# taz.de -- Prozess gegen Autobahn-Blockierer: Klebrige Angelegenheit | |
> Nils R. steht vor Gericht, weil er sich auf eine Straße geklebt hat. Was | |
> wiegt mehr – die Not des Klimas oder die Nötigung von Berufspendlern? | |
Gleich nach Beginn des Prozesses liest der zwanzigjährige Nils R. eine | |
persönliche Erklärung von einem Blatt Papier ab: „Vor nur wenigen Monaten | |
hätte ich es mir nicht vorstellen können, in meinem Leben mal vor Gericht | |
zu stehen“, sagt der Klimaaktivist am Dienstag vor dem Jugendrichter des | |
Amtsgerichts Berlin-Tiergarten. | |
Der Philosophiestudent aus Leipzig, mit einem Bartflaum auf der Oberlippe, | |
angeklagt wegen einer von der Gruppe „Letzte Generation“ organisierten | |
Autobahnblockade, wirkt nicht wie ein überzeugter Revolutionär, sondern | |
eher wie ein nervöser junger Mann. Seine Erklärung liest er mit monotoner | |
Stimme und nicht besonders laut vor. Hier vor Gericht und im Mittelpunkt zu | |
stehen, scheint ihm sichtlich unangenehm zu sein. | |
Und doch sind die Worte, die er vorliest, klar: Er habe in „angenehmer | |
Ignoranz“ gelebt, den „menschengemachten Klimawandel“ verdrängt, sich nur | |
Gedanken um seine persönliche Zukunft gemacht – bis er sich doch mal mit | |
dem Klima beschäftigt habe, mit Hungerkatastrophen, Waldbränden, | |
Überschwemmungen. „Ich konnte nicht mehr einfach so weitermachen wie | |
bisher“, sagt R. „Was bringt es mir, auf meine Lebensträume hinzuarbeiten, | |
wenn wir auf eine Welt zusteuern, in der Lebensträume irrelevant sein | |
werden?“ | |
Die Klimabewegung habe viel erreicht, aber nicht genug, sagt er. R. steht | |
dazu, dass er die Autobahn blockiert hat. Er sagt: „Es tut mir leid, dass | |
wir stören müssen, aber wir müssen stören.“ Noch mehr jedoch tue es ihm | |
leid, „dass die Bundesregierung weiterhin nicht unserer Lage entsprechend | |
handelt.“ | |
Nils R. ist der erste aus der Gruppe „Aufstand der Letzten Generation“, der | |
in Berlin wegen Straßenblockaden vor Gericht steht. Er blockierte zusammen | |
mit sechs weiteren Aktivist*innen Ende Juni um acht Uhr morgens eine | |
Zufahrt der Stadtautobahn in Berlin-Wedding, der meistbefahrenen Autobahn | |
Deutschlands. Seine linke Hand klebte er dafür mit Sekundenkleber auf der | |
Straße fest und harrte vor genervten Autofahrenden aus, bis Polizisten den | |
Kleber mehr als eine Stunde später schließlich mit Öl lösten und R. | |
wegtrugen. Komplett frei war die Zufahrt wieder nach rund anderthalb | |
Stunden. | |
Allerdings, und dies wird beim Urteil noch eine Rolle spielen, hatten sich | |
nicht alle der Klimaschützer festgeklebt, sodass eine der drei blockierten | |
Spuren bereits nach zehn Minuten wieder frei war und der Verkehr langsam | |
abfließen konnte. Das sei mittlerweile Teil jedes Aktionskonzeptes, um die | |
Durchfahrt von Krankenwagen zu gewährleisten, sagt R. Am Ende wird R. nach | |
mehrstündiger Verhandlung nach Jugendstrafrecht zu 60 Stunden | |
Freizeitarbeit wegen Nötigung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht | |
rechtskräftig. | |
Gekommen sind in den Gerichtssaal auch eine Handvoll weitere | |
Klima-Aktivist*innen, die den Prozess ohne Störaktion überwiegend ruhig und | |
hinter Masken mit Logos und Slogans der Letzten Generation verfolgen. In | |
den Prozesspausen stehen sie bei dem Angeklagten, klopfen ihm auf die | |
Schulter und stärken ihm den Rücken. | |
## Schon 131 Verfahren anhängig | |
Zu der öffentlichen Verhandlung ist es gekommen, weil R. Einspruch gegen | |
einen Strafbefehl wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte | |
