| # taz.de -- Aktivistin über „Letzte Generation“: „Man kriegt uns hier ni… | |
| > Wieder blockieren Klimaaktivist:innen in Berlin Autobahnen. Ein | |
| > Ende der Aktionen sei diesmal nicht abzusehen, sagt Carla Hinrichs. | |
| Bild: „Die Regierung hat es in der Hand, dass wir von der Straße gehen“: C… | |
| taz: Frau Hinrichs, seit Montag [1][gibt es wieder Blockade- und | |
| Störaktionen] der „Letzten Generation“. Wie fällt Ihre Bilanz der ersten | |
| Tage aus? | |
| Carla Hinrichs: Unser Ziel ist es, dass die Regierung die Klimakrise in den | |
| Griff bekommt, und dieses Ziel ist unfassbar groß. Dafür aber sind wir mit | |
| mehr Menschen denn je auf der Straße: Über den Sommer mit extremer | |
| Trockenheit und Waldbränden wie in der Sächsischen Schweiz sind viele | |
| hinzugekommen. Wir schaffen es weiterhin jeden Tag, Autobahnen zu | |
| blockieren. Ich denke, der Stadt wird klar, dass man uns hier nicht so | |
| einfach wegkriegt. | |
| Wie viele Leute sind dabei? | |
| Bei unseren Blockaden [2][im Januar sind wir mit 30 Aktivist:innen | |
| gestartet], jetzt sind es 500 Leute. Das sind alles Menschen, die nicht nur | |
| ein Mal auf eine Demo gehen, sondern die sich dem zerstörerischen Kurs | |
| entgegensetzen. Sie sind aus dem ganzen Land nach Berlin gekommen, bereit, | |
| Widerstand zu leisten und auch die Konsequenzen dafür zu tragen. | |
| Wie lange sollen die Aktionen dauern? | |
| Die Regierung hat es in der Hand, dass wir von der Straße gehen. Sie hat | |
| die Wahl, unseren einfachen Forderungen nachzukommen oder unseren Protest | |
| zu unterbinden. | |
| Bislang war immer nach ein paar Wochen wieder Schluss. | |
| [3][Die letzten Male unterbrachen wir nach einigen Wochen die Aktionen] in | |
| Berlin und sind in unsere Städte zurückgekehrt, um mit mehr Menschen | |
| wiederzukommen. Jetzt sind wir darauf vorbereitet, zu bleiben und die | |
| Aktionen Tag für Tag fortzuführen. | |
| Sie fordern aktuell ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen | |
| und das 9-Euro-Ticket. | |
| Ja, das ist das, was die Leute jetzt gerade beschäftigt. Wenn die Preise | |
| für Energie so unfassbar in die Höhe gehen, müssen sich viele fragen, ob | |
| sie noch das Geld haben, um ihre Oma zu besuchen. Lasst uns das | |
| 9-Euro-Sommermärchen fortführen. Und das Rasen auf den Autobahnen kann sich | |
| die Gesellschaft nicht mehr leisten angesichts der Kosten, die für viele | |
| untragbar werden, aber vor allem angesichts der Katastrophe, die aus der | |
| Verbrennung der fossilen Kraftstoffe resultiert. | |
| Was bringt es, bei jeder neuen Aktionswelle neue Forderungen zu stellen? | |
| Die Forderungen passen sich der gegenwärtigen Situation an. Im Juni und | |
| Juli wollten wir, dass die Regierung auf Ölbohrungen in der Nordsee | |
| verzichtet. Dem ist sie mit einer entsprechenden Erklärung nachgekommen. | |
| Die vorherige Forderung nach einem Essen-retten-Gesetz haben wir im Januar | |
| zu Beginn der Legislatur aufgestellt. Das wäre einfach in den ersten 100 | |
| Tagen umzusetzen gewesen. Diese Frist ist dann abgelaufen, aber der Diskurs | |
| darüber ist in Gang gekommen und uns wurde zugesichert, dass man da dran | |
