leben etwa 30 | |
| Rechtsextreme. Dorstfeld Nazi-Kiez, das schreiben sie selbst auf | |
| Hauswände. | |
| Die Orte des Stadtrundgangs erinnern an die rechtsextremen, teils tödlichen | |
| Gewalttaten der letzten Jahre. Sie erinnern aber auch an die Opfer – und an | |
| den Widerstand. Gegen Antisemismus und Rechtsextremismus einzustehen ist | |
| die Pflicht der Christen“, sagt Friedrich G. Da diese Pflicht historisch | |
| nicht immer erfüllt wurde, fragt der Kirchentag nach der gesellschaftlichen | |
| Verantwortung von Christ:innen. | |
| In Dortmund ist diese Frage besonders groß. Im Programm des Kirchentags | |
| gibt es Anti-Rassismus-Trainings, und man kann lernen, rechte Symboliken | |
| und Liedtexte zu enttarnen. Vor allem steht er dieses Jahr aber für das, | |
| was die Rechte ablehnt: interreligiöses Miteinander, Zuflucht, queere | |
| Lebensentwürfe. | |
| ## Die andere Seite kennen | |
| „Was wir machen, ist nicht nur politisch“, sagt Friedrich Stiller, der | |
| Sprecher des Arbeitskreises Christen gegen Rechtsextremismus. „Die rechte | |
| Ideologie lehrt die Ungleichwertigkeit der Menschen, das ist ein direkter | |
| Angriff auf die Werte des Christentums.“ Der Arbeitskreis organisiert | |
| Demonstrationen, Mahnwachen und Trainings – um reagieren zu können, wenn | |
| man einem Nazi beim Bäcker begegnet, aber nicht, um sich zu schlagen. | |
| „Schade“, murmelt jemand aus der Gruppe. | |
| Der Rundgang führt uns unter Polizeischutz zum Stadtpark. Ein Foto zeigt, | |
| wie junge Menschen mit Reichsflaggen dort standen, wo wir jetzt stehen. Sie | |
| tragen Jeans und Turnschuhe, sind nicht älter als Anfang zwanzig. Rund 25 | |
| Großveranstaltungen und unzählige kleine organisiert die rechtsextreme | |
| Szene Dortmunds jährlich, berichtet Friedrich G. Kirche und | |
| Zivilgesellschaft sparen ihre Kräfte für die größeren Aufmärsche: Ein | |
| weiteres Foto zeigt gegenüber der Flaggen einen Banner: bunt statt braun. | |
| Die Menschen, die dahinterstehen, sind weit in der Überzahl. | |
| Die Stadt reagiert schon lange. Eine Sonderkommission der Polizei wurde | |
| eingesetzt. Tatsächlich sinken die Straftaten seit dem Einsatz 2015. Es | |
| gibt runde Tische für Toleranz und Verständigung. Und die autonome Linke, | |
| sagt Friedrich G., die dort zwar eher nicht dabei sei, aber andere Aktionen | |
| mache. Die rechte Szene in Dortmund sei extrem und gewaltbereit, werde aber | |
| nicht von einer breiten Bevölkerung mitgetragen, ergänzt Friedrich Stiller. | |
| An der NSU-Gedenkstätte endet die Runde. Eine Minute schweigen wir für | |
| Mehmet Kubaşık und die anderen Opfer rechter Gewalt. Eine Frau bedankt | |
| sich, sie habe nur die Nazi-Geschichten über Dortmund gekannt. Jetzt wisse | |
| sie auch, was auf der anderen Seite los sei. Und dass viel los sei. | |
| 22 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Jolinde Hüchtker | |
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