Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- PR-Interview des VW-Chefs: Mit dem Diesel zum Hambi
> Autofahren mit Kohlestrom sei „Wahnsinn“, er habe Sympathien für
> Öko-Aktivisten, sagt VW-Chef Herbert Diess. Und droht mit Job-Kahlschlag.
Bild: Herbert Diess auf dem Weg zum Autogipfel imKanzleramt
Die Wannen sind weg, doch nach den Polizisten droht dem Hambacher Forst nun
neue Gefahr: Herbert Diess will kommen – und mitdemonstrieren.
Keine Fake News: Der VW-Chef hat angekündigt, im Hambi gegen die
Kohlemafioso von RWE zu protestieren, also eventuell. Kein Scheiß, liebe
Leute in den gerade neu entstehenden Baumhäusern namens Krähennest und
Neu-Gallien, macht Platz für Diess’ Dienst-Porsche: Er habe „absolut“
Symphatien für die Hambi-Protestler, sinniert der Vorstandsvorsitzende des
weltgrößten Autobauers [1][seitengroß im Interview mit der Süddeutschen
Zeitung]. Und: „Ich werde da vielleicht auch hingehen“, Die Sit-ins,
Plumpsklos und WLAN-Löcher im Wald scheinen Diesel-Diess dabei nicht
stören.
Denn jetzt mal ganz ehrlich: „Beim Wandern hoch oben sehe ich ja, wie die
Gletscher zurückgehen.“ Und: „Wir müssen mehr als zwei Grad Erderwärmung
vermeiden.“
Das bisschen Dieselgate ist wenig gegen die ganz große Sauerei im
Energiesektor, insinuiert der VW-Grande. Die Strombranche führe „unsere
ganze Elektrifizierungsstrategie ad absurdum“, sagt Diess. Weil: Mit
Elektroautos stelle man ja „nicht auf Elektro um, sondern auf
Kohlebetrieb“. Es sei „Wahnsinn“ und habe „überhaupt keinen Sinn,
Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, wenn wir gleichzeitig den Strom
dafür aus Braunkohle produzieren.“
Ein uralter Einwand der Gaspedal-SUV-Tempolimit-pfui-Lobby: Sie fordert
freie Fahrt für Stinkediesel und -benziner, weil immer noch fast 40 Prozent
des Stroms in Deutschland aus Stein- und Braunkohle produziert wird. Und
lassen dabei außer Acht, dass die Potentiale der Erneuerbaren binnen kurzer
Zeit das fossile Zeitalter vergessen machen werden. Die Kohlekommission
plant ja gerade den Exit.
## Schlechtes Gewissen? „Selbstverständlich“
Das Gespräch ist PR-technisch so abgefeimt, dass der Leser nachher denken
könnte: Der arme Herr Diess hat recht, die tun ja viel mehr, als man so
liest. Wie gemein diese Medien mit VW sind – nur weil die so groß sind.
Diess stellt fest, dass es „in der öffentlichen Wahrnehmung einen
Schuldigen beim Stickoxid“ gibt, nämlich „das Auto und die Autoindustrie�…
Und das ist schon nur die halbe Wahrheit: Die Erfinder der millionenfachen
Dieselschweinerei sitzen bei VW in Wolfsburg und bei Audi in Ingolstadt,
nicht etwa bei GM in Detroit oder bei Toyota in Toyota. Stickoxide? Busse
und Schiffe stoßen viel mehr aus! Fahrverbote? Nicht nötig! Sauberen Ersatz
für Stinkediesel? Mit unseren supertollen Rabatten und Umtauschprämien
können die Leute unsere neuen Dieselschleudern kaufen, die auch nicht die
Grenzwerte erreichen. Grenzwertüberschreitungen in über 70 Städten? „Wir
reden hier nicht über Dreck! Wir reden über Fahrzeuge, die gesetzeskonform
zugelassen sind.“ Schlechtes Gewissen? „Selbstverständlich. Das muss man
auch haben.“ Da wird der Herr Diess ganz schön fies von der SZ in die Zange
genommen.
