# taz.de -- Rebellen im Kongo: Die M23-Zerreißprobe | |
> Ostafrika will Kongo helfen, bewaffnete Gruppen zu bekämpfen – und | |
> Gespräche einfädeln. Nun rumort es kräftig in Kongos Streitkräften. | |
Bild: Bunagana an der kongolesisch-ugandischen Grenze, seit vier Monaten unter … | |
BERLIN taz | Jeden Morgen veröffentlicht die kongolesische | |
Jugendorganisation [1][LUCHA] auf Twitter die Zahl der Tage, seit die Stadt | |
Bunagana an Kongos Grenze zu Uganda von der Tutsi-geführten Rebellengruppe | |
M23 (Bewegung des 23. März) besetzt ist. 120 Tage waren es am Dienstag, | |
also genau vier Monate. | |
Die Assoziation mit der russischen Besetzung der Ukraine ist gewollt. Sie | |
setzt die M23-Präsenz mit einer fremden Besatzung gleich, in diesem Fall | |
durch Ruanda, und soll Aufmerksamkeit auf Ostkongos vergessenen Krieg | |
lenken. | |
Die M23-Rebellen haben sich im Dreiländereck zwischen Kongo, Ruanda und | |
Uganda eingerichtet, wie bereits im Jahr 2012, als sie erstmals in | |
Erscheinung traten. Sie haben eine zivile Verwaltung eingesetzt, lokale | |
Bürgermeister in den Dörfern ernannt. „Wir garantieren hundertprozentige | |
Sicherheit“, sagt [2][M23-Präsident Bertrand Bisimwa] der taz am Telefon. | |
„Der Markt und die Geschäfte haben geöffnet, die Bauern holen ihre Ernte | |
ein.“ Abertausende Flüchtlinge seien in den vergangenen Wochen aus Uganda | |
zurückgekehrt, um ihre Äcker zu bestellen. | |
[3][M23-Sprecher Willy Ngoma] veröffentlicht auf Twitter Fotos von | |
M23-Militärführer Sultani Makenga: Er steht in Regenjacke und Uniform auf | |
einer Weide mitten im besetzten Gebiet und hütet seine Kühe. „Bei uns ist | |
alles in Ordnung“, steht darunter. | |
Gegen die Rebellen protestierten am Montag Hunderte Schüler aus Bunagana, | |
die nahe der Bezirkshauptstadt Rutshuru im Vertriebenenlager leben. Zum | |
Schulbeginn im September hat die M23 die Schulleiter angewiesen, die | |
Schulen zu öffnen. Doch die geflohenen Schüler können nicht zurück, weil | |
die Straße von Rutshuru nach Bunagana umkämpft ist. „Wir wollen nicht die | |
M23, wir wollen die FARDC“, skandierten sie. Die FARDC ist Kongos | |
Regierungsarmee. | |
## Hoffen auf Eingreifen Ostafrikas | |
In den vergangenen Monaten ist jeder Versuch der Armee gescheitert, das | |
bergige Grenzgebiet zurückzuerobern. In Kongo gilt es als ausgemachte | |
Sache, dass dies an Ruandas Unterstützung für die M23 liegt. Die für Kongo | |
zuständige [4][UN-Expertengruppe hat konkrete Hinweise], dass Ruandas Armee | |
den Rebellen Soldaten und Militärgerät geschickt hat. | |
Im September vereinbarte Kongos Regierung mit den Staaten der | |
[5][Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC]) einen gemeinsamen Plan zum | |
Eingreifen gegen die M23 und andere bewaffnete Gruppen im Ostkongo. Jede | |
Miliz, die nicht freiwillig die Waffen niederlegt, soll militärisch | |
bekämpft werden. Die Nachbarländer – mit Ausnahme Ruandas, das aber eine | |
wichtige logistische Rolle spielen soll – wollen dafür Truppen schicken, um | |
Kongos Armee zu helfen. Doch seitdem ist wenig passiert. „Es gibt keinen | |
konkreten Zeitplan, alles hängt von der Stationierung der regionalen | |
Streitkräfte ab“, erklärte Kongos Präsident Felix Tshisekedi in einem | |
Interview nach der UN-Generalversammlung in New York. | |
Dafür musste Kongos Präsident zunächst die Weichen in seinem eigenen | |
Generalstab neu stellen. Denn die mächtigen Generäle hatten sich bislang | |
geweigert, mit den Nachbarländern zu kooperieren und deren Pläne | |
umzusetzen. | |
