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# taz.de -- Kontroverse um indischen Mischkonzern : Der 112-Milliarden-Dollar-…
> Betrugsvorwürfe bringen den indischen Konzern Adani ins Wanken. Das
> könnte auch negative Folgen für den Ausbau erneuerbarer Energien haben.
Bild: Proteste gegen Adani in Neu-Delhi
Mumbai taz |Er betreibt Flughäfen, stellt Sonnenblumenöl her und liefert
Strom – ohne den gigantischen Mischkonzern Adani geht in Indien wenig. Über
die Jahrzehnte hat sich der Gründer Gautam Adani, 60, in viele Bereiche der
indischen Industrie eingekauft. Adani wurde als Kind einer
Mittelklassefamilie in Ahmedabad im Bundesstaat Gujarat geboren. Mit 16
brach er die Schule ab, stieg dann vom Diamantenhändler binnen 35 Jahren
zum drittreichsten Mann der Welt auf.
Besonders stark ist der Konzern unter der hindunationalistischen Regierung
von [1][Premierminister Narendra Modi] geworden. So schnell, dass viele
sich wunderten. Im vergangenen Jahr explodierte der Wert des Mutterkonzerns
Adani Enterprises Ltd. (AEL) geradezu – bis ein Bericht der
US-Anlageberatungsfirma Hindenburg Research den Börsenwert des Imperiums
binnen zwei Wochen um 112 Milliarden US-Dollar schrumpfen ließ.
Von „dreisten Aktienmanipulationen und Bilanzfälschungen über Jahrzehnte
hinweg“ ist dort die Rede. Auch Mitglieder des Adani-Clans sollen beteiligt
sein, etwa durch Gründungen von Scheinfirmen in Steueroasen. Mit diesen
Enthüllungen am 24. Januar begann das Adani-Konglomerat zu bröckeln. Die
Aktienkurse von vielen Adani-Papieren fallen seitdem.
## Adani-Gruppe weist Vorwürfe zurück
Die Adani-Gruppe wies die Vorwürfe zurück und nannte den Hindenburg-Bericht
eine „Attacke auf Indien“, die die Unabhängigkeit und Integrität des Land…
angreife. Die Gegendarstellung des Konzerns umfasste über 400 Seiten. Es
war einer der Versuche, die Bedenken der Investoren einzudämmen. Später
wurde in Panik ein geplanter Adani-Aktienverkauf im Wert von 2,5 Milliarden
US-Dollar abgesagt.
Stattdessen zahlten Adani und seine Familie eine Milliarde US-Dollar an
Krediten vorzeitig zurück. Die indische Zentralbank wurde hellhörig und
fragte bei lokalen Banken nähere Angaben zur Verwicklung mit Adani-Firmen
an. Das Bankensystem sei aber stabil, hieß es.
Im [2][November 2022 war die Adani-Gruppe 280 Milliarden Dollar] wert – und
so zwischenzeitlich zum zweitgrößten indischen Mischkonzern aufgestiegen.
Damit hatte Adani in kurzer Zeit sogar die renommierte Tata-Gruppe
überholt. Beobachter:innen verweisen auf enge Beziehung zwischen Adani
und dem indischen Premier Modi, die beide aus dem westindischen Gujarat
stammen. Angeblich hat das mit dem Aufstieg ohne staatliche Kontrolle zu
tun.
Die Adani-Gruppe hatte sich zuvor immer mehr Geschäfte, Bereiche und ganze
Lieferketten einverleibt. Seit 2019 gehören Flughäfen zum Portfolio, von
denen nach einer Privatisierungswelle sechs an Adani gingen. Das
Unternehmen ist ein Beispiel dafür, wie in Indien in den vergangenen Jahren
die Konzentration von Kapital zugenommen hat. Schlagzeilen machte der
Konzern auch, als er durch die Hintertür Anteile des unabhängigen
TV-Senders NDTV einkaufte. Prominente Journalist:innen verließen
daraufhin den Sender.
## Absturz betrifft Investoren, darunter auch staatsnahe
Der Adani-Absturz dürfte noch massive Auswirkungen auf Indien haben. Unter
den Investoren sind auch die staatsnahen Unternehmen State Bank of India
(SBI) sowie die Versicherungsgruppe Life Insurance Corporation (LIC) mit
vielen Kleinanlegern. Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg sind von
der Adani-Pleite auch Milliardäre von Arkansas bis Hongkong betroffen.
Darunter befindet sich mit Robert Kuok der reichste Mann Malaysias und
einer der ältesten Partner von Adani. Auch ausländische Fonds und Banken
investierten in Adani.
[3][Gautam Adani ist auch unter Klimaaktivisten bekannt.] Das verwundert
nicht, denn mehr als 60 Prozent der Einnahmen der Adani-Gruppe stammen aus
dem Kohlegeschäft. Mit dem Erwerb des australischen Bergwerks Carmichael
wollte Adani Kohle direkt nach Indien importieren. Als Folge bekamen die
Proteste gegen das Unternehmen neuen Aufschwung. Andererseits zeigt die
Krise um den Milliardär auch neue Sorgen um Indiens sauberere Zukunft.
Adani investierte in Indien – ebenfalls wie Tata oder der Mischkonzern
Reliance – in erneuerbare Energien: [4][Solar- und Windparks und eine
Offensive in grünem Wasserstoff]. Es sind Vorzeigeprojekte der Regierung
Modi, die zum Fall Adani schweigt.
## Korruptionsvorwurf beschäftigt indisches Parlament
Die Opposition kritisiert Adani dagegen seit Langem. Sie wirft dem Konzern
vor, von der Regierung bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt behandelt
worden zu sein. „Die größte Korruption des Jahrhunderts“ nennt es der
oppositionelle Abgeordnete Pramod Tiwari von der Kongress-Partei im
Parlament. Die Opposition fordert seit Tagen eine Aussprache zu den
Vorwürfen gegen die Adani-Gruppe, was die Regierung bisher ablehnte. Vor
dem Parlament kam es zu Protesten.
In der Volksvertretung griff [5][Kongress-Politiker Rahul Gandhi] am
Dienstag das Thema erneut auf, indem er Fotos von Begegnungen zwischen Modi
und Adani zeigte.
8 Feb 2023
## LINKS
[1] /Zensur-von-BBC-Doku-in-Indien/!5912022
[2] https://www.finanzen.net/aktien/adani_enterprises-aktie
[3] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/siemens-partner-in-austr…
[4] /Indiens-komplizierte-CO2-Reduktionsziele/!5870272
[5] /Oppositionspolitik-in-Indien/!5901621
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
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Aktien
Rahul Gandhi
Umweltschutz
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Schwerpunkt Pressefreiheit
Kolumne Stadtgespräch
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Recherche und Reportage
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