| sei. Angesichts des Krieges war uns nun klar, dass es um den fossilen | |
| Wahnsinn gehen muss. | |
| Wieso haben Sie im Bundestag bewusst den Feueralarm ausgelöst? | |
| Wir befinden uns in einem unfassbaren Notfall, und es ist Zeit, öffentlich | |
| Alarm zu schlagen. Der Feueralarm macht das ganz deutlich. | |
| Das Abgeordnetenhaus hat schon reagiert und die Besucherregeln verschärft. | |
| Bleibt es also bei dieser einmaligen Aktion? | |
| Wir werden weiterhin jede friedliche Methode nutzen, um der Öffentlichkeit | |
| klarzumachen, dass wir uns im Klimanotfall befinden. Wenn die Regierung | |
| nicht einmal die einfachsten Sicherheitsmaßnahmen umsetzt, müssen und | |
| werden wir weiter Alarm schlagen. | |
| Welche Stimmung nehmen Sie aktuell bei den Straßenblockaden wahr? | |
| Man merkt, dass sich immer mehr Menschen positionieren, im Guten wie im | |
| Schlechten. Anfang des Jahres sind die meisten noch in ihren Autos sitzen | |
| geblieben, nun steigen immer mehr aus. Von manchen Autofahrer:innen | |
| werden wir beleidigt, bespuckt und von der Straße gezerrt; es gibt aber | |
| auch solche, die sagen, ich finde es richtig, was ihr macht. Auch passiert | |
| es, dass Passant:innen mit unterschiedlichen Meinungen miteinander ins | |
| Gespräch kommen. | |
| Die Staatsanwaltschaft [4][ermittelt gegen alle Blockierer:innen]. Wie | |
| ist der Stand der rechtlichen Aufarbeitung der bisherigen Aktionen? | |
| In der vergangenen Woche liefen die ersten vier Strafverfahren. In der | |
| nächsten Zeit stehen etliche weitere an. Die Termine sind festgesetzt für | |
| das ganze nächste halbe Jahr. | |
| Zu den Prozessen kommt es, weil sich Ihre Mitstreiter:Innen weigern, | |
| die Strafbefehle zu zahlen. Ist das die kollektive Strategie? | |
| Alle können selbst entscheiden, wie sie damit umgehen. Wir verfolgen den | |
| legitimen Zweck, die Katastrophe abzuwenden, also wollen wir auch in den | |
| Gerichten darüber verhandeln. Die Gerichte, die in der Demokratie das | |
| Korrektiv für staatliches Handeln sind, müssen sich mit der | |
| Klimakatastrophe beschäftigen. | |
| In den sozialen Netzwerken haben Sie zuletzt vermehrt um Spenden geworben. | |
| Geht Ihnen angesichts der vielen bevorstehenden Strafen das Geld aus? | |
| Das Spendensammeln diente primär dazu, um all die angereisten | |
| Aktivist:innen in Berlin unterzubringen. Auch haben wir schon mal um | |
| Geld gebeten, um die Gebühren für das Ablösen der festgeklebten Hände zu | |
| zahlen. Aber die Bußgelder und Strafen für alle Aktivist:innen sind für | |
| uns als Organisation nicht stemmbar. Es gab bislang über 200 Blockaden, an | |
| denen sich meist sieben bis zwölf Personen beteiligen. | |
| Am Ende müssen die Aktivist:innen alles selbst zahlen? | |
| Es gibt Menschen, die individuell für ihre Strafen Spenden sammeln, aber | |
| auch da gibt es Grenzen. Manche saßen schon 50 Mal auf der Straße. Pro | |
| Aktion können 1.000 oder 1.500 Euro fällig werden. Alle, die bei uns | |
| mitmachen, wissen, was auf sie zukommen kann. Wer das Geld nicht zahlen | |
| kann, der muss die Strafe im Gefängnis absitzen. | |
| 13 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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