Und dann die Hammermethode, mit der die Branche auch schon beim Katalysator
oder bei der Ökosteuer gedroht hat: Kahlschlag bei den Jobs. „So eine
Industrie kann schneller abstürzen, als viele glauben wollen“, orakelt
Diess. Wenn sich die bösen Ökofuzzis in der EU mit ihren üblen
CO2-Grenzwerten durchsetzen, muss der Herr Diess deshalb [2][leiderleider
100.000 Jobs streichen]. Denn: E-Autos haben kein Getriebe, keinen Auspuff,
keinen vergleichsweise komplexen Verbrennungsmotor – ergo: Viele
Elektrokisten = viele Arbeitslose. Das in der Nacht zum Mittwoch
verhandelte neue EU-Ziel von 35 Prozent CO2-Minderung bis 2030 ist also ein
Jobkiller.
Alles das auch noch kurz vor der Bayern-Wahl. Ganz zufällig schimpfte am
Donnerstag auch CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer über
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze: Die habe in Brüssel „halbherzig“
verhandelt, weil eine strengere CO2-Minderung „rauskam, als in der
Bundesregierung vereinbart“. Nun ja: Die meisten Experten halten genau das
Gegenteil für richtig: Nur mit knallharten Vorgaben, so die einhellige
Meinung, wird die hiesige Autoindustrie fit beim Zukunftstrend
E-Mobilität.
11 Oct 2018
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-wir-als-autoindustrie-hab…
[2] /Autokonzerne-gegen-hoehere-CO2-Grenzen/!5540309
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Dieselskandal
Kohleausstieg
Volkswagen
Diesel
Dieselskandal
Staatsanwaltschaft Hannover
Dieselskandal
Schwerpunkt Klimawandel
Diesel-Nachrüstung
Volkswagen
Audi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verbraucherschützer vor Vergleich: Schadenersatz für Diesel-Käufer
Die Verbraucherzentrale klagt im Namen von 400.000 Dieselfahrzeug-Käufern,
nun lenkt VW ein. Jahrelange Prozesse könnten vermieden werden.
Anklagen wegen Dieselgate: Staatsanwälte knöpfen sich VW vor
Spät, aber bedrohlich für Volkswagen: Konzernchef Diess, Oberaufseher
Pötsch und Ex-Vorstandsboss Winterkorn werden wegen Marktmanipulation
angeklagt.
Sammelklage wegen Abgas-Skandal: Tausende Diesel-Opfer gegen VW
Die Aufarbeitung des Abgas-Betrugs kommt mit dem neuen Gesetz zur
Musterfeststellungsklage in Fahrt. Nun können Verbände für Kunden klagen.
Neue Baumhäuser im Hambacher Forst: „Feuerlöscher sind schon bestellt“
Der von Rodung bedrohte Wald wird wieder besetzt, die Baumhäuser entstehen
neu. Brandschutzpläne sollen eine Räumung verhindern.
Motorumbauten nach Diesel-Skandal: VW stimmt offenbar Nachrüstung zu
Im Streit um alte Dieselautos wird in der Koalition weiter verhandelt. Der
Autokonzern VW hat laut „Spiegel“ einer nachträglichen Aufrüstung der
Motoren zugestimmt.
Umweltfreundliche Autos: Volkswagen verhängt Bestellstopp
Wer ein Fahrzeug mit Hybrid-, Erdgas oder Elektroantrieb bei Volkswagen
kaufen will, braucht Geduld. Schuld sei die Politik, sagt der
Automobilverband.
Ermittlungen im Abgasskandal: Audi-Chef Stadler festgenommen
Topmanager Stadler kommt wegen Verdunkelungsgefahr in U-Haft. Er soll
Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in den Verkehr gebracht haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.