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# taz.de -- Rassismusvorwürfe in Mölln: Polizist aus dem Dienst entfernt
> Offenbar gab es in einer schleswig-holsteinischen Polizeiwache jahrelang
> rassistische Äußerungen, toleriert von den Führungskräften.
Bild: Unter Beobachtung: Polizist*innen vor dem Möllner Bahide-Arslan-Haus, in…
Hamburg taz | Einer hetzt und die anderen lassen ihn gewähren. Und das
offenbar seit Jahren. Diese Vorwürfe gegen Beamte der Polizeistation in
Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) hat die schleswig-holsteinische
Landespolizei am Freitag öffentlich gemacht. Einzelheiten zu den Inhalten
der rassistischen Äußerungen sind bisher nicht bekannt.
Nur so viel: „Das mutmaßlich Gesagte stellt nationalsozialistisches
Gedankengut dar, ist diskriminierend, herabwürdigend, menschenverachtend
und begründet damit erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des
Polizeibeamten“, sagte der Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, Bernd
Olbrich, am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem
stellvertretenden Landespolizeidirektor Hartmut Kunz in Kiel.
Der Polizist, der nationalsozialistisches Gedankengut äußerte, ist demnach
bereits aus dem Dienst entfernt worden, Ermittlungen gegen sechs weitere
Polizisten laufen. Gegen drei Führungskräfte wurden Disziplinarverfahren
eingeleitet, unter anderem, weil sie entsprechende Äußerungen einfach
geduldet und in einem Fall sogar mitgemacht haben sollen. Sie wurden
versetzt und haben keine Führungsaufgaben mehr. Sie sollen außerdem Zeugen
beeinflusst haben.
„Der Vorfall auf der Polizeistation Mölln ist durch nichts zu entschuldigen
oder zu rechtfertigen“, sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine
Sütterlin-Waack (CDU). „Um es ganz offen zu sagen – hier haben
Führungskräfte versagt.“ Die Aufarbeitung dieses Falles aber zeige, dass
Instrumente, wie das polizeiinterne Früh-Warnsystem „Radar“, das im
September 2019 eingeführt wurde, oder verschiedene Ansprechstellen, die
richtigen seien, bekannt seien und genutzt würden, so die Innenministerin.
## Polizist löste Ermittlungen in Mölln aus
Losgetreten hatte die Ermittlungen ein Polizist der Möllner Wache. Während
einer Streifenfahrt im Mai 2022 habe sich sein dienstälterer Kollege
rassistisch geäußert. Der jüngere Beamte habe daraufhin die Antirassismus-
und Wertebeauftrage der Polizei informiert, sagte Olbricht auf der
Pressekonferenz am Freitag. In der Folge sei es zu Durchsuchungen gekommen,
auch Chats der Beamten untereinander wurden ausgewertet. Dabei seien
weitere Hinweise auf rassistische Äußerungen und auch auf Betrugsdelikte
zum Beispiel zu Arbeitszeit gefunden worden.
Die Ermittlungen wurden später auf weitere Polizisten der Möllner
Polizeiwache ausgeweitet. Mittlerweile liefen, so Olbricht, gegen zehn der
29 Polizeibeamten der Station Mölln Disziplinar- und Strafverfahren. Mit
dem Ergebnis, dass es dort bereits seit 2015 rassistische Äußerungen
gegeben hat. „Dass ein Polizeibeamter über ganze sieben Jahre unbehelligt
rassistisch, gar in nationalsozialistischer Rhetorik im Dienst auftreten
und agieren konnte, lässt mich erschaudern“, sagte SSW-Fraktionschef Lars
Harms. Er zollte dem dienstjüngeren Polizisten Respekt, der dem Treiben ein
Ende gesetzt habe.
## „Gravierende Führungsprobleme“ auf der Wache
„Mich beunruhigt vor allem der lange Zeitraum, über den die Äußerungen
offenbar getätigt wurden“, sagte Niclas Dürbrook, polizeipolitischer
Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein. „Das wirft Fragen
nach einer Gruppendynamik und gravierenden Führungsproblemen vor Ort in
Mölln auf.“ Sollte sich bestätigen, dass sich Führungskräfte beteiligt und
sogar auf einen Zeugen eingewirkt hätten, wäre das sogar Ausdruck eines
massiven Führungsversagens, so Dürbrook.
„Die nun bekannt gewordenen Erkenntnisse sind schwerwiegend“, sagte der
innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jan Kürschner.
„Wie die Polizeiführung sich sofort und eindeutig positioniert hat, war
sowohl vorbildhaft als auch notwendig. Rassistisches und kriminelles
Verhalten kann und wird die Polizei Schleswig-Holstein nicht in ihren
Reihen dulden. Das ist das Signal.“
## Ausgerechnet in der Möllner Polizei
Es sei niederschmetternd, dass „ausgerechnet in der Möllner Polizei Beamte
ihren Dienst verrichtet haben, die sich ausländerfeindlich geäußert haben
und deren Verfassungstreue infrage steht“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende
und Möllner Landtagsabgeordnete Rasmus Vöge am Freitagnachmittag.
Die Stadt Mölln steht immer auch in einer Reihe mit [1][Hoyerswerda],
[2][Rostock-Lichtenhagen] und [3][Solingen]. [4][Der Brandanschlag, bei dem
1992 in Mölln drei Menschen starben, ist jetzt gut 30 Jahre her]. Die Stadt
setzt sich mit dieser Geschichte aktiv auseinander. Gemeinsam mit anderen
Städten, in denen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten rassistisch
oder rechtsextrem motivierte Anschläge verübt worden sind, baut sie ein
bundesweites [5][Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“] auf.
9 Feb 2024
## LINKS
[1] /Jahrestag-der-Angriffe-in-Hoyerswerda/!5802013
[2] /30-Jahre-Rostock-Lichtenhagen/!5874650
[3] /Fast-30-Jahre-nach-Solinger-Brandanschlag/!5891441
[4] /30-Jahre-nach-Brandanschlag-in-Moelln/!5893471
[5] /Netzwerk-Tatorte-rassistischer-Gewalt/!5789853
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Mölln
Rechtsextremismus
Polizei Schleswig-Holstein
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Schwerpunkt Rassismus
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