| # taz.de -- Protest gegen Flüchtlingsheim im Wald: Das Lager im Wald soll weg | |
| > Hamburg wird die Flüchtlingsunterkunft Nostorf-Horst in Mecklenburg ab | |
| > September nicht mehr belegen. Initiativen fordern, das Camp ganz zu | |
| > schließen | |
| Bild: Geflüchtete empfinden die Unterbringung in Nostorf-Host als Lager | |
| Hamburg taz | Es war wohl die letzte gemeinsame Aktion: Unter dem Motto | |
| „Ankerzentrum schließen!“ reisten am Sonntag Aktivisten aus Hamburg, | |
| Lüneburg und Mecklenburg zur Kundgebung vor das Erstaufnahmelager | |
| Nostorf-Horst. Noch sind auch 22 Geflüchtete aus Hamburg dort | |
| untergebracht, aber Ende September [1][läuft die Belegung durch die | |
| Hansestadt aus]. „Uns ist wichtig, dass die Menschen in Horst nicht | |
| vergessen werden“, sagt Hanna Berth von der Mecklenburger Initiative „Pro | |
| Bleiberecht“. Denn das Land hält an der Einrichtung fest. „Wir fordern, | |
| dass auch Mecklenburg-Vorpommern dort keine Asylsuchenden mehr | |
| unterbringt.“ | |
| Rein rechnerisch ginge das. Die Einrichtung in einer ehemaligen Kaserne der | |
| DDR nahe Boitzenburg hat zurzeit 192 Bewohner, wie der Sprecher des | |
| Innenministeriums Micheal Teich mitteilt. Insgesamt hat die Erstaufnahme | |
| 1.250 Plätze, von denen sich aber 850 nicht in der Einöde, sondern in der | |
| Zweigstelle Stern-Buchholz vor den Toren Schwerins befinden. Nur 447 davon | |
| sind belegt. Die 192 Bewohner aus Horst hätten dort also Platz. | |
| Horst eigne sich gar nicht zur Unterbringung, findet Hanna Berth. | |
| „Monatelang in Mehrbettzimmer eingepfercht zu sein, sich nicht | |
| selbstbestimmt versorgen zu können – so was macht Menschen psychisch und | |
| physisch kaputt.“ Das größte Problem sei die abgeschiedene Lage. Auch gebe | |
| es keine Schulpflicht für die Kinder, zu wenig Sprachmittler und | |
| mangelhafte psychologische Unterstützung. Von diesen Mängeln berichteten | |
| Geflüchtete wiederkehrend bei den monatlichen Mahnwachen der Aktivisten. | |
| Mit der jüngsten Gesetzesverschärfung, dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ v… | |
| Anfang Juni, wird sich die Unterbringungszeit in Horst weiter erhöhen. | |
| „Früher konnten die Länder und Kreise auch Menschen, deren Asylverfahren | |
| noch nicht abgeschlossen ist, aus sozialen Gründen dezentral unterbringen“, | |
| berichtet die Linke-Landtagsabgeordnete Karin Larisch. „Das geht künftig | |
| nicht mehr.“ Sogar für die aussichtslosen „Dublin-Fälle“, wo Menschen �… | |
| Drittländer wie Ungarn einreisten, die sie nicht zurücknehmen wollen, sehe | |
| das neue Gesetz – gegen das Flüchtlingsinitiativen klagen wollen – den | |
| Verbleib im Ankerzentrum vor. | |
| ## Notlösung nach Rostock-Lichtenhagen | |
| Auch Larisch war schon oft vor Ort und fordert, Nostorf-Horst zu schließen. | |
| „Eigentlich sollte es gar keine großen Unterkünfte geben“, sagt sie. „A… | |
| wenn, dann wäre Stern-Buchholz der bessere Ort.“ Horst habe ohnehin eine | |
| schwierige Geschichte. Die Einrichtung sollte eine Übergangslösung sein, | |
| nachdem die in Rostock-Lichtenhagen 1992 vom Mob in Brand gesteckte | |
| Erstaufnahme „Sonnenblumenhaus“ schloss. Das ist bald 30 Jahre her. Man | |
| habe die Menschen aus dem Blickfeld geschaffen, sagt Larisch. | |
| Die Stadt Hamburg kündigt ihre Plätze, weil sie genug eigene hat. Der | |
| Bedarf sei gesunken, heißt es. Auch gibt es am Stadtrand, in Rahlstedt, ein | |
| Ankunftszentrum, das nicht minder in der Kritik steht und seit Oktober | |
| quasi die Funktion eines Ankerzentrums übernimmt. Flüchtlinge, die eine | |
| „schlechte Bleibeperspektive“ haben, sollen bis zu sechs Monate in den | |
| Hallen bleiben. | |
| In Mecklenburg-Vorpommern hat Nostorf-Horst die Aufgabe eines Ankerzentrums | |
| übernommen, ohne so zu heißen. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) und | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unterzeichneten im April eine | |
