Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Femizid in Indien: In 35 Teile zersägt
> Ein Mann hat in Indien seine Frau erwürgt und die Leiche zerteilt. Der
> Mord schockiert das Land. Hinzu kommen antimuslimische Ressentiments.
Bild: Ram Kadam, Führer der BJP, protestiert mit Parteimitgliedern gegen den M…
Mumbai taz | Der Fall ist so aufgeladen, dass der Angeklagte der
Verhandlung nur per Video beiwohnen wird: Vor dem Gericht gab es bereits
lautstarken Protest. Sogar Anwälte waren beteiligt, riefen: „Hängt den
Mörder!“ Indien ist aufgebracht. Es geht um die Ermordung einer 26-jährigen
Frau durch ihren Lebensgefährten.
Die beiden hatten sich 2019 über eine Dating-App kennengelernt. Anfang des
Jahres zogen sie nach Delhi. Da sie Hindu war und er Muslim, waren die
Eltern der verstorbenen Shraddha Walkar nicht glücklich über ihre
Partnerwahl. In Indien wird der Ehepartner oft noch von den Eltern
arrangiert, auch wenn sich junge Menschen das immer weniger vorschreiben
lassen.
Auf den Fotos, die von den beiden kursieren, sehen sie glücklich aus. Doch
plötzlich brach Walkar den Kontakt zur Familie ab, ihre Freunde erreichten
sie nur noch auf Instagram. So begann die Suche nach ihr. Ein halbes Jahr
später ist klar: Walker lebt seit Mai nicht mehr, mutmaßlich erwürgt von
ihrem Lebensgefährten. Um den Mord zu vertuschen, sägte ihr 28-jähriger
Lebensgefährte Aftab Poonawalla sie in 35 Stücke, die er wochenlang in
einem Kühlschrank aufbewahrte und schließlich im Wald verteilte. Er
beseitigte professionell die Beweise der Tat und war dann aktiv auf ihrem
Social-Media-Account.
„Ich bin wie viele andere bestürzt“, sagt Pavan Kumar, 30, aus Mumbai. Der
Mord füllt Zeitungsseiten, Fernsehdebatten, bestimmt Gespräche unter
Freunden. „Das kann leider überall passieren“, sagt er. Für ihn geben wed…
Ort noch Religionszugehörigkeit den entscheidenden Ausschlag für
[1][Verbrechen gegen Frauen] – anders als in so mancher Debatte im TV oder
in sozialen Medien, in denen Hindu-Frauen jetzt vor muslimischen Männern
gewarnt werden.
## Vergleiche mit dem Serienkiller aus dem US-TV
Kumar ist der Meinung, dass die Todesstrafe keinen Sinn macht. „Aber es
muss eine angemessene Strafe geben“, sagt er. „Wichtig ist es zu verstehen,
was der Hintergrund des Täters ist, der zu dem Verbrechen geführt hat“,
sagt er. Er meint, dass es an Aufklärung fehlt, über Beziehungen und über
Sex werde kaum gesprochen. Und er hofft, dass der Fall nicht politisiert
wird.
Was für Empörung sorgt, sind die Einzelheiten der Tat. Manche vergleichen
den Täter mit dem US-Serienkiller Jeffrey Dahmer. Der Täter hatte sich nach
eigener Angabe einiges von der Fernsehserie „Dexter“ abgeschaut, einem
Forensiker, der in seiner Freizeit Verbrecher tötet und die Morde
vertuscht.
Knochenstücke wurden in einem Abfluss gefunden, ein mutmaßliches
Tatwerkzeug sichergestellt. Je mehr grausame Details bekannt werden, desto
lauter wird der Schrei nach: [2][#JusticeForShraddha].
Allerdings lassen sich viele antimuslimische Parolen zu diesem Hashtag
finden. Walkar wird gar verhöhnt dafür, dass sie einen muslimischen Freund
hatte. Ihr Vater fordert nun die Todesstrafe für seinen Schwiegersohn, den
gelernten Koch und Fotografen. In Indien wird die aber nur selten
vollstreckt, etwa bei verurteilten [3][Gruppenvergewaltigern].
„Die Gesellschaft und Familien müssen wachsam sein, um weitere Opfer zu
vermeiden“, sagt Neelam Gorhe, Lokalpolitikerin der prohinduistischen
Partei Shiv Sena, als sie die Familie der Verstorbenen im Mumbaier Umland
besucht.
Sie fordert eine schnelle Anklage und Verurteilung. Zurzeit ermittelt die
Polizei noch, auch ob der Täter unter Drogeneinfluss stand. Auch Gorhe
hält die Todesstrafe, wohl als Abschreckung, für angemessen.
„Die Berichterstattung über den tragischen und entsetzlichen Mord an
Shraddha Walkar enthält alle Elemente von Hass, Fanatismus und Rache, aber
nicht einen Hauch von Empathie für sie“, beklagt eine junge Frau auf
Twitter. Die Mumbaier Aktivistin Geeta Seshu meint, dass sich solche Fälle
ständig in allen Religionen abspielten. „Junge Frauen haben keine familiäre
Unterstützung und müssen Missbrauch und Gewalt ertragen“, beschreibt sie
das Problem.
Die Familie des Angeklagten ist untergetaucht. Die Suche nach Walkars
Überresten geht weiter.
18 Nov 2022
## LINKS
[1] /Femizide-in-Indien/!5717276
[2] https://twitter.com/search?q=%23JusticeForShraddha&src=typeahead_click
[3] /Todesstrafe-in-Indien/!5672888
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Indien
Schwerpunkt Femizide
Gewalt gegen Frauen
Delhi
Todesstrafe
Kolumne Stadtgespräch
Schwerpunkt Femizide
schwuz
Hatun Sürücü
Indien
Schwerpunkt Femizide
## ARTIKEL ZUM THEMA
Oppositionspolitik in Indien: Ein weiterer Gandhi marschiert
Rahul Gandhi läuft zu Fuß durch Indien. Der gefallene Dynastie-Politiker
versucht damit sich und seine Partei zu rehabilitieren – mit Erfolg.
Einbecker erschießt schlafende Ehefrau: Femizid oder Versehen?
In Göttingen steht ein Mann vor Gericht, der seine Frau erschossen hat. Die
Verteidigung sagt, es sei ein Unfall gewesen.
Wochenvorschau für Berlin: Erfindungsgeist ist ungebrochen
Der Innovationspreis wird wieder verliehen. Am Internationalen Tag gegen
Gewalt gegen Frauen gibt es Aktionen und im SchwuZ eine Performance.
Femizid in Berlin: „Im schlimmsten Fall Tötung“
Am Freitag beginnt der Prozess gegen zwei Afghanen, die ihre Schwester
getötet haben sollen. Petra Koch-Knöbel sieht Parallelen zum Fall Sürücü.
Tod von Neunjähriger in Indien: „Hängt die Mörder!“
Eine Neunjährige soll in Indien nach einer Gruppenvergewaltigung getötet
worden sein. Der Fall wirft viele Fragen auf.
Femizide in Indien: Fall „Manisha“ erschüttert Indien
Immer wieder misshandeln und vergewaltigen Männer in Indien Frauen. Eine
hat nun ihren Fall publik gemacht – inzwischen ist sie tot.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.