Zum [6][EAC-Plan] zählt nämlich auch etwas, was in Kongo auf verbreitete | |
Ablehnung stößt: mit der M23 erstmal zu verhandeln, damit sie die Waffen | |
freiwillig niederlegt. Soldaten aus Kenia im Ostkongo sollen eine | |
demilitarisierte Pufferzone zwischen dem M23-Gebiet und dem | |
Regierungsgebiet etablieren, während die verfeindeten Parteien in Nairobi | |
Verhandlungen aufnehmen. Solche Gespräche gab es bereits im April, aber sie | |
blieben ergebnislos; jetzt soll ein zweiter Versuch starten. | |
## Bisheriger Generalstabschef sitzt in Haft | |
Tshisekedi hat deswegen jetzt Kongos Armeeführung ausgetauscht. Der | |
bisherige Generalstabschef Celestin Mbala wurde am Sonntag festgenommen, | |
als er aus der Kirche kam. Er sitzt nun mit weiteren hochrangigen Generälen | |
im Militärgefängnis. Darunter auch der mächtige General Philémon Yav, der | |
bislang das Militär im Ostkongo kommandierte, also auch die Operationen | |
gegen die M23. Er gilt als enger Vertrauter von Ex-Präsident Joseph Kabila. | |
Ein weiterer General war im August in Goma vergiftet worden. Auch in diesem | |
Zusammenhang gab es Verhaftungen, Generäle werden beschuldigt, einen Putsch | |
geplant zu haben. | |
Nun hat Tshisekedi einen Vertrauten ins Amt des Generalstabschefs gehievt: | |
General Christian Tshiwewe, bislang Kommandant der Präsidialgarde. | |
Kongolesischen Berichten zufolge gilt Tshiwewe als anti-ruandischer | |
Scharfmacher. Aber „ich werde den Präsidenten niemals verraten“, | |
versicherte er bei seiner Amtseinführung am Sonntag. | |
So kommt Bewegung in die Sache, sowohl diplomatisch als auch militärisch. | |
Tshisekedis EAC-Sonderbeauftragter Serge Tshibangu hat angekündigt, dass | |
die Verhandlungen mit den bewaffneten Gruppen in Kenias Hauptstadt Nairobi | |
„bald“ wieder aufgenommen werden. „Ob wir Teil des Dialogs sein werden, i… | |
uns noch nicht bekannt“, sagt M23-Chef Bisimwa der taz. „Wir sehen nämlich | |
derzeit, dass die Armee ihre Truppen verstärkt. Wir müssen jeden Moment mit | |
einem Angriff rechnen.“ | |
## Kenias Armee ist unterwegs, Burundis Armee ist schon da | |
Auch die ostafrikanische Truppenstationierung nimmt Gestalt an. Im | |
September schickte Kenia einen ersten Konvoi mit schwerem Militärgerät via | |
Uganda nach Ostkongo bis nach Goma. Bald sollen auch Soldaten folgen. | |
Burundis Armee ist bereits in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu | |
stationiert, um Kongos Armee im Kampf gegen burundische Rebellen zu helfen. | |
Bislang ist dies ein bilaterales Engagement, doch [7][Burundis Präsident | |
Évariste Ndayishimiye] hält derzeit den EAC-Vorsitz und traf am Wochenende | |
Ugandas Präsidenten Yoweri Museveni, um die gemeinsamen Militäroperationen | |
im Ostkongo zu besprechen. | |
Museveni hat just ebenfalls seine Armeeführung ausgetauscht und seinen Sohn | |
[8][Muhoozi Kainerugaba], bislang Heereschef, zum Vier-Sterne General | |
gekürt. Analysten sehen dies als Vorbereitung auf ein weiteres | |
militärisches Engagement im Kongo. | |
13 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.luchacongo.org/ | |
[2] https://twitter.com/bbisimwa | |
[3] https://twitter.com/WillyNG0MA | |
[4] https://apnews.com/article/africa-genocides-rwanda-rwandan-genocide-united-… | |
[5] https://www.eac.int/ | |
[6] /Ostafrika-will-im-Kongo-eingreifen/!5860126 | |
[7] /Praesidentennachfolge-in-Burundi/!5656671 | |
[8] https://twitter.com/mkainerugaba | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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