| # taz.de -- Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“: Anschlagsopfer außen … | |
| > Die Stadt Mölln will ein Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“ | |
| > aufbauen. Betroffene kritisieren, dass sie nicht in die Planung | |
| > einbezogen sind. | |
| Bild: Die Stadt Mölln gedenkt schon länger der Opfer des Brandanschlags, hier… | |
| Hamburg taz | „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich | |
| dafür, dass es nicht mehr geschieht.“ Mit diesem Zitat des | |
| Schoah-Überlebenden Max Mannheimer überschreibt die Stadt Mölln den | |
| Infoprospekt für ein neues Vorhaben: Ein Netzwerk von [1][Tatorten | |
| rassistischer Gewalt] in Deutschland soll entstehen. | |
| Gemeinsam mit anderen Städten, in denen in den vergangenen Jahren und | |
| Jahrzehnten rassistisch oder rechtsextrem motivierte Anschläge verübt | |
| wurden, will Mölln das Vorhaben umsetzen. Am Donnerstag und Freitag findet | |
| dazu in der Kleinstadt im Kreis Lauenburg das Auftakttreffen statt. | |
| Ein Netzwerk „professioneller Mahn- und Lernorte“ soll geplant und | |
| realisiert werden, heißt es in dem Prospekt. Alle diese Orte und Taten | |
| müssten in einen Zusammenhang gestellt werden, „der über das Mahnen oder | |
| Gedenken hinausgeht“, heißt es weiter. Unter anderem sind | |
| Vertreter:innen der Städte Hanau, Rostock, Hoyerswerda und Solingen | |
| eingeladen, um an dem Austausch teilzunehmen und erste Ideen zu | |
| beratschlagen. | |
| Nicht eingeladen sind hingegen die Betroffenen und Angehörigen der Opfer | |
| selbst. Das kritisiert [2][Ibrahim Arslan]. Er ist einer der Überlebenden | |
| des Mordanschlags von Mölln. In der Nacht zum 23. November 1992 verlor er | |
| seine Großmutter Bahide Arslan, seine Schwester Yeliz Arslan und seine | |
| Cousine Ayşe Yılmaz bei dem rassistisch motivierten Brandanschlag. Arslan | |
| engagiert sich seit vielen Jahren in der Antirassismus-Arbeit. | |
| ## Nur ein Angehöriger eingeladen | |
| Lediglich sein Vater sei vor geraumer Zeit zu dem zweitägigen Austausch | |
| eingeladen worden. „Ansonsten wurde niemand aus meiner Familie über die | |
| Veranstaltung informiert und auch keine Familienangehörigen aus den anderen | |
| Städten wurden eingeladen oder wissen von diesem Vernetzungstreffen“, sagt | |
| der 36-Jährige. „Die Grundvoraussetzung für ein solches Treffen sollte | |
| sein, dass alle Betroffenen einbezogen werden“, sagt er weiter. | |
| Dabei gehe es nicht nur um die Betroffenen aus Mölln, sondern auch um die | |
| Angehörigen der Opfer aus Hanau und anderen Städten. Nur einen einzigen | |
| Betroffenen einzuladen, um sagen zu können, man habe jemanden aus den | |
| Familien dabei, reiche nicht aus, so Arslan. | |
| Möllns Bürgermeister Jan Wiegels (SPD) sagt am Telefon, bei diesem ersten | |
| Treffen seien wahrscheinlich keine Betroffenen dabei, auch wenn man eine | |
| Person aus Mölln eingeladen habe: „Wir wollen uns erst mal als Städte | |
| austauschen und gucken, ob diese Idee trägt.“ Zu Beginn wolle man über | |
| organisatorische Dinge sprechen und noch nicht über konkrete Inhalte. Daher | |
| seien zum Auftakttreffen keine weiteren Betroffenen eingeladen worden. | |
| Dass dafür aber Bundestagsabgeordnete wie Nina Scheer (SPD) als auch | |
| Landtagsabgeordnete eingeladen sind, wirft Fragen auf. „Es sollen auch | |
| Bundesgelder in das Projekt einfließen“, sagt Bürgermeister Wiegels dazu. | |
| Nina Scheer sagt auf taz-Anfrage, sie gehe davon aus, dass der „Austausch | |
| unter Einbindung der Betroffenen Bestandteil des Konzeptes und somit | |
| enthalten“ sei. In der Einladung an die Gäste heißt es, man wünsche sich, | |
| auch Betroffene aus den jeweiligen Städten begrüßen zu dürfen. Warum diese | |
| bei dem Auftakttreffen nun doch nicht dabei sein werden, ist unklar. | |
| ## Betroffene sollen „im nächsten Schritt“ einbezogen werden | |
| Bürgermeister Wiegels verweist auf den Verein „Miteinander leben“, der nach | |
| dem Brandanschlag 1992 gegründet wurde und das Netzwerktreffen in Mölln | |
| mitorganisiert. Ibrahim Arslan sagt aber, er und andere Betroffene aus | |
| Mölln fühlten sich von dem Verein nicht repräsentiert: „Sie kooperieren | |
| weder mit meiner Familie noch haben sie uns in irgendeiner Form unterstützt | |
| oder uns Zugang zu ihrer Begegnungsstätte gewährt“, so Arslan. | |
| Bürgermeister Wiegels versichert, im nächsten Schritt sei aber geplant, | |
| auch Betroffene zu involvieren: „Wenn es darum geht, wie man das inhaltlich | |
| ausgestaltet, wird das natürlich nur mit den Betroffenen zusammen gehen.“ | |
| Ibrahim Arslan hätte sich dennoch einen Beteiligung von Beginn an | |
| gewünscht: „Betroffene und Angehörige sind keine Statisten, sondern die | |
| Hauptzeugen des Geschehenen. Aus diesem Grund sollte man sie immer mit | |
| einbeziehen“, fordert er. | |
| 19 Aug 2021 | |
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| [1] /Brandanschlag-in-Luebeck-1996/!5741659 | |
| [2] /Tribunal-zur-NSU-Mordserie/!5406634 | |
| ## AUTOREN | |
| Simeon Laux | |
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