der Staatsanwaltschaft eingelegt hat. Dabei ist das Verfahren von R. nur | |
eines von bisher 131 wegen der Autobahnblockaden in Berlin. Carla Hinrichs, | |
Sprecherin der Letzten Generation, hat angekündigt, dass die | |
Aktivist*innen in fast allen Verfahren [1][Einsprüche einlegen wollen] | |
– auch um die Prozesse als Bühne zu nutzen. In 66 Fällen sind bisher | |
Strafbefehle ausgesprochen worden, in 24 Verfahren liegt schon ein | |
Einspruch vor. | |
Man könnte also sagen: Nachdem die Autobahnen blockiert wurden, werden nun | |
Gerichte blockiert. Gerichtssprecherin Lisa Jani sagt nach dem Prozess, | |
dass künftig mit vielen dieser Fälle zu rechnen sei. | |
Die [2][Letzte Generation] hat sich als radikalere Variante der „Fridays | |
for Future“-Bewegung gegründet. Ihr Motto lautet: „Wir sind die erste | |
Generation, die den beginnenden Klimakollaps spürt, und die letzte | |
Generation, die noch etwas dagegen tun kann.“ Die zunächst kleinere Gruppe | |
machte erstmals mit einem Hungerstreik im Bundestagswahlkampf auf sich | |
aufmerksam und erzwang ein Gespräch mit dem gerade gewählten Bundeskanzler | |
Olaf Scholz – nachdem einige Aktivist*innen zusammengebrochen waren und | |
ins Krankenhaus gebracht werden mussten. | |
Ihre Aktionen laufen friedlich ab, aber ansonsten riskieren die | |
Aktivist*innen viel: Sie nehmen Festnahmen in Kauf, mögliche Strafen, | |
Wut und Gewalt von Blockierten und der Polizei, riskieren ihre Gesundheit | |
und ihre Zukunft. Sie verlegen eine symbolische Pipeline vor das | |
Wirtschaftsministerium, verspritzen Kunstöl und -blut und versuchen gar, | |
Gaspipelines zu sabotieren. | |
Zuletzt kleben sie sich an die Rahmen von Gemälden in Museen an oder | |
stürmen beim [3][Bundesliga-Topspiel] den Platz, um sich an den Torpfosten | |
zu ketten. Zum Ablauf des 9-Euro-Tickets wollen die Aktivist*innen | |
kollektiv ohne Fahrschein fahren. | |
Die Letzte Generation erhält nach eigenen Angaben bundesweit regen Zulauf. | |
Mittlerweile sollen sich rund fünfhundert Menschen beteiligen. Aktionen gab | |
es mittlerweile rund zweihundert, die Mehrheit davon in Berlin, aber auch | |
in zweiundzwanzig weiteren Städten. | |
## Maximale Aufmerksamkeit, minimale Zustimmung | |
Ihr Ziel ist die maximale Aufmerksamkeit – zur Not auf Kosten anderer, etwa | |
der morgendlichen Pendler, die wegen ihnen zu spät zur Arbeit kommen. Genau | |
damit stoßen ihre Sitzblockaden auf Straßen auf großen öffentlichen | |
Widerhall und regen nicht nur eine Debatte über Protestformen an, sondern | |
auch über die Verschwendung von Lebensmitteln. Die Aktivist*innen | |
hatten bei ihren Blockaden nämlich auch schon ein | |
Lebensmittel-Retten-Gesetz gefordert und noch frische, aber von | |
Supermärkten weggeworfene Lebensmittel auf die Straße gekippt. | |
Im Frühjahr und im Juni nervte die Letzte Generation beinahe täglich | |
Autofahrer*innen und produzierte öffentlichkeitswirksame Bilder und | |
viel Unverständnis. Einige Autofahrer rissen gar Blockierer von der Straße. | |
Zwischenzeitlich wurde es zur Paradedisziplin mancher Medien, [4][genervte | |
Autofahrer zu interviewen]. Allgemeiner Tenor: Was gegen Klimawandel tun | |
ist richtig, aber doch nicht so! Kurzum: Der Protest ist schwer | |
vermittelbar. | |
Die Letzte Generation aber will gar nicht vermittelbar sein, wie der | |
Aktivist Lars Werner kürzlich in einem [5][Streitgespräch] sagte. | |
Lösungswege und Verantwortlichkeiten für die Klimakrise hätte die | |
Klimabewegung hinreichend und seit Jahrzehnten herausgearbeitet. Allein: Es | |
