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# taz.de -- Zensur von BBC-Doku in Indien: Altlasten vertuschen
> Die indische Regierung geht mit Notstandsbefugnissen gegen eine kritische
> BBC-Doku über Premierminister Narendra Modi vor. Die Pressefreiheit
> schrumpft im Land.
Bild: Auch Screenings der Dokumentation wie hier Ende Januar vor Studierenden i…
Mumbai taz | Die Situation drohte zu eskalieren, als sich am Wochenende
rund 200 Studierende in [1][Mumbai] der Regierung widersetzten. An der
TISS-Universität streamten sie eine kontroverse Dokumentation über Premier
Narendra Modi (BJP), während [2][wütende Demonstranten] vor dem Gelände
warteten.
Die Regierung hatte per Notverordnung erwirkt, dass auf Social-Media- und
Video-Plattformen Links zum zweiteiligen Dokumentarfilm „Die Modi-Frage“
gelöscht werden. Er wurde zwar nur im Vereinigten Königreich von [3][der
British Broadcasting Corporation (BBC)] ausgestrahlt, löste aber einen
Medienrummel in Indien aus, nachdem Auszüge vielfach im Netz geteilt
wurden.
Selbst Politiker:innen posteten Links dazu auf Twitter. Nachgezeichnet
wird darin Modis Aufstieg in der regierenden hindunationalistischen
Volkspartei (BJP) während seiner Amtszeit als Ministerpräsident des
Bundesstaates Gujarat. Im Mittelpunkt stehen die Ausschreitungen 2002 in
Gujarat, bei denen mehr als 1.000 Menschen, vor allem Muslime, getötet
wurden.
Es war einer der schlimmsten Ausbrüche religiös motivierter Gewalt seit der
Unabhängigkeit Indiens 1947. Er folgte als Vergeltungsaktion, nachdem ein
Zug mit Hindu-Pilgern in Brand gesteckt worden war und 59 Menschen ihr
Leben verloren. Modis Regierung wurde beschuldigt, nichts unternommen zu
haben, um die kurz darauf ausbrechende Gewalt zu stoppen. Die BBC lässt 20
Jahre nach dem Vorfall Betroffene zu Wort kommen.
Zitiert wird auch ein bisher unveröffentlichter Bericht des britischen
Außenministeriums, der Modi „direkt verantwortlich“ macht für das „Klima
der Straflosigkeit“, das die Gewalt damals ermöglicht haben soll. Modi
wurde jedoch von jeder Schuld an den Unruhen in Indien freigesprochen.
Dabei möchte es die Regierung belassen. Sie bezeichnet die Dokumentation
als „Propaganda“. Dem Sender wirft sie eine „koloniale Denkweise“ vor.
## Die Selbstzensur nimmt zu
Doch seitdem versucht wird, die Dokumentation zu zensieren und angekündigte
Vorführungen zu verhindern, gewinnt das Thema erst recht an Aufmerksamkeit.
Justizminister Kiren Rijiju (BJP) verteidigte die Maßnahmen. Abgeordnete
aus der Opposition kritisierten die Zensur und zogen am Montag vors Oberste
Gericht Indiens. Angehörige der indischen Diaspora protestierten
unterdessen gegen die BBC in London. In Medienberichten werden
Spekulationen darüber laut, dass Indien während seines G20-Vorsitzes für
seine russlandfreundliche Haltung abgestraft werde und versucht werde, den
Ruf der BJP zu schädigen.
Der indische Premier Modi äußert sich nicht. Seit Jahren hat er lokalen
Journalist:innen keine Interviews mehr gegeben. Stattdessen setzt Modi
darauf, durch Ansprachen, seinen Podcast und soziale Medien seine
Botschaften zu verkünden. Aus Kreisen seiner Parteimitglieder heißt es,
dass die Medien Modis Äußerungen in seiner Zeit als Ministerpräsident in
Gujarat nicht richtig kontextualisiert hätten, was zu diesem Schritt
geführt habe. Auch die BBC zeigt ein altes Interview mit Modi, in dem er
sich über eine britische Reporterin mokiert.
Seit dem Amtsantritt Modis als Premier 2014 ist Indien in der Rangliste der
Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von Rang 140 auf 150 abgestiegen.
Der renommierte Journalist Palagummi Sainath nennt die Freiheit der Presse
in Indien eine komplizierte Angelegenheit. Die Kommerzialisierung und damit
der Einfluss von Konzernen und der Regierung als Hauptanzeigenkunden sei
ein Problem. Zudem kann der Staat sehr hart gegen Journalist:innen
vorgehen, so Sainath. Unter anderem durch das Antiterrorgesetz UAPA.
Selbstzensur unter Journalist:innen nimmt in Indien seit Jahren zu.
Eine Filmzertifizierungsstelle gibt es bereits seit 1951 und neue Gesetze
verstärken auch den Einfluss der Regierung auf Streaming-Plattformen und
soziale Medien. Indien bestehe darauf, dass ausländische Unternehmen wie
Meta und Twitter Indiens „digitale Souveränität“ respektieren sollen,
verkündete der damalige indische Informationsminister Ravi Shankar Prasad
2021. Damals wurden die neuen IT-Regeln des Landes vorgestellt. Seitdem
kann man sich mit dem Teilen von Inhalten auf Plattformen in Indien
strafbar machen.
1 Feb 2023
## LINKS
[1] /Indische-Filme-als-Kassenschlager/!5908945
[2] /Oppositionspolitik-in-Indien/!5901621
[3] /BBC-Dokumentation/!5903433
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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