# taz.de -- Aktionen der Letzten Generation: Bitte stören Sie weiter | |
> Die Letzte Generation lässt alle Ordnungsliebhaber mächtig schäumen. Doch | |
> die Aktivst:innen sind im Recht – und beweisen viel Mut. | |
Bild: Sich Autofahrern und Polizei ausliefern | |
Die Ablehnung der Straßenblockade- und Störaktionen der Klimaschutzgruppe | |
[1][Letzte Generation] verbindet ganz unterschiedliche Milieus. | |
Springer-Medien heizen die Stammmtischwut auf die „Ökoextremisten“ an – … | |
legitimieren damit all jene, die lautstark darüber sinnieren, die | |
Aktivist:innen einfach zu überfahren. Und Redakteure von | |
Qualitätszeitungen legen mit Attributen wie „strunzdumm“ die Messlatte der | |
Verachtung erstaunlich hoch und räumen dafür auch noch viele Likes unter | |
Nicht-Wutbürger:innen ab. | |
Das verbindende Element dieser Ablehnung ist der urdeutsche Reflex nach | |
Ruhe und Ordnung, einem Zustand also, den die Aktivist:innen angesichts | |
der Dramatik der Klimakrise und der fast schon verstrichenen Zeit, dieser | |
zu begegnen, bewusst entgegentreten. Sympathisch kann man sie allein | |
deshalb finden, weil sie all jene stören, die es sich zu bequem machen. | |
Dabei müssen sie nicht gefällig sein; wer Anpassung und Mäßigung von ihnen | |
fordert, hat den Unterschied zwischen sozialen Bewegungen und der SPD nicht | |
verstanden. | |
Als meistgehasste Klimaschutzgruppe ist die Letzte Generation derzeit die | |
effektivste. Wo bei [2][Fridays for Future] höchstens noch sympathisierend | |
gegähnt wird, bei [3][Extinction Rebellion] oder Ende Gelände die Aufregung | |
erschöpft ist, sind sie es, die selbst Fahrradfahrer:innen in Celle | |
die Zornesröte ins Gesicht treiben. | |
Und wo Wut ist, ist immerhin Diskurs. Nicht unbedingt das aufgeklärte | |
Gespräch darüber, wie wir möglichst schnell die Emissionen reduzieren, | |
aber das Thema wird mit jeder neuen Autobahnblockade neu gesetzt. Genau | |
dafür sind ihre Aktionen wichtig und unbedingt zu verteidigen. | |
Was ist denn so schlimm? Straßenblockaden – so what? Als ob jede:r | |
Autofahrer:in nicht eh durchschnittlich 40 Stunden jährlich im Stau | |
stecken würde! Und jetzt neu: Mutwillig ausgelöste Feueralarme im Bundestag | |
und weiteren Parlamentsgebäuden. Ja, ein paar alarmierte Rettungswagen, | |
nicht schön, aber doch eher ohne Folgen für Leib und Leben – ganz anders | |
als die versäumte Klimapolitik. Und [4][symbolisch besudelte Kunstwerke] | |
sind auch nicht gerade der Untergang der Zivilisation, sondern ein gutes | |
Symbol, um zu zeigen, wie an der Vergangenheit festgehalten und die Zukunft | |
verspielt wird | |
## Es braucht Mut | |
Mit 30 Aktivst:innen hat die Letzte Generation angefangen, [5][als sie | |
im Januar erstmals Autobahnzufahrten in Berlin blockierten]. Seit | |
vergangenen Montag sind sie zurück in der Stadt – zum dritten Mal – und | |
nach eigenen Angaben gibt es inzwischen 500 Mutige, die teils ihre Jobs | |
oder Ausbildung ruhen lassen und in Aktion gehen, die [6][für sie teuer | |
werden]. Mut ist es auch, was es braucht, um sich vor wild gewordenen | |
Autofahrer:innen, die immer häufiger vor körperlicher Gewalt nicht | |
zurückschrecken, auf die Straße zu kleben. Schutzlos. So wie es auch die | |
Klimasäue in ihren SUVs sein werden, wenn die Klimakatastrophe vollends | |
hereinbricht. | |
Was die Letzte Generation fordert, ist eine Selbstverständlichkeit: die | |
Fortführung eines 9-Euro-Tickets zum Preis von neun Euro, also der | |
erfolgreichsten und besten Idee, die die derzeitige Bundesregierung | |
überhaupt hatte. Dazu: die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf | |
Autobahnen, also die einfachste aller denkbaren Methoden sofort den | |
CO2-Ausstoß zu senken. | |
Traurig genug, dass es dafür überhaupt Protest braucht. Wo | |
Politiker:innen und große Teile der Gesellschaft sich weiterhin | |
weigern, einfachste Realitäten anzuerkennen und danach zu handeln, kann man | |
den Aktivst:innen nur zurufen: Bitte stören Sie weiter. | |
16 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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