# taz.de -- Razzia gegen Letzte Generation: Radikal gegen Klimaaktivisten | |
> Bei einer Razzia in sieben Bundesländern wurden 15 Objekte durchsucht. | |
> Gegen sieben Personen wird ermittelt. Auch die Website wurde gesperrt. | |
Bild: Auch im Mai 2023 klebten sich Aktivistinnen der Letzen Generation als Zei… | |
BERLIN taz | Eigentlich wollte die Letzte Generation bei ihrer | |
Pressekonferenz an der Berliner Reformationskirche am Mittwoch ihre Pläne | |
für den Sommer vorstellen. Doch es drängte sich ein anderes Thema auf die | |
Tagesordnung: Am Mittwochmorgen durchsuchte die Polizei fünfzehn Wohnungen | |
und Geschäftsräume der Aktivist:innen in sieben Bundesländern – im | |
Auftrag des bayerischen Landeskriminalamts und der | |
Generalstaatsanwaltschaft München. | |
Ermittelt wird gegen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren. | |
Konkret wirft die Generalstaatsanwaltschaft München den Aktivist:innen | |
vor, mindestens 1,4 Millionen Euro Spenden gesammelt zu haben, die | |
überwiegend für die Begehung weiterer Straftaten eingesetzt worden sein | |
sollen. Die sieben Aktivist:innen, darunter [1][Sprecherin Carla Hinrichs], | |
werden der Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung | |
verdächtigt. Zwei der Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, im April 2022 | |
versucht zu haben, die Ölpipeline von Triest nach Ingolstadt zu | |
„sabotieren“. Festnahmen erfolgten bislang keine. | |
Laut dem Bayerischen Landeskriminalamt war das Ziel der Aktion, | |
Vermögenswerte zu beschlagnahmen, sowie Informationen über die Finanzierung | |
und Mitgliederstruktur zu beschaffen. Im Zuge dessen wurden zwei Konten | |
beschlagnahmt und Vermögenswerte sichergestellt. Wie viel Geld bereits | |
konfisziert wurde, gab die Polizei nicht bekannt. Auch die Webseite der | |
Protestbewegung wurde am Mittwoch gesperrt. In Bayern tauchte bei dem | |
Versuch, die Seite aufzurufen, ein Hinweis des Landeskriminalamts auf, dass | |
Spenden an die Organisation „ein strafbares Unterstützen der | |
[2][kriminellen Vereinigung]“ sind. | |
In ihrer Pressekonferenz kritisierte die Letzte Generation die | |
Durchsuchungen als unverhältnismäßig. In Anlehnung an eine Äußerung des | |
Bundeskanzlers bezeichnete Sprecherin Aimeé van Baalen die Aktion als | |
„völlig bekloppt“. Auch andere Klimaschutzorganisationen zeigten sich | |
solidarisch mit den Kleber:innen. Die Gruppe Ende Gelände beklagte, Razzien | |
gebe es bei denen, „die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die | |
dafür verantwortlich sind“. | |
Die rechtspolitischen Sprecher:innen der Partei Die Linke | |
veröffentlichten ein Statement, in dem sie zur Wahrung des | |
Versammlungsrechts auffordern. Der stellvertretende Vorsitzende der Partei, | |
Lorenz Gösta Beutin, bezeichnete die Razzia als „völlig überzogen“. | |
Drastische Töne von der Polizei | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstützte hingegen die | |
Durchsuchungen: „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich | |
nicht auf der Nase herumtanzen lässt“, sagte sie der Funke-Mediengruppe. In | |
drastischerem Ton verteidigte der Bundesvorsitzende der Deutschen | |
Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Aktion: „Die Bevölkerung, die unter | |
dem Straßenterror dieser selbsternannten Klimaretter täglich tausendfach | |
leidet, wird endlich als das tatsächliche Opfer dieser Kriminellen | |
wahrgenommen.“ | |
Der Protestforscher Simon Teune kritisiert, es werde „übermäßig viel | |
Energie aufgewendet, um die Blockierer:innen von der Straße zu bringen, | |
anstatt die Ursachen zu beseitigen, die sie auf die Straße treiben“. Mit | |
Blick auf die Zukunft hält er die Repressionen für keinen guten Schachzug | |
des Staats. Bislang zeichne sich die Klimabewegung dadurch aus, dass sie | |
ein großes Vertrauen in die demokratischen Institutionen habe. „Aber wenn | |
die Institutionen den Aktivist:innen zunehmend feindselig | |
gegenüberstehen, kann sich das auch ändern.“ | |
Aus Ermittlungskreisen hieß es, die Aktionen der Gruppe seien als | |
fortgesetzte Nötigungen zu sehen. Zudem seien es immer die gleichen | |
Personen, die Straftaten begingen oder dazu aufriefen – auch mit der | |
