# taz.de -- Neue Idee für Berliner Mietenmarkt: Vermieter richtig deckeln | |
> Kann das Land Berlin definieren, welche Vermieter am Markt teilnehmen | |
> können? Ein neuer Expertenvorschlag könnte Dynamik in die Frage bringen. | |
Bild: Spekulationsobjekt: Mieter:innen wehren sich 2018 gegen einen Verkauf an … | |
BERLIN taz | Spricht man in diesen Tagen mit Wohnungsmarkt- und | |
Mietenexpert:innen über gesetzliche Möglichkeiten, den anhaltend | |
ungebremsten Mietpreissteigerungen entgegenzuwirken, werden [1][die | |
Antworten sehr schnell dünn]. Da wird die Hoffnung formuliert, das | |
Vorkaufsrecht würde wiederhergestellt werden, verwiesen wird auf | |
vermeintliche Wirkungen des Zweckentfremdungsverbots – oder noch kühner – | |
der Mietpreisbremse. Ehrlicherweise müsste man feststellen: Die Politik, | |
zumal die Landespolitik, hat Mieter:innen derzeit nichts anzubieten. | |
Umso mehr ist die Politik auf Ideen von außen angewiesen, wie einst beim | |
[2][Mietendeckel, der über einen Beitrag des Bezirksamtsmitarbeiters Peter | |
Weber in der JuristenZeitung seinen Weg in die Politik fand]. Nun ist ein | |
neuer Artikel erschienen, zunächst im Fachmagazin Wohnungswirtschaft und | |
Mietrecht, dann auf dem [3][Verfassungsblog], der einer Debatte um eine | |
aktive Wohnungsmarktpolitik ganz neuen Schwung geben könnte. Geschrieben | |
hat ihn – sowie ein dazugehöriges [4][50-seitiges Rechtsgutachten] – Stefan | |
Klinski, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft | |
und Recht Berlin. | |
Die Idee: Über eine Marktzugangsbeschränkung wird geregelt, wer am | |
Wohnungsmarkt teilnehmen darf – und wer nicht. Klinski schlägt vor, | |
mithilfe eines Landesgesetzes diejenigen Unternehmen auszuschließen, „die | |
aufgrund ihrer Rechtsform oder ihres Geschäftszwecks besonders starken | |
Preiserhöhungsdruck verursachen“. Also „insbesondere Unternehmen, deren | |
eigene Anteile an einem Kapitalmarkt gehandelt werden (typischerweise | |
börsennotierte Aktiengesellschaften, Hedgefonds, Immobilienfonds) sowie | |
Unternehmen verschiedener Rechtsformen mit intransparenten | |
Eigentumsverhältnissen und/oder Gewinnverlagerung in Steueroasen“. | |
Umgekehrt heißt das: Als Marktteilnehmer berechtigt sind jene Akteure, die | |
ein Allgemeinwohlinteresse erfüllen, damit „der Wohnungsmarkt seiner | |
gesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden kann, bezahlbaren Wohnraum für | |
alle Bevölkerungsschichten zu schaffen und zu erhalten“. Ein Unternehmen | |
wie [5][Heimstaden] allerdings, das hierzulande nicht an der Börse notiert | |
ist, wäre nicht betroffen. | |
## Rein profitorientierte Akteure müssten Wohnungen verkaufen | |
Geregelt werden könne die Marktzugangsbeschränkung durch eine Genehmigung, | |
die jeder beantragen muss, der in Berlin Wohnungen vermietet oder vermieten | |
will. Um einen Übergang zu gewährleisten, schlägt Klinski eine Frist vor, | |
genannt ist ein Zeitraum von fünf bis sieben Jahren, in denen rein | |
profitorientierte Akteure ihre Wohnungen verkaufen müssten. | |
Im Gespräch mit der taz sagt Klinski, die Idee sei ihm gekommen, da das | |
Instrument Marktzugangsbeschränkung in anderen Wirtschaftsbereichen, etwa | |
im Bankenwesen, der Energiewirtschaft oder dem Personennahverkehr, „lange | |
bekannt ist, nur am Wohnungsmarkt noch nie diskutiert worden“ sei. Anfangs | |
sei er selbst „skeptisch“ gewesen, ob die Idee tragfähig ist – bis er ei… | |
„ordentliche Rechtsprüfung“ durchführte. Fazit: Gegen das Konzept stünden | |
„weder verfassungsrechtlich noch EU-rechtlich ernstliche Bedenken“; auch | |
