# taz.de -- Umstrittenes Lager im Nirgendwo schließt: Hamburg kündigt Horst | |
> Hamburg will künftig keine Flüchtlinge mehr im Aufnahmelager in | |
> Nostorf/Horst unterbringen. Die CDU träumt nun vom „Ankerzentrum“. | |
Bild: Trister Ort im Nirgendwo: die Aufnahmeeinrichtung Nostorf/Horst | |
HAMBURG taz | Bald ist es vorbei. Nach zwölf Jahren steigt Hamburg aus der | |
mecklenburgischen Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Nostorf/Horst | |
(Landkreis Ludwigslust-Parchim) aus. Der Mitnutzvertrag wurde zum 30. | |
September 2019 gekündigt, bestätigte am Mittwoch das Schweriner | |
Innenministerium. Da die Kündigungsfrist zwölf Monate beträgt, war ein | |
früherer Ausstieg nicht möglich. | |
Die Zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes Mecklenburg-Vorpommern stand | |
seit Jahren im Fokus der Kritik, vor allem von Flüchtlingsinitiativen. Das | |
ehemalige Kasernen-Gelände der nationalen Volksarmee liegt im Niemandsland | |
am früheren DDR-Grenzübergang Horst, jeweils rund sieben Kilometer von | |
Boizenburg und Lauenburg entfernt. | |
Ob Einkauf, Beratungstermin oder Arztbesuch – für die Flüchtlinge ist jeder | |
Kontakt zur Außenwelt ein kostspieliges und zeitaufwendiges Unterfangen. Am | |
Wochenende verkehren überhaupt keine Busse. „Ausgrenzen und isolieren“, so | |
der Flüchtlingsrat Hamburg, sei das Ziel dieses Standorts. Regelmäßig | |
fanden vor dem Lager, das viele seiner Bewohner*innen an ein Gefängnis | |
erinnerte, Demonstrationen und Kundgebungen für seine Schließung statt. | |
Seit 2006 hatte Hamburg mit Mecklenburg-Vorpommern eine Vereinbarung über | |
die Mitnutzung von Horst. 350 von insgesamt 650 Plätzen für Geflüchtete | |
waren für Flüchtlinge aus der Hansestadt reserviert, gleichzeitig eine | |
Mindestbelegung von 30 Plätzen festgeschrieben. Zuletzt standen Hamburg | |
noch 130 Plätze zu, die zumindest bis Ende Juli voll belegt waren. | |
## Die CDU will ein Ankerzentrum errichten | |
Diese Zahl aber wurde vor allem 2015 noch bei weitem überschritten. Doch | |
mit den zurückgehenden Flüchtlingszahlen nutzt Hamburg nun die Chance, aus | |
den schlimmsten Erstaufnahmen auszusteigen. So schloss die Stadt erst vor | |
wenigen Tagen ihre einst größte Erstaufnahme an der Schnackenburgallee. Auf | |
dem Höhepunkt der Fluchtbewegung nach Deutschland lebten an dem Standort | |
zwischen dem Altonaer Volkspark und der Autobahn A7 2.000 Menschen, viele | |
davon in Zelten. Das seit 2012 als Flüchtlingsunterkunft genutzte Gelände | |
werde nun zum Teil für die Baustelle der Überdeckelung der Autobahn | |
benötigt, teilte der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge in Hamburg am | |
Mittwoch mit. | |
Die „zurückgehenden Flüchtlingszahlen“ sind der offizielle Grund für das | |
Ende der Schackenburgallee und den Ausstieg aus Horst. Im laufenden Jahr | |
wurden bislang 1.974 Flüchtlinge in Hamburg neu in Unterkünfte aufgenommen | |
– noch einmal 180 weniger als im Vorjahreszeitraum. Hamburg verfügt noch | |
über neun Erstaufnahmen und ein Ankunftszentrum. Dort lebten Ende August | |
noch 1.877 Menschen. | |
Nach spätestens einem halben Jahr sollen die Geflüchteten in | |
Folgeunterkünfte umziehen. Hiervon gibt es inzwischen 131 mit 33.810 | |
Plätzen. Während diese den Bedarf kaum decken, wird es in den Erstaufnahmen | |
wie Horst in absehbarer Zeit Überkapazitäten geben. | |
Denn wie in Hamburg geht die Zahl der Flüchtlinge auch in | |
Mecklenburg-Vorpommern zurück. Laut Angaben des Bundesamts für Migration | |
und Flüchtlinge (Bamf) stellten hier in den ersten sieben Monaten des | |
Jahres 1.349 Menschen einen Asylantrag. Zwei Jahre zuvor waren es im selben | |
Zeitraum noch 4.834 Geflüchtete gewesen. Die Zukunft der ehemaligen Kaserne | |
im früheren Grenzgebiet ist deshalb ungewiss. Laut dem Schweriner | |
Innenministerium sollen die ungenutzten Flächen des Aufnahmelagers nach | |
Ablauf der Vereinbarung mit Hamburg unter anderem für Beratungsangebote | |
genutzt werden. | |
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bringt | |
unterdessen Horst als Standort für ein sogenanntes „Ankerzentrum“ ins | |
Gespräch, wo Flüchtlinge nach den Plänen von Heimatminister Horst Seehofer | |
(CSU) künftig alle neuen Asylbewerber registriert, untersucht und | |
untergebracht werden sollen. Die sogenannten „Ankerzentren“ sollen | |
Asylverfahren und insbesondere Abschiebungen beschleunigen. Und sie sollen | |
– so sehen es Linke, Grüne und Flüchtlingsinitiativen – vor allem | |
abschreckend wirken. | |
Da könnte Horst ein idealer Standort sein. | |
5 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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