# taz.de -- Pressefreiheit in Thüringen: Die Polizei, Helfer der Rechten? | |
> Journalisten wollten über ein Rechtsrockkonzert berichten – und | |
> kassierten Platzverweise. Jetzt klagen sie gegen die Einschränkung der | |
> Pressefreiheit. | |
Bild: Ein Rechtsrockkonzert in Leinfelde im Jahr 2013 – gut geschützt von de… | |
BERLIN taz | Mit weißen Bannern hatten NPD-Kader die Zäune ihres | |
Veranstaltungsgeländes blickdicht verhüllt. Dahinter veranstalteten sie | |
Ende Mai auf einem öffentlichen Sportplatz im thüringischen | |
Leinefelde-Worbis ihren jährlichen „Eichsfeldtag“, ein Rechtsrockkonzert | |
und Kinderfest. Die Botschaft der Neonazis: Wir bleiben unter uns, | |
Öffentlichkeit ist unerwünscht. | |
Die Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke wollte sich | |
damit nicht abfinden. Feste wie diese seien Teil einer „rechtsextremen | |
Erlebniswelt“. „Es ist unsere journalistische Aufgabe, hinter die Kulissen | |
zu schauen und zu zeigen, was sich hinter solchen Festen verbirgt und was | |
diese gerade für die Kinder bedeuten.“ Zusammen mit drei Kollegen, auch sie | |
Experten in diesem Feld, versuchte Röpke über das Neonazi-Fest zu | |
berichten. Was folgte, war eine Polizeiposse – die in Platzverweisen für | |
die Journalisten gipfelte. | |
Nun tobt ein Streit: Die Journalisten reichten Klage gegen das Land | |
Thüringen ein, wegen Einschränkung der Pressefreiheit. Die Deutsche | |
Journalisten-Union spricht von einer „massiven“ Behinderung: | |
„Pressefreiheit gilt immer und an allen Orten.“ | |
Ein weiteres Mal steht die Frage im Raum: Wie sensibel und kundig geht die | |
Polizei mit Berichterstattung über Rechtsextreme um? Röpke kennt die | |
Probleme. Seit Jahren berichtet die Journalistin über rechtsextreme | |
Veranstaltungen. Sie hat mehrere Bücher geschrieben, im März sprach sie als | |
Sachverständige vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bei der | |
NPD-Verbotsverhandlung. | |
## Rechtrock-Hochburg Thüringen | |
Bei den Rechten ist Andrea Röpke verhasst. Zuletzt schmiss sie die AfD von | |
einem Parteitag im vorpommerschen Demmin. In Leinefelde aber war es die | |
Polizei, die sie abwies. Röpke ist bis heute sauer: „So etwas habe ich noch | |
nicht erlebt.“ | |
Thüringen erkoren Neonazis zuletzt zur Rechtsrock-Hochburg. In | |
Hildburghausen kamen zu einen Konzert 3.500 Neonazis – es war das größte | |
Szene-Event seit Jahren. In Leinefeld fiel die Sache kleiner aus: 280 | |
Rechtsextreme waren erschienen, auf der Bühne sprach der Thüringer | |
NPD-Frontmann Thorsten Heise, der Szenebarde Frank Rennecke spielte, später | |
traten Rechtsrockbands mit klingenden Namen wie Oidoxie oder Nahkampf auf. | |
Daneben stand eine Hüpfburg für den Neonazi-Nachwuchs. | |
Anfangs hätten die Neonazis einen kurzen Rundgang über das Fest zugelassen, | |
berichten Röpke und ihre Kollegen. Auf Fotos durfte aber nur die Bühne | |
abgelichtet werden. Von dort seien sie beschimpft worden, 20 Neonazis | |
hätten sie bedrängt und bedroht, ihnen mit Regenschirmen die Sicht | |
verstellt. | |
Röpke und ihre Kollegen wichen auf einen 200 Meter entfernten Hügel aus, | |
filmten das Treiben von dort – bis die Polizei erschien und Platzverweise | |
erteilte. Die Journalisten würden Porträtaufnahmen der Kinder der | |
Rechtsextremen machen, lautete der Vorwurf. Die Situation drohte zu | |
eskalieren. Röpke wies den Vorwurf zurück: Es gehe nur um die Dokumentation | |
der Reden und Bandauftritte. Auch der Verweis auf die Presseausweise half | |
nicht. | |
## Polizei ist überfordert | |
Unter dem höhnischen Applaus der Rechtsextremen mussten die Journalisten | |
abziehen. Nun gibt es ein Nachspiel. Vergangene Woche reichten die | |
Journalisten Klage vor dem Verwaltungsgericht Weimar ein. Die Polizei habe | |
sich von den Neonazis instrumentalisieren lassen, kritisieren sie. „Die | |
Platzverweise entbehren jeder Grundlage“, kritisiert Röpkes Anwalt Sven | |
Adam. „Statt die Forderungen von Neonazis umzusetzen, muss die Polizei die | |
Pressefreiheit durchsetzen.“ | |
Die Polizei wollte sich auf taz-Anfrage nicht zu dem Fall äußern – mit | |
Verweis auf das laufende Verfahren. Inzwischen hat das Thüringer | |
Innenministerium einen Bericht der Landespolizeidirektion angefordert. | |
Glücklich ist man im Ministerium über die Abläufe nicht. Sprecher Oliver | |
Löhr verweist auf ein Gesprächsangebot des Thüringer Polizeipräsidenten Uwe | |
Brunnengräber an die Journalisten. „Es wäre wünschenswert, dass sich die | |
Sache gütlich klärt.“ | |
Die Journalisten wollen nun die Akteneinsicht abwarten. Für Röpke steht der | |
Thüringer Einsatz aber für ein größeres Problem. Vor allem seit den | |
Anti-Asyl- und Pegida-Protesten sei die Polizei „hoffnungslos überfordert“. | |
Beamten würde sich rechtlich zu wenig auskennen und ließen Beleidigungen | |
und Angriffe auf Medien zu. „Die Rechten erkennen diese Schwäche und nutzen | |
sie aus“, kritisiert Röpke. Das Ergebnis: „Unsere Arbeit wird immer | |
gefährlicher.“ | |
13 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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