# taz.de -- Nachruf auf Peter Bogdanovich: Vorsicht vorm Eruptivgestein | |
> Durchdachte Leichtigkeit: Peter Bogdanovich war ein großer Regisseur des | |
> New Hollywood. Nun starb er im Alter von 82 Jahren in Los Angeles. | |
Bild: Peter Bogdanovich auf dem Roten Teppich beim Filmfestival in Venedig 2014 | |
In den ersten drei Minuten von Peter Bogdanovichs Film „Is was, Doc?“ gibt | |
es sechs gespielte Witze: Ein mit einer Golftasche getarnter Agent | |
entledigt sich bei einer Verfolgung seiner Golfschläger, indem er sie in | |
einen Mülleimer stopft. Eunices herrisches Verhalten gegenüber ihrem | |
Verlobten, dem Musik-Archäologie-Professor Howard, wird vom Kofferträger am | |
Flughafen kommentiert. Die hungrige Judy verwirrt einen teigknetenden | |
Pizzabäcker derartig, dass sein Teig beim Hochwerfen an der Decke kleben | |
bleibt. | |
Als Judy die Straße überquert, stoßen erst zwei Motorräder zusammen, später | |
zwei Autos. Wegen ihr stoppt auch das Taxi abrupt, in dem Eunice und Howard | |
sitzen. „Hoffentlich ist meiner Eruptivgesteinskollektion nichts passiert“, | |
sorgt sich Howard. Da dreht sich der Taxifahrer zu ihnen um. „Ich kann Sie | |
verstehen“, sagt er. „Ich hasse es, wenn man mein Eruptivgestein auch nur | |
anrührt.“ | |
Der Regisseur, Autor, Produzent und Filmkritiker Peter Bogdanovich, der am | |
Donnerstag mit 82 Jahren nach langer Parkinson-Erkrankung starb, bescherte | |
der „New Hollywood“-Welle der 1970er eine unfassbare Witzdichte. Aber auch | |
tiefe Dramen wie „The Last Picture Show“, sein Debüt von 1971. Die | |
schwarz-weiße Romanadaption spielt Anfang der 1950er. Sie analysiert | |
verlorene Hoffnungen und verletzte Gefühle von Menschen in einer | |
texanischen Kleinstadt. Seinen Regisseur machte der Film über Nacht zu | |
einem authentischen Vorreiter [1][„New Hollywood“], das mit den | |
traditionellen Erzählweisen brach. | |
Bogdanovich, geboren in Kingston/New York, stammt einer [2][vor den Nazis | |
geflüchteten], serbisch-österreichischen Familie. Er begann zunächst als | |
Filmfan, war Filmkurator für das Museum of Modern Art, Kritiker (unter | |
anderem für den Esquire) und schaute bis zu 400 Filme pro Jahr. Er | |
erforschte Symbolik und Filmsprachen des US-amerikanischen und europäischen | |
Kinos, um sie selbst zu verändern. Im „Regiekommentar“ zu „Paper Moon“… | |
1972 erklärt er die Bedeutung der Hintergründe für jede Szene und legt die | |
Vielschichtigkeit der so leicht wirkenden Komödie offen. | |
## The Directors Company | |
In den 1960ern hatte Bogdanovich beschlossen, Regisseur zu werden, und | |
setzte seinen Plan in Los Angeles in die Tat um. Er arbeitete mit Roger | |
Corman, freundete sich mit Orson Welles an und inszenierte „The Last | |
Picture Show“ mit Welles’ Tipps im Hinterkopf. Dem Erfolg folgten | |
Streitereien in seiner zusammen mit Francis Ford Coppola und William | |
Friedkin gegründeten Produktionsfirma „The Directors Company“. | |
Bogdanovich durchlief danach eine schwierige Phase. Viele Filme, die er in | |
den 1970ern mit dem Ex-Model Cybil Shepherd inszenierte (wegen der er 1971 | |
seine Frau und Mutter seiner beiden Töchter verließ), floppten an den | |
Kinokassen. | |
Seiner neuen Freundin Dorothy Stratton gab er 1981 die Hauptrolle in der | |
Komödie „They All Laughed“, deren Erscheinen vom Mord an Stratton durch | |
deren Ex-Mann überschattet wurde. Der Regisseur meldete Konkurs an. Erst | |
das sensible Drama „Mask“ um einen durch eine Knochenkrankheit entstellten | |
Jungen konnte 1985 wieder viele überzeugen. | |
Bogdanovich wandte sich nun verstärkt der filmjournalistischen Arbeit zu. | |
Er heiratete 1988 die fast 30 Jahre jüngere Louise, Dorothy Strattons | |
Schwester, und drehte 1993 den am Rande des Kitsch schwimmenden | |
Country-Liebesfilm „The Thing Called Love“. In dem 2018 entstandenen „She… | |
Funny That Way“ versuchte er es ein letztes Mal mit durchdachter | |
Leichtigkeit. Der Film wirkte zwar wie ein müdes Echo seiner Vorläufer. | |
Bogdanovichs genuiner Humor und seine Wärme schimmern dennoch zart durch. | |
7 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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