# taz.de -- Ermittlungen zu Hanau-Anschlag: Tödliche Falle | |
> Nach dem Hanau-Anschlag wurde geprüft, ob ein versperrter Notausgang | |
> Menschenleben kostete. Nun wurden die Ermittlungen eingestellt. | |
Bild: Ein Polizist in der Nähe eines Tatorts des Hanau-Anschlags im Februar 20… | |
HANAU/BERLIN taz | Es war eine tödliche Falle. Als am [1][19. Februar 2020] | |
der Attentäter von Hanau die Arena Bar betrat, gab es für die Anwesenden | |
keinen Weg nach draußen. Der Eingang war durch den Schützen blockiert, der | |
Notausgang schien verschlossen. | |
Dann fielen die Schüsse. Am Ende starben in der Bar zwei Menschen, im | |
benachbarten Kiosk drei. [2][Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi. Gökhan | |
Gültekin, Mercedes Kerpacz und Ferhat Unvar]. Zuvor schon hatte der | |
Attentäter vier weitere Menschen in Hanau getötet. | |
Zwei Überlebende und drei Angehörige eines in der Arena Bar Getöteten | |
stellten anschließend [3][Anzeige wegen fahrlässiger Tötung]: Der | |
verschlossene Notausgang habe eine Flucht verhindert und so Menschenleben | |
gekostet. Die Staatsanwaltschaft Hanau prüfte zuletzt diesen Vorwurf – und | |
stellte die Ermittlungen nun ein. | |
Ein „strafrechtlich relevantes Fehlverhalten“ der Barbetreiber sei „nach | |
umfangreichen Ermittlungen nicht festgestellt“ worden, heißt es in einer | |
40-seitigen Erklärung, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. So sei weder | |
sicher, ob der Notausgang tatsächlich verschlossen war, noch ob die | |
Getöteten tatsächlich die Chance hatten, zum Ausgang zu gelangen und sich | |
zu retten. | |
## Polizeiprotokoll notiert verschlossenen Notausgang | |
Ein Polizeibeamter hatte nach dem Anschlag dagegen in einem Protokoll | |
festgehalten, dass die Notausgangtür „bei der Tatortaufnahme verschlossen“ | |
war. Auch in einem Polizeivideo war zu sehen, wie ein Beamter versuchte, | |
die Tür zu öffnen – was nicht gelang. Zudem hatten mehrere Stammgäste der | |
Arena Bar in Vernehmungen angegeben, dass der Notausgang seit Jahren fast | |
immer verschlossen gewesen sei – und dies auch alle gewusst hätten. Einige | |
behaupteten, dies sei im Einvernahme mit der Polizei geschehen, um | |
Fluchtversuche bei Drogenrazzien zu verhindern. | |
Die Staatsanwaltschaft hatte darauf Gewerbeakten und Bauunterlagen | |
gesichtet und mehrere Zeugen noch einmal vernommen. Die Aussagen, ob der | |
Notausgang wirklich verschlossen war, seien dabei widersprüchlich gewesen, | |
so die Behörde nun. So hätten Angestellte und andere Besucher angegeben, | |
die Tür sei durchaus gelegentlich oder dauerhaft offen gewesen. | |
Der Barbetreiber habe erklärt, dass die Tür manchmal klemme und diese vor | |
Polizeibeamten mit kräftigem Anlehnen auch geöffnet bekommen. Es sei damit | |
„nicht mit letzter Gewissheit geklärt“, ob die Tür in der Tatnacht | |
verschlossen war oder nicht, so die Staatsanwaltschaft. | |
## Hätten die Flüchtenden den Notausgang erreichen können? | |
Zudem gebe es Zweifel, ob die Erschossenen den Notausgang überhaupt hätten | |
erreichen können, da dieser nahe des Bareingangs gelegen habe. Die | |
Flüchtenden hätten also direkt am eintretenden Täter vorbei gemusst. Die | |
meisten Anwesenden seien aber vielmehr in den hinteren Teil der Bar | |
geflüchtet, als die ersten Schüssen fielen, „weg von der Gefahrenquelle“. | |
Dort hätten einige, erfolglos, versucht in einen versperrten Lagerraum zu | |
gelangen. | |
Ohnehin hätten den Anwesenden nur fünf bis sechs Sekunden zur Flucht zur | |
Verfügung gestanden, so die Staatsanwaltschaft. Es könne damit auch hier | |
„nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ davon ausgegangen werden, dass | |
den beiden in der Arena Bar Erschossenen über den Notausgang die Flucht | |
gelungen wäre. Diese Annahme sei „lediglich hypothetischer Natur“. | |
Die Betreiber treffe auch keine Schuld, so die Staatsanwaltschaft. Denn das | |
Bauamt habe der Bar keine baurechtlichen Mängel attestiert. Zudem gebe es | |
keine Belege, dass die Polizei tatsächlich angeordnet habe, dass der | |
Notausgang verschlossen sein solle. Auch der Barbetreiber habe solche | |
Absprachen bestritten. Die Polizei hatte dies ebenfalls dementiert: Solch | |
eine Weisung würde „niemals“ ergehen. | |
## „Keiner will Verantwortung übernehmen“ | |
Schon zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Hanauer | |
Polizei abgelehnt, deren Notruf in der Tatnacht kaum zu erreichen war. Ein | |
strafrechtlich relevantes Fehlverhalten sei auch hier nicht zu erkennen, | |
[4][teilte die Behörde im Juli mit]. Opferangehörige und | |
Unterstützer:innen hatten die Entscheidung kritisiert. „Hier will mal | |
wieder keiner die Verantwortung übernehmen“, erklärte Niculecsu Păun, Vater | |
des erschossenen Vili Viorel Păun. | |
27 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Ein-Jahr-nach-Hanau/!5748572 | |
[2] /Ein-Jahr-nach-Hanau/!5748572 | |
[3] /Nach-Anschlag-in-Hanau/!5761269 | |
[4] /Keine-Ermittlungen-zu-Notruf-in-Hanau/!5780632 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Hessen | |
Polizei Hessen | |
Justiz | |
GNS | |
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau | |
Schwerpunkt Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Serpil Temiz-Unvar über ihre Initiative: „Ferhat hat immer gekämpft“ | |
Sie verlor bei dem Hanau-Attentat ihren Sohn Ferhat. Serpil Temiz-Unvar | |
gründete darauf eine Bildungsinitiative, die nun feste Räume bezieht. | |
Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“: Anschlagsopfer außen vor | |
Die Stadt Mölln will ein Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“ aufbauen. | |
Betroffene kritisieren, dass sie nicht in die Planung einbezogen sind. | |
Keine Ermittlungen zu Notruf in Hanau: „Mein Sohn könnte noch leben“ | |
Beim Hanau-Anschlag war der Polizeinotruf kaum erreichbar. Ermittlungen | |
dazu wird es aber nicht geben. Angehörige üben daran Kritik. | |
Nach dem Anschlag in Hanau: Absage an Hessen | |
Die Angehörigen und Überlebenden von Hanau legen Beschwerde gegen Hessen | |
ein. Sie werfen den Behörden Uneinsichtigkeit und mangelnde Aufklärung vor. |