Ankündigung, dafür ins Gefängnis zu gehen. All das begründe den Verdacht | |
einer übergeordneten Organisation und damit der Bildung einer kriminellen | |
Vereinigung. | |
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin in Brandenburg | |
bereits gegen die Klimaaktivist:innen wegen des Verdachts der Bildung | |
einer kriminellen Vereinigung. Auch hier wird der Gruppe etwa das Abdrehen | |
von Ventilen in der Raffinerie in Schwedt vorgeworfen sowie eine | |
Besetzungsaktion auf dem Berliner Flughafen. Im Dezember 2022 gab es | |
deshalb [3][bereits ebenfalls bundesweit Durchsuchungen.] Als Reaktion | |
darauf hatten sich Hunderte Unterstützerinnen der Gruppe selbst angezeigt. | |
Das Landgericht Potsdam hatte zuletzt den [4][Anfangsverdacht einer | |
kriminellen Vereinigung] bestätigt. In Berlin oder Sachsen hatten | |
Staatsanwaltschaften erst kürzlich erklärt, für sie liege dieser | |
Anfangsverdacht bisher nicht vor. So befand die Berliner | |
Generalstaatsanwaltschaft, dass die Aktionen der Gruppe „nicht auf die | |
Begehung hinreichend gewichtiger Straftaten gerichtet ist“. Die Berliner | |
Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) will den Vorwurf aber noch mal | |
prüfen zu lassen. | |
Die Aktion diene vor allem der Einschüchterung, betonte van Baalen bei der | |
Pressekonferenz. „Sie machen uns Angst“, sagte sie, „aber wir dürfen nic… | |
in dieser Angst verharren.“ Die Letzte Generation hat deshalb zu | |
bundesweiten Protestmärschen aufgerufen. | |
24 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Prozess-gegen-Klimaaktivistin-Carla-Hinrichs/!5916813 | |
[2] /Klimaprotest-keine-kriminelle-Vereinigung/!5935457 | |
[3] /Vorwurf-kriminelle-Vereinigung/!5902573 | |
[4] /Nach-Razzia-bei-Letzter-Generation/!5905536 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Jannik Grimmbacher | |
## TAGS | |
Sitzblockade | |
IG | |
Polizei | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
klimataz | |
Aktivismus | |
Letzte Generation | |
Letzte Generation | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Letzte Generation | |
IG | |
IG | |
Schwerpunkt Klimaproteste | |
Schwerpunkt Klimaproteste | |
Wochenkommentar | |
Letzte Generation | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Justiz gegen Letzte Generation: Im Schnellverfahren | |
Klimaaktivisten sollen nun im beschleunigten Verfahren abgeurteilt werden. | |
Dabei ist die Sachlage kompliziert. Kritiker befürchten „Sonderjustiz“. | |
Nach Razzia bei Klimaaktivist:innen: Zweifel an Rechtmäßigkeit | |
Parteiübergreifend kritisiert die Politik den Vorwurf, dass die | |
Klimagruppe eine kriminelle Vereinigung sei. Die Staatsanwaltschaft räumt | |
Fehler ein. | |
Razzien bei Klimaaktivisten: Bayern wirbt Letzte Generation ab | |
Nach den Durchsuchungen bei der Letzten Generation ist es mit dem Fokus auf | |
Berlin erst mal vorbei. Schwerpunkt wird jetzt Bayern. | |
Razzien bei der Letzten Generation: Stöbern in offenen Büchern | |
Die Durchsuchungen bei Klimaaktivist*innen zielt auf ihre Einschüchterung. | |
Der Vorwurf, sie gefährdeten die öffentliche Sicherheit, ist absurd. | |
Strafverteidiger über Letzte Generation: „Geht um Stigma des ‚Kriminellen�… | |
Rechtsanwalt Lukas Theune hält die Razzien für politisch motiviert. Die | |
Organisation stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. | |
Echo auf Razzia gegen Letzte Generation: „Wann kommt Razzia bei Lindner?“ | |
Im Netz sind die Reaktionen auf die Durchsuchungen bei der Letzten | |
Generationen geteilt. Viele solidarisieren sich mit der Gruppe, aber es | |
gibt auch befürwortende Kommentare zu den Maßnahmen. | |
Letzte Generation in Berlin: Senat bringt Justiz in Stellung | |
Schwarz-Rot will prüfen, ob die Letzte Generation eine "kriminelle | |
Vereinigung" ist. Die Staatsanwaltschaft weist den Vorwurf zurück. | |
Klimaprotest keine kriminelle Vereinigung: Absurder Vorwurf | |
Die Ermittlungen gegen die Letzte Generation entbehren jeder Grundlage. Ein | |
Berliner Staatsanwalt sieht keine schweren Straftaten. | |
Nach Razzia bei „Letzter Generation“: Hunderte Selbstanzeigen | |
Bei der Staatsanwaltschaft sind rund 380 Selbstanzeigen von | |
Unterstützer*innen der „Letzten Generation“ eingegangen. Eine Petition | |
hat über 1.000 Unterschriften. |