passiere zu wenig. Deswegen müsse man „sich dem System in den Weg stellen“, | |
wie Lars Werner sagt. Er wolle auch im Herbst wieder „über Wochen die | |
Straßen in Berlin und ganz vielen anderen Städten lahmlegen, damit wir in | |
den Notfallmodus schalten“. | |
Werner hat seine Arbeit als Psychologe in einer Praxis für Kinder- und | |
Jugendpsychiatrie für den Vollzeitaktivismus aufgegeben, sagt er. Er lebe | |
von Spenden und Erspartem. Auch er hat gerade seinen Strafbefehl bekommen, | |
will Einspruch einlegen und vor Gericht sehen, auf welcher Seite der | |
Richter steht. „Urteile werden keine abschreckende Wirkung für uns haben, | |
darüber machen wir uns ja vorher Gedanken“, sagt Werner. Zur Not will er | |
ins Gefängnis gehen. | |
Seitdem er sich an Blockaden beteilige, fühle er sich selbstwirksam, habe | |
er angesichts der Klimakrise viel weniger Ohnmachtsgefühle. Werner habe | |
eigenhändig Pipelines abgedreht, das habe aber kaum jemanden interessiert. | |
Am Frust der blockierten Autofahrer*innen käme hingegen niemand | |
vorbei, sagt Lars Werner. „Wir haben mit 24 Menschen Straßen blockiert und | |
haben eine nationale Debatte ausgelöst über Essen retten bis in die | |
Ministerien hinein.“ | |
## Einfach nur rechtswidrig? | |
Das stimmt allerdings: Bundeslandwirtschaftsminister [6][Cem Özdemir | |
(Grüne) entgegnete], dass er an geeigneten Maßnahmen gegen die | |
Lebensmittelverschwendung mit Hochdruck seit Dezember arbeite, man aber | |
dafür keine Krankenwagen aufhalten müsse. Diskutiert wurden auch die | |
Legitimität der Aktionsform. So wies Bundesj[7][ustizminister Marco | |
Buschmann] (FDP) seine Kabinettskollegin vom Umweltressort Steffi Lemke | |
(Grüne) öffentlich zurecht, nachdem diese Verständnis für das Anliegen der | |
Blockierenden geäußert hatte. Buschmann twitterte: „Ziviler Ungehorsam ist | |
im deutschen Recht weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgrund. | |
Unangemeldete Demos auf Autobahnen sind und bleiben rechtswidrig.“ | |
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) forderte ein | |
härteres und schnelles Durchgreifen, die Polizeigewerkschaft GdP sprach von | |
„Geiselhaft“ der Autofahrer, die extrem rechte AfD gleich von Terror. | |
Demgegenüber hält der [8][Verfassungsrechtler von der Uni Erfurt Tim Wihl] | |
friedliche Sitzblockaden für eine Protestform von höchsten demokratischen | |
Weihen – als Ausdruck eines zivilgesellschaftlichen Korrektivs und | |
„ungezähmten“ Ausdruck des demokratischen Prinzips, die | |
verfassungsrechtlich auch legitim sein können. | |
Wihl kritisiert, dass der Bundesjustizminister entscheidende Details | |
unterschlägt: „Es gibt beim Nötigungsparagrafen die zwingende | |
Verwerflichkeitsprüfung, um zu prüfen, ob die Handlung wirklich | |
rechtswidrig ist.“ Die Aktion nur strafrechtlich zu bewerten, sei falsch, | |
sagt Wihl: „Da ist Buschmann auf Abwegen. Er als Justizminister müsste auch | |
das Verfassungsrecht verteidigen und nur nicht das Blackletter-Law aus dem | |
Strafgesetzbuch.“ Buschmann hätte wissen müssen, dass das | |
Demonstrationsrecht hier stark einwirke, das auch auf Autobahnen gilt. Die | |
Strafbarkeit hänge ab von der Dauer der Blockade oder ob auch ein | |
Krankenwagen blockiert wurde und dadurch ein Schaden entstanden ist. Und | |
auch die [9][Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers] empfahl | |
etwas mehr Zurückhaltung. | |
Am Amtsgericht Tiergarten sieht Jugendrichter Günter Räcke in der Blockade | |
von Nils R. bei allem Verständnis für die Dringlichkeit der Klimakrise den | |
