Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Oppositionspolitik in Indien: Ein weiterer Gandhi marschiert
> Rahul Gandhi läuft zu Fuß durch Indien. Der gefallene Dynastie-Politiker
> versucht damit sich und seine Partei zu rehabilitieren – mit Erfolg.
Bild: Hat schon 2800 Kilometer zu Fuß durch Indien zurückgelegt: Oppositionsp…
Delhi taz | Rund 2.800 Kilometer hat Rahul Gandhi bereits hinter sich
gebracht. Seit dem 7. September läuft der indische Oppositionspolitiker
schon durchs Land. Sein Fußmarsch begann im Süden des Subkontinents, das
Ziel ist der Norden. Etwa zwei Drittel seines Wegs liegen hinter ihm.
Mehr als 20 Kilometer schafft der 52-Jährige täglich. Dabei begleiten ihn
nicht nur Hunderte Anhänger:innen der Kongress-Partei, dessen
Vorsitzende er zwischenzeitlich war. Viele Menschen, vor allem aus dem
ländlichen Indien, wo Gandhi hauptsächlich unterwegs ist, schließen sich
ihm für eine Weile an.
„Meine Erfahrung ist unvergesslich“, schwärmt Swati Tribhuvan von ihrer
Teilnahme beim „Marsch zur Einheit Indiens“, der in Hindi als „Bharat Jodo
Yatra“ bekannt ist. Die 26-jährige Jurastudentin findet: „Indiens Vielfalt
ist eine Stärke, aber in den vergangenen Jahren wird Hass gesät und die
religiöse Polarisierung nimmt zu.“ Deshalb wollte sie sich mit der Bewegung
solidarisieren.
Zusammen mit anderen Studierenden schloss sie sich dem Marsch in Westindien
an, um mit Gandhi über Bildungsfragen zu sprechen. „Kongressferne Menschen
wie ich nahmen in großer Zahl teil, um gegen die Politik des Hasses zu
protestieren“, erklärt Tribhuvan.
## Drohende Spaltung der Gesellschaft
Seit Gandhi aufgebrochen ist, erhält er Anerkennung und viel positive
Presse. Das ist ungewohnt [1][für die Kongress-Partei]. Über Jahrzehnte
regierte sie Indien, verlor aber stetig an Beliebtheit – vor allem
zugunsten der hindunationalistischen Volkspartei BJP. Die gewann bei den
[2][Parlamentswahlen 2014 und 2019] deutlich gegenüber der Kongress-Partei.
Auch für Gandhi lief es in den vergangenen Jahren nicht gut. Als Sohn des
ehemaligen Premierministers Rajiv Gandhi lasteten hohe Erwartungen auf
seinen Schultern – selten wurde er ihnen gerecht. Doch nun schafft es Rahul
Gandhi nahezu täglich mit aktuellen Fotos in Regionalzeitungen: mal mit
Kindern, mal mit Witwen und zwischendurch mit prominenten Gesichtern. Er
fühlt sich offenbar wohl in seiner Oppositionsrolle.
Zu seinen bekannteren Begleitern gehört der ehemalige Gouverneur der
Reserve Bank of India, Raghuram Rajan. Die regierende BJP kritisierte den
Ökonomen prompt dafür. Auch die bekannte Schauspielerin Pooja Bhatt oder
der Comedian Kunal Kamra liefen ein Stück an Gandhis Seite.
Kamra erläutert: „Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht kneifen und mich in
die Neutralität flüchten konnte.“ Er sei überrascht gewesen, dass der
Marsch so viel Anklang findet. Seltene Worte von Kamra, der sonst dafür
bekannt ist, mit seinen Witzen kaum jemanden in Indiens Politik zu
verschonen.
In Berichten über Gandhis Aktion geht es aber vor allem um seine Kritik an
der Regierung. Diese Woche prangerte er bei einer Kundgebung am Roten Fort
in Delhi an: „Hindu-muslimischer Hass wird verbreitet, um von den wahren
Problemen abzulenken.“
Während sein Bart zusehends wächst, spricht er im ganzen Land über die
Arbeitslosigkeit und eine drohende Spaltung der Gesellschaft [3][entlang
der religiösen Linien]. Seine Kampagne solle zeigen, dass das „wahre
Indien“ offen und hilfsbereit sei – im Gegensatz zu Indiens aktueller
Regierung.
## Gandhi und Gandhi
Anfangs versuchte die BJP, seinen Marsch zu ignorieren. Doch je weiter
Gandhi sich Richtung Norden bewegte, desto härter [4][kritisierten ihn
Mitglieder der Regierungspartei]. Trotzdem legte er in Delhi angekommen
Blumen an das Denkmal des ehemaligen BJP-Premiers Atal Bihari Vajpayee –
und heizte damit die Debatte über ihn weiter an.
Rahul Gandhis Marsch erinnert Beobachtende an den „Salzmarsch“ seines
Namensvetters Mahatma Gandhi. Der brach [5][1930 auf, um mit zivilem
Ungehorsam gegen] die britische Kolonialherrschaft zu protestieren.
Letztlich führte er Indien damit in die Unabhängigkeit.
Wohin Rahul Gandhis Marsch führt, bleibt abzuwarten. Bisher hat ihm die
Aktion zu [6][ordentlichem Ansehen verholfen]. Aber seine Kongress-Partei
steckt weiter in der Krise. Es gibt Gerüchte, dass Gandhis Marsch nicht
nach 150 Tagen endet wie geplant, sondern dass er weiterläuft. Die
Kongress-Partei bestreitet zwar, dass es sich um eine Wahlkampagne handelt.
Doch bereitet sich die Politik längst auf die Wahlen 2024 vor.
31 Dec 2022
## LINKS
[1] /Vorsitz-der-Kongresspartei-in-Indien/!5885548
[2] /Parlamentswahl-in-Indien/!5585155
[3] /Religionsstreit-in-Indien/!5856552
[4] https://www.hindustantimes.com/cities/lucknow-news/smriti-irani-asks-rahul-…
[5] /Gandhis-Urenkel-zum-150-Geburtstag/!5631062
[6] https://twitter.com/mehboobamufti/status/1607714444842512384
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Indien
Rahul Gandhi
Kongresspartei
BJP
Religion
Opposition
Indien
Schwerpunkt Pressefreiheit
Der Hausbesuch
Kolumne Stadtgespräch
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kontroverse um indischen Mischkonzern : Der 112-Milliarden-Dollar-Verlust
Betrugsvorwürfe bringen den indischen Konzern Adani ins Wanken. Das könnte
auch negative Folgen für den Ausbau erneuerbarer Energien haben.
Zensur von BBC-Doku in Indien: Altlasten vertuschen
Die indische Regierung geht mit Notstandsbefugnissen gegen eine kritische
BBC-Doku über Premierminister Narendra Modi vor. Die Pressefreiheit
schrumpft im Land.
Der Hausbesuch: Sie hat zwei Leben in einem
Meera Ramesh wächst in Indien auf, sieht nach der Heirat die halbe Welt.
Erst in Deutschland aber kann sie ihren Traum leben: Medizin studieren
Femizid in Indien: In 35 Teile zersägt
Ein Mann hat in Indien seine Frau erwürgt und die Leiche zerteilt. Der Mord
schockiert das Land. Hinzu kommen antimuslimische Ressentiments.
Vorsitz der Kongresspartei in Indien: Sieg für „King Kong Kharge“
Mallikarjun Kharge ist neuer Vorsitzender der Kongresspartei. Damit liegt
der Vorsitz seit 1998 wieder außerhalb der Nehru-Gandhi-Familie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.