| Vereinbarung dafür. Der Bund stellt mehr Personal, die Bundespolizei | |
| übernimmt die Abschiebung der sogenannten „Dublin-Fälle“, die laut Caffier | |
| 60 bis 70 Prozent der Asylsuchenden in der Einrichtung ausmachten. Diese | |
| und auch die Menschen, die wegen ihrer Herkunftsländer keine | |
| Bleibeperspektive haben, sollen künftig in Horst bleiben, bis sie | |
| abgeschoben werden. Alle übrigen Personen, sagt Teich, würden nach | |
| Identitätsfeststellung und Aufnahme des Asylverfahrens auf die Kommunen | |
| verteilt. | |
| Eine komplette Verlagerung der Erstaufnahme nach Stern-Buchholz sei nicht | |
| möglich, weil es nur in Horst die dafür erforderliche Außenstelle des | |
| Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gebe, sagt der | |
| Ministeriumssprecher. Außerdem sei eine Unterkunft bereits ausgelastet, | |
| wenn nur 75 Prozent der Plätze belegt sind, da man nur dann die besonderen | |
| Belange von Müttern mit Kindern oder verschiedenen Ethnien berücksichtigen | |
| könne. | |
| Laut Teich gibt es in Horst „keinen Anlass zur Kritik“, auch die Bewohner | |
| äußerten dies nicht, und es sei falsch, die Einrichtung als „Lager“ zu | |
| bezeichnen. Es gebe vom Malteser Hilfsdienst eine sehr umfangreiche | |
| Betreuung, die auch einen Friseur, ein World-Café und ein schulähnliches | |
| Angebot mit ehrenamtlichen Kräften umfasse. | |
| ## Beratung hinter dem Zaun | |
| „Die Malteser bemühen sich, das so erträglich wie möglich zu machen“, | |
| entgegnet Karen Larisch. Doch Horst sei einfach zu weit weg, der Kontakt | |
| zur Bevölkerung sehr schwierig. „Wir haben so viele leerstehende Gebäude in | |
| den Städten. Da frage ich mich, warum man das im Wald machen muss. Da | |
| kriegt man doch einen Lagerkoller.“ Die Mahnwachen würden von den | |
| Geflüchteten gut angenommen: „Die wollen da nicht sein.“ | |
| Auch der Hamburger Flüchtlingsrat war bisher alle zwei Wochen mit | |
| Rechtsanwälten vor Ort und darf – [2][nachdem er 2016 eine Klage | |
| einreichte] – in einem Containerraum vor dem Tor Beratung anbieten. „Doch | |
| es ist schwer, so an die Leute heranzukommen“, sagt Franz Forsmann vom | |
| Vereinsvorstand. „Die haben keine Information darüber, wie wichtig die | |
| Beratung ist.“ Die Betroffenen müssten schon vor der ersten Anhörung ihre | |
| Rechte kennen. Zudem müssten sie bei jedem Verlassen des Areals der Wache | |
| sagen, wo sie hingehen. Das schränke das Angebot ein. | |
| „Wir wollen da rein, um die Leute direkt ansprechen zu können“, sagt | |
| Forsmann. Als NGO habe der Flüchtlingsrat nach der EU-Aufnahmerichtlinie | |
| 2013/33 das Recht dazu. Das Verwaltungsgericht Schwerin wies eine | |
| entsprechende Klage kürzlich ab und ließ auch keine Berufung dagegen zu. | |
| Gegen diese Nichtzulassung wiederum hat der Flüchtlingsrat Beschwerde | |
| eingereicht, berichtet die Anwältin Sigrid Töpfer. In Bayern habe ein | |
| Gericht die Berufung in der gleichen Frage zugelassen, wegen der | |
| „grundsätzlichen Bedeutung“. Das letzte Wort ist also noch nicht | |
| gesprochen. | |
| Auch wenn das Innenministerium den Standpunkt vertritt, dass die | |
| EU-Richtlinie bereits heute bei der Betreuung und Versorgung von | |
| Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern „beachtet und gewährleistet“ wird. | |
| Die Erreichbarkeit von Anwälten und anderen Gästen sei gegeben, sagt | |
| Ministeriumssprecher Teich. Der Zugang zu weiteren Unterstützungsangeboten | |
| könne „jederzeit organisiert werden“. | |
| 21 Jul 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Umstrittenes-Lager-im-Nirgendwo-schliesst/!5530853/ | |
| [2] /Fluechtlingsrat-klagt-gegen-Land/!5584835/ | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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