Straftatbestand für Nötigung als erfüllt an. Aus Sicht des Richters sei es | |
demnach Gewalt, Autofahrende zu blockieren. Zu berücksichtigen seien nicht | |
nur die Versammlungsfreiheit und der Demonstrationszweck, sondern eben auch | |
die Rechte der Autofahrer, sagt Räcke: „Die da im Stau stehen müssen, haben | |
auch Grundrechte.“ Man dürfe unabhängig vom Versammlungsthema deren Rechte | |
nicht einschränken und „ihre Genervtheit nutzen, um Öffentlichkeit | |
herzustellen“. | |
Schließlich gebe es gute und dringende Gründe, das Auto zu benutzen: „die | |
Mutter, die mit einem kranken Kind zum Arzt will“, „der Klempner, der eine | |
Verstopfung beseitigen muss“. Man dürfe nicht Unbeteiligte zum politischen | |
Druckmittel machen. Wie schrecklich die Klimakrise sei, legitimiere nicht | |
alles. Kurzum sei die Nötigung als verwerflich zu werten, so der | |
Jugendrichter: „Wenn jeder mit seinem Anliegen in Anspruch nehmen würde, | |
S-Bahn-Gleise zu blockieren, glaub ich nicht, dass die Gesellschaft das | |
ohne Schaden zu nehmen aushalten würde.“ | |
Gleichwohl äußert Günter Räcke auch Verständnis für Klimaaktivismus: „W… | |
haben ein großes Problem. Das bestreitet kein vernünftiger Mensch mehr.“ Er | |
habe selbst Kinder und Enkel, aber es gebe nun einmal keine Einigkeit | |
darüber, welche Schritte wie im Einzelnen gegangen werden müssten – da | |
könne nicht eine Person sich erheben und sagen, er wisse es besser als alle | |
anderen. | |
Lukas Theune, ein in der Berliner linken Szene beliebter Anwalt, der den | |
Angeklagten vertritt, widerspricht. Zum einen handele es sich bei der | |
Blockade nicht um Gewalt, schließlich sei ein langsames Abfließen des | |
Verkehrs bereits nach zehn Minuten wieder möglich gewesen, das reiche | |
nicht, um von Gewalt zu sprechen. Zum anderen aber gelte auch die | |
Versammlungsfreiheit, die gegen die allgemeine Handlungsfreiheit der | |
Autofahrer*innen abgewogen werden müsse – zumal der Blockadeort | |
wesentlich mit dem Protestgrund zusammenhinge. | |
Und so entwickelt sich der Prozess zu einem Rechtsseminar, Theune und der | |
Richter wägen über Stunden Verfassungsgerichtsurteile über Sitzblockaden, | |
den Gewaltbegriff, zivilen Ungehorsam und verfassungsrechtliche Sondervoten | |
ab. Verteidiger Theune sagt irgendwann, noch nie ein so langes | |
Rechtsgespräch geführt zu haben. Richter Räcke antwortet: „Ich auch nicht.… | |
Dass der Richter dies so ausführlich zulässt, soll wohl auch den | |
Angeklagten wie die Aktivist*innen auf den Zuhörerrängen beeindrucken – | |
schließlich haben Jugendrichter auch einen erzieherischen Auftrag. | |
Wohl auch deswegen erlaubt der Richter der Verteidigung nach einer der | |
Prozesspausen, in aller Ausführlichkeit eine lange Erklärung zum | |
Klimawandel vorzutragen. Mit dieser will Anwalt Theune begründen, warum er | |
für den Prozess einen Sachverständigen vom Potsdamer Institut für | |
Klimafolgenforschung für ein Gutachten in den Prozess laden will. | |
Über eine dreiviertel Stunde lang malt Theune die Folgen der Klimakrise | |
entlang der allgemein anerkannten Fakten etwa des [10][IPCC-Berichts] aus. | |
Die Schilderung soll belegen, dass es sich eben nicht um einen normalen | |
Protest handele, sondern um die existenziellen Lebensgrundlagen der | |
Menschheit. Um Erderwärmung, versauerte Meere, Kipppunkte, zerstörte | |
Lebensgrundlagen, Naturkatastrophen, Massensterben und fehlende | |
Gegenmaßnahmen. | |
Am Ende seines Vortrags bekommt Theune Applaus aus dem Zuschauerraum von | |
den Aktivist*innen, die abgesehen von dieser Störung den Prozess ganz ohne | |