sei den Unternehmen der Schritt „zuzumuten“. | |
Anders als der Mietendeckel würde Klinskis Vorschlag nicht in Regelungen | |
zum sozialen Mietrecht eingreifen. Weder werden Miethöhen vorgeschlagen | |
noch Abschlüsse von Mietverträgen geregelt – hier hatte das | |
Bundesverfassungsgericht eine Länderzuständigkeit verneint. Stattdessen | |
geht es um öffentliches Wohnungsrecht, wo die Kompetenz weiter bei den | |
Ländern liege. Denn die Frage, wer am Wohnungsmarkt teilnehmen könne, sei | |
nie Gegenstand mietrechtlicher Bestimmungen des Bundes gewesen. | |
Die Mieten würden infolge des Gesetzes „nicht automatisch“ sinken, so | |
Klinski, aber geschaffen wäre die Grundlage dafür. Denn die | |
Mietpreisexplosion in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten ist erheblich | |
beeinflusst durch die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, also dem | |
Auftreten börsennotierter Wohnungskonzerne, deren Wert sich nicht anhand | |
der Immobilien, sondern ihrer Aktienkurse bemisst und die der Anreizdynamik | |
zur Ertragsoptimierung unterliegen. | |
Es sei verhältnismäßig, diese Player auszuschließen, da sie „weder auf | |
einen bestimmten lokalen Markt noch überhaupt auf den Wohnungsmarkt | |
angewiesen“ sind, um ihr Kapital anzulegen, so Klinski. Gleichwohl handele | |
es sich dabei um „einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechtspositionen | |
der betroffenen Unternehmen“, da die Wahrnehmung ihres Geschäftsmodells | |
verunmöglicht werde. Klinski rechnet daher mit einer „besonders strengen | |
Verhältnismäßigkeitsprüfung“ durch das Bundesverfassungsgericht, der er d… | |
„überragend wichtige Gemeinschaftsgut“ des in der Berliner Verfassung | |
garantierten Rechtes auf Wohnen entgegenstellt. | |
## Enteignung, aber anders | |
Seinen Vorschlag bezeichnet er als „mögliche Kompromisslösung in der | |
[6][Debatte um die Vergesellschaftung]“. Diese sei „alles andere als | |
sicher“, auch müsse der Staat bei seiner Idee kein Geld für Entschädigungen | |
in die Hand nehmen. Dagegen kämen landeseigene Wohnungsbaugesellschaften | |
als Käufer für die zu veräußernden Bestände der Privaten infrage, ebenso | |
aber auch nicht börsennotierte Privateigentümer, Genossenschaften oder | |
Mietergemeinschaften. Spekulative Preise dürften sich ohne | |
kapitalmarktbasierte Unternehmen als mögliche Käufer kaum erzielen lassen. | |
In Kreisen progressiver Mietrechtler:innen wird Klinskis Vorschlag | |
bereits heiß diskutiert, und auch die Politik hat die Idee erreicht. Die | |
Mietenexpertin der Grünen, Katrin Schmidberger, spricht von einem „sehr | |
interessanten Vorschlag, der versucht, das Problem an der Wurzel zu packen“ | |
und der auch als „Ergänzung zur Vergesellschaftung“ gedacht werden könne. | |
Die rot-grün-rote Koalition sei verpflichtet, „alle Instrumente zu prüfen, | |
die den Wohnungsmarkt entspannen können“. Klinskis Vorschlag bringe hier | |
„eine neue Dynamik“. Schon bald soll es laut Schmidberger zu einem Treffen | |
wohnungspolitischer Expert:innen, Jurist:innen und Fachpolitikerinnen | |
der Koalition kommen. | |
9 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Staatssekretaerin-fuer-Mieterschutz/!5844993 | |
[2] /Der-Berliner-Mietendeckel-Macher/!5656405 | |
[3] https://verfassungsblog.de/wohnungsmarkt-ohne-borsendruck/ | |
[4] http://gesellschaftfuernachhaltigkeit.de/wp-content/uploads/2022/03/Klinski… | |
[5] /Immobiliendeal-Akelius--Heimstaden/!5802695 | |
[6] /Enteignungs-Kommission-in-Berlin/!5848629 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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