# taz.de -- Neues AfD-Portal: Der Lehrer-Pranger | |
> Am Montag geht ein Portal der Berliner AfD online, auf dem Schüler ihre | |
> Lehrer anschwärzen können. Aber: Dürfen die das? Und wie geht man damit | |
> um? | |
Bild: Viele Schüler*innen werden sich wohl nicht am neuen AfD-Portal beteiligen | |
Am heutigen Montag will die Berliner AfD eine Plattform online stellen: | |
SchülerInnen und Eltern sollen dort AfD-kritische LehrerInnen melden | |
können. Wie bitte? | |
Richtig gelesen: Die AfD-Fraktion plant auf ihrer Website eine Art | |
„Meldeformular“: Wer glaubt, dass seine LehrerIn gegen eine (vermeintliche) | |
„Neutralitätspflicht“ verstoßen hat – beziehungsweise sich kritisch üb… | |
die AfD geäußert hat –, kann dort den Vorfall, den Namen und die Schule der | |
LehrerIn melden. | |
Darf die AfD das überhaupt? | |
Grundsätzlich – leider ja. Zu dieser Einschätzung gelangt zumindest die | |
Bildungsverwaltung: „Per se ist es nicht rechtswidrig, wenn eine private | |
Organisation dazu auffordert, (angebliche) staatliche Missstände zu | |
melden“, teilt eine Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) | |
mit. Allerdings könne jede Meldung für sich genommen „natürlich | |
rechtswidrig“ sein. Im Klartext: Die betroffene LehrerIn könnte zum | |
Beispiel Anzeige wegen Verleumdung oder übler Nachrede erstatten. | |
In Brandenburg will die AfD ein ähnliches Portal starten Dort will die | |
Landtagspräsidentin prüfen, ob die AfD-Fraktionsmittel zweckentfremdet hat. | |
Was hält man in Berlin davon? | |
Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) gibt sich bisher zurückhaltend. Nur | |
der Landesrechnungshof könne die Verwendung von Fraktionsgeldern prüfen, | |
sagte sein Sprecher einer Nachrichtenagentur. | |
Was sagt die Landesdatenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk dazu? | |
Das Datenschutzgesetz gilt nicht für die im Abgeordnetenhaus vertretenen | |
Fraktionen. Das AfD-Lehrerportal sei deshalb auch „ein Beispiel dafür, wie | |
wichtig es ist, dass das Berliner Parlament sich eigene Datenschutzregeln | |
gibt, um (…) das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch in | |
diesem Bereich zu sichern“, betont ein Sprecherin. Bildungssenatorin | |
Scheeres kündigte am Freitag an, man werde die Datenschutzbeauftragte „um | |
eine Überprüfung der Zulässigkeit des AfD-Vorhabens bitten“. Betroffene | |
Lehrkräfte wolle man „bestmöglich unterstützen“. | |
Was hat die AfD überhaupt mit diesem Meldeportal vor? | |
Fraktionssprecher Thorsten Elsholtz beteuert, es gehe nicht darum, Namen zu | |
sammeln – oder gar öffentlich zu machen (wie es ein AfD-Abgeordneter in | |
Baden-Württemberg im Alleingang auf einer ähnlichen Plattform getan hatte). | |
Deshalb wolle man zunächst das Gespräch mit den angeschwärzten LehrerInnen | |
suchen. Erst wenn sich der Lehrer „uneinsichtig“ zeige, wolle man ihn bei | |
der zuständigen Stelle der Bildungsverwaltung melden, sagt Elsholtz. | |
Aha, es gibt also schon eine Beschwerdestelle! Dann kann sich da doch jeder | |
selbst melden, wenn ihm etwas oder jemand nicht passt. | |
Richtig. Deshalb ja auch der naheliegende Verdacht der LehrerInnen: Die AfD | |
will uns erstens einschüchtern und zweitens an unsere Daten . Tatsächlich | |
findet auch die Bildungsverwaltung: „Überprüfungswürdig ist, ob die | |
personenbezogenen Daten der gemeldeten Lehrkräfte wirklich nur an die | |
zuständigen Behörden gemeldet werden.“ Die Lehrergewerkschaft GEW verweist | |
auf die Europäische Datenschutzgrundverordnung: LehrerInnen können bei der | |
AfD Auskunft über eventuell gespeicherte persönliche Daten verlangen – und | |
auf deren Löschung bestehen. | |
Was ist das für ein „Neutralitätsgebot“ für LehrerInnen, von dem die AfD | |
redet? | |
Gibt es nicht. Was es gibt: Ein Überwältigungsverbot. Lehrkräfte dürfen | |
SchülerInnen ihre Meinung nicht aufzwingen – eine Meinung haben dürfen sie | |
durchaus. Außerdem gibt es das Gebot der Kontroversität: LehrerInnen müssen | |
ein Thema so differenziert diskutieren, dass die SchülerInnen selbst zu | |
einem Urteil kommen können. Alles 1976 im Beutelsbacher Konsens | |
beschlossen, der die Grundsätze politischer Bildung in der Schule festlegt. | |
Was sagen die anderen Parteien im Abgeordnetenhaus? | |
Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Maja Lasić sieht | |
Senatorin Scheeres in der „Fürsorgepflicht, ihre Lehrkräfte gegen falsche | |
Anschuldigungen zu unterstützen“. Wie das in der Praxis genau aussehen | |
soll, müsse bewertet werden, sobald die Plattform online ist. | |
Nina Stahr, Landeschefin der Berliner Grünen, zückt das Schulgesetz: „Alle | |
Lehrkräfte, die sich gegen die AfD positionieren, handeln im Sinne des | |
Berliner Schulgesetzes. Neutralität bedeutet nicht, dass sich unsere | |
Schulen nicht mehr gegen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und andere Formen | |
der Diskriminierung einsetzen dürfen. Sie sind dazu sogar verpflichtet.“ | |
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel ruft zu zivilem Ungehorsam auf: „Neben | |
der notwendigen rechtlichen und politischen Auseinandersetzung kann ich nur | |
jeden auffordern, wie in Hamburg solch ein Petzportal mit satirischen | |
Nonsensbeiträgen zu fluten.“ Das Portal der Hamburger AfD-Fraktion ist | |
inzwischen wieder offline. | |
Und die Linken-Abgeordnete Regina Kittler erwartet „eine rechtliche Prüfung | |
sowohl durch das Abgeordnetenhaus als auch durch den Senat“. | |
Wie kann man sich wehren – auch als Nicht-LehrerIn? | |
Im Hamburg-Style: Dort haben Lehrer und andere Nutzer ein solches Portal | |
der AfD mit Pizzabestellungen und Satirebeiträgen geflutet. Außerdem kann | |
man die Online-Petition „Mein Lehrer fetzt“ unterschreiben: Dort fordern | |
BürgerInnen die Kultusministerkonferenz auf, „alle rechtlichen | |
Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen, eine solche parteipolitische | |
Denunziation zu unterbinden“. Bis Sonntag hatte die Petition über 37.000 | |
Unterschriften. Oder man folgt dem Vorschlag der Bildungsverwaltung: | |
einfach nicht mitmachen. | |
21 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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