Krawall und Festkleben verfolgen. | |
In seinem Schlussplädoyer fordert Theune einen Freispruch, weil es an | |
Gewalt mangele, R. sich zudem nur an einer Aktion beteiligt habe und nicht | |
vorbestraft sei. Staatsanwalt Matthias Rebentisch sieht demgegenüber die | |
mangelnde Reue des Aktivisten als einen Grund, das Strafmaß hinaufzusetzen | |
und fordert eine Verurteilung wegen Nötigung und Widerstands nach dem | |
Erwachsenenstrafrecht mit 50 Tagessätzen zu je 30 Euro. | |
## „Ich werde lange nachdenken“ | |
Kurz vor der Urteilsverkündung zeigt sich R. zumindest ein wenig geläutert: | |
Er will den Prozess auch mit seinen Eltern besprechen, die ebenfalls | |
Juristen seien und das mit der Gewalt ähnlich wie der Richters sähen – „i… | |
werde lange nachdenken“, sagt er, etwas kleinlaut. | |
In der Urteilsbegründung des Richters heißt es am Ende: „Es ist Gewalt, | |
andere zum Werkzeug zu machen.“ Aus der Versammlungsfreiheit ergebe sich | |
keine Handhabe, andere zum Werkzeug für politischen Druck zu machen. Die | |
Fernziele der Proteste müsse er als Richter außen vorlassen, sagte Räcke: | |
„Die Klimakrise und Dinge, die herbei blockiert werden sollen, dürfen hier | |
keine Rolle spielen.“ | |
Den Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte hingegen verwirft | |
er, weil er das Festkleben als sanfte Methode wertet und keine | |
Gewalteinwirkung gegenüber Vollstreckungsbeamten stattgefunden habe. Zudem | |
sei Jugendstrafrecht anzuwenden, weil R. nicht wie ein unbelehrbarer | |
Rechtsbrecher wirke, finanziell von seinen Eltern abhängig sei und erst | |
vergangenen Herbst von zu Hause ausgezogen. „Ich glaube, er hat heute | |
einiges verstanden“, sagt Räcke. Das könne er sich bei den 60 Stunden | |
Freizeitarbeit noch mal vor Augen führen. Die Kosten des Verfahrens trägt | |
die Staatskasse. | |
Während R. das Urteil ruhig, fast regungslos hinnimmt, sorgt der | |
Schuldspruch im Zuschauerraum für Kopfschütteln. | |
Letzte-Generation-Sprecherin Carla Hinrichs sagt danach: „Hier wurde ein | |
junger Mensch verurteilt, der mutig und friedlich Widerstand gegen den | |
zerstörerischen Kurs der Bundesregierung geleistet hat.“ Sein Hilferuf sei | |
vom Gericht verurteilt worden. „Es ist schmerzhaft, dass sich das Gericht | |
nicht mit den Gründen des Protests auseinander setzen will“, sagt sie. | |
Für den nächsten Gerichtstermin, einem nach Erwachsenenstrafrecht eines | |
deutlich älteren und erfahrenen Aktivisten, kündigt sie eine größere Aktion | |
mit Hunderten Unterstützer*innen an. Es ist eine Kampfansage. | |
Ganz am Ende, als fast alle Reporter*innen schon verschwunden sind und | |
Nils R. vor dem Amtsgericht zwischen anderen Aktivist*innen steht, | |
brandet Applaus auf. Eine Frau nimmt R. in den Arm, die Umstehenden jubeln. | |
R. lächelt und wirkt erstmals an diesem Tag erleichtert. | |
1 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Strafen-gegen-die-Letzte-Generation/!5873746 | |
[2] https://letztegeneration.de/ | |
[3] /!5874778/ | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=t0f1WZIZJ90 | |
[5] https://podcast.dissenspodcast.de/186-klima | |
[6] https://www.bmel.de/SharedDocs/Meldungen/DE/Presse/2022/220215-Lebensmittel… | |
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_91639650/au… | |
[8] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/autobahnblockade-sitzblockade-berl… | |
[9] /Ermittlungen-gegen-Strassenblockierer/!5864020 | |
[10] https://www.de-ipcc